Der Bürgermeister von London, der Sozialist Sadiq Khan, hat dieser Tage gefordert, die Regierung möge den vielen seiner Stadt residierenden russischen Oligarchen ihre schmucken Immobilien einfach wegnehmen – und dort ukrainische Flüchtlinge einquartieren. Der Labour-Politiker vermutet, dass viele dieser Häuser russischer Superreicher vor allem zwecks Geldwäsche gekauft wurden, als um darin zu wohnen. Das sind „goldene Backsteine“, so Khan, „Ich finde, die Regierung sollte sie beschlagnahmen und bevor sie verkauft werden, sollten sie dazu verwendet werden, Ukrainer unterzubringen“ Das sei eine Art der „poetischen Gerechtigkeit“.

Diese „poetische Gerechtigkeit“ wird in diesen Tagen in ganz Europa versucht, wo immer sich die Oligarchen bisher gerne aufgehalten haben. Vor allem in Italien und Frankreich werden Tag für Tag Luxusjachten, die pro Stück 100 Millionen Euro und mehr kosten, konfisziert, auch teure Villen sind schon beschlagnahmt worden.

Die Begründung ist immer die gleiche: die Oligarchen seien Freunde und Unterstützer Putins, indem der Westen ihnen einen Teil ihrer Lieblingsspielzeuge wegnimmt, soll der Druck auf den Herrscher im Kreml verstärkt werden, endlich seinen Krieg gegen die Ukraine zu beenden.

Gegen Reiche ist immer populär

Politiker, die in diesen Tagen fordern, russische Milliardäre zu enteignen, soweit es ihre Güter in der EU betrifft, können damit auf Beifall ihrer Wähler rechnen. Diese Forderung ist ungemein populär, und zwar aus mehreren Gründen: es geht gegen Reiche, ist damit also automatisch irgendwie „gerecht“, und die Logik, Putin solcherart unter Druck setzen zu können, klingt plausibel.

Das einzige Problem dabei: der Schutz des Privateigentums vor staatlicher Willkür ist ein ganz zentraler Wert des Westens, gerade in diesem Punkt unterscheiden wir uns stark von Willkür-Systemen wie Russland oder China, wo Privates Eigentum letztlich immer unter einer Art Vorbehalt steht: auch das Grundbuch ist dann, wenn es den Herrschenden gefällt, nur ein Fetzen Papier.
Und diesen Schutz des Privateigentums vor staatlicher Willkür genießt im Westen jeder, egal welchen Pass er hat, wer seine Freunde sind oder was er politisch denkt.
Deshalb muss grundsätzlich das Privateigentum eines Moskauer Milliardärs und Putin-Kumpels genauso geschützt sein wie jenes eines ganz einfachen Briten, Deutschen oder Österreichers.
Das mag uns nicht gefallen und gefühlsmäßig gegen den Strich gehen – aber so funktioniert Rechtsstaat nun einmal.

Nun kann man – und das geschieht ja zum Teil auch – Gesetze auf den Weg bringen, die derartige Enteignungen einer bestimmten Personengruppe legal werden lassen. Der Staat kann das natürlich.
Aber bei allem Bedürfnis, Putin und seine sehr oft sehr kriminellen Freunde in die Knie zu zwingen und ukrainische Frauen und Kinder in ihre Protz-Immos einzuquartieren: das ist ein Weg, der kein Guter ist.

Enteignen wir als nächstes „Klimaschädlinge“?

Denn ein Staat, der heute einer Personengruppe eher willkürlich ihr Eigentum wegnimmt, könnte da durchaus auf den Geschmack kommen. Heute werden russische Oligarchen um ihr Eigentum gebracht, und morgen dann Personen, die von der Regierung als Klima-Schädlinge bezeichnet werden? Und übermorgen enteignen wir dann jene, die der Staat des „Überreichtums“ bezichtigt, was ein Verstoß gegen. Das Gebot der Gerechtigkeit ist?
Hier wird ein Tor zum Missbrauch staatlicher Gewalt aufgemacht, das zu schließen ziemlich schwierig sein wird, ist es erst einmal offen. Irgendeine Gruppe von Personen, die ausreichend Hass der Öffentlichkeit auf sich gezogen haben, wird es immer geben, und sie um ihre Rechte zu bringen, wird von irgendeinem Politiker immer als „poetische Gerechtigkeit“ gefeiert und von einem Mob bejubelt werden. Kennten wir ja auch aus der Geschichte hinreichend, und ist nie besonders gut ausgegangen.

So verlockend es also auch erscheinen mag – den notwendigen Kampf gegen das System Putin mit Mitteln zu führen, die den Rechtsstaat entweder stark überdehnen oder gar überhaupt nicht rechtsstaatlichen Kriterien entsprechen, ist keine besonders tolle Idee. Winston Churchill ist am Höhepunkt des Krieges einmal aufgefordert worden, auch das verbliebene kleine Kulturbudget des Königreiches zu streichen, um noch etwas mehr Geld für die Armee zu haben. Churchill hat das abgelehnt mit der Begründung: „Warum führen wir dann den ganzen verdammten Krieg?“. Eine ungemein kluge Haltung, die auch heute das Fundament der Politik sein sollte. Auch im Ringen mit Putin.