Gehaltserhöhungen von 20% und mehr auf einen Schlag werden sich zwar ziemlich viele Arbeitnehmer wünschen, schon gar angesichts der momentan dahingaloppierenden Inflation, aber im wirklichen Leben gibt es so etwas normalerweise eher nicht.

Es sei denn, man arbeitet in Deutschland und verdient nicht gut. Die neue deutsche Regierung unter Kanzler Olaf Scholz hat nämlich angekündigt, schon bald den Mindestlohn von derzeit 9,60 Euro auf 12 Euro anzuheben, also um eben jene saftigen 20%. Nun wird jeder halbwegs empathische Mensch das für eine gute Maßnahme halten, 12 Euro pro Stunde entsprechen bei einer 38-Stunden-Woche einem Monatsgehalt von etwa 1.820 Euro brutto, davon kommen noch Lohnsteuer und Sozialabgaben weg. Das gibt also für die 10 Millionen Betroffenen ein Netto, mit dem man nicht wirklich große Sprünge machen kann; also wird diese Erhöhung des Mindestlohns als eine feine Sache gesehen und als sozial gerechtfertigt. Applaus.

Was am Beipackzettel steht

Doch wie so oft in der Welt der Ökonomie ist die Sache nicht so einfach, wie sei zu sein scheint. Denn Mindestlöhne, und da vor allem relativ hohe Mindestlöhne, sind zwar für die Betroffenen kurzfristig erbaulich, haben aber unter Umständen unerquickliche Nebenwirkungen in Form von höherer Arbeitslosigkeit.

Je teurer Arbeit ist, um so attraktiver ist es nämlich für die Arbeitgeber, in die Rationalisierung von Arbeitsabläufen zu investieren und menschliche Arbeitskraft durch Maschinen oder gar Roboter zu ersetzen. Und wo das aus irgendwelchen Gründen nicht möglich ist, werden Jobs, die zu teuer werden, auch manchmal einfach gestrichen, wenn das möglich ist – der Kunde erledigt die Arbeit dann im Bankfoyer oder beim Check-In am Flughafen selber. Das heißt: Mindestlöhne haben die unangenehme Eigenschaft, entweder kaum zu wirken – dann, wenn sie zu niedrig sind – oder Menschen arbeitslos zu machen, nämlich dann, wenn sie zu hoch sind. Was „zu hoch“ ist, erkennt man leider immer erst nach ein paar Jahren – und dann kann es schon zu spät sein.

Mehr Geld, weniger Jobs

Dazu kommt: wo Mindestlöhne für höherer Arbeitslosigkeit sorgen, trifft es die sozial Schwachen besonders. Denn zum gesetzlichen Mindestlohn arbeiten natürlich vor allem Menschen, die keine oder keine gute Berufsausbildung haben; in vielen Fällen Migranten oder andere, die sich an sich schon schwer tun am Arbeitsplatz.

Auf Grund ihrer geringeren Produktivität im Vergleich zu Menschen mit einer guten Berufsausbildung werden diese Arbeitskräfte nur zu eher niedrigen Löhnen einen Job finden; erzwingt der Gesetzgeber übermäßig hohe Mindestlöhne, werden diese Leute aus dem Arbeitsmarkt fallen. Und damit ist niemandem geholfen, weder den Betroffenen noch dem Sozialstaat, der dann entsprechend meist mehr Arbeitslosgeld zahlen muss.

Zum Handkuss kommen schließlich auch die Konsumenten, denn selbst wenn in Folge höherer Mindestlöhne keine Jobs verloren gehen, steigen jedenfalls die Kosten der Unternehmen an, was die natürlich auf die Preise umwälzen. Was die Inflation, die jetzt eh schon viel zu hoch ist, noch weiter antreibt -und letztlich wieder zu Lasten der kleinen Leute geht, die unter dieser Inflation besonders zu leiden haben.

Es ist paradox, aber Faktum: auch in der Ökonomie gilt, dass was gut gemeint ist, nicht zwingend gut gemacht sein muss.