Der deutsche Bundespräsident Walter Steinmaier hat dieser Tage von seinen deutschen Landsleuten gefordert, den Gürtel enger zu schnallen und sich schon einmal auf asketischere Zeiten vorzubereiten. Vor dem deutschen „Katholikentag“ ermahnte er, wenn wir solidarisch sein wollen mit den Schwächsten und gegen das Leid des Globus etwas tun wollen, „dann müssen wir auch über uns nachdenken, über unseren Anteil an der weltweiten Klimakrise, über unseren Lebensstil und unsere Verantwortung für die Welt. (…) Dann werden wir anders leben, anders wirtschaften und ja, auch auf manches verzichten müssen.

Mit voller Kasse ist gut predigen

Dass ausgerechnet ein Politiker, der monatlich 18.000 Euro Gehalt plus 6.000 Euro Aufwandsentschädigung kassiert, seinen weniger gut entlohnten Landsleuten Verzicht predigt, das hat schon einen ganz eigenen Geruch.

Doch inhaltlich liegt Steinmeier damit voll in einem Trend, der sich mit jeder neuen Krise – vom Klima über Corona und nun zum Krieg – verstärkt und an Wucht gewinnt. Es ist eine Art kollektive Verzichtslust, die zwar nicht die ganz normalen, einfachen Menschen, wohl aber die Kaviar-Linke in der ganzen westlichen Welt erfasst hat wie eine Massenhysterie im Mittelalter.

Um den Planeten zu retten, wovor auch immer, müssen wir Verzicht üben; je mehr Verzicht, um so besser, lautet das zentrale Dogma dieser irrationalen Bewegung. Ihre Anhänger rekrutiert diese Ersatzreligion, eine Art moderne Flagellanten-Bewegung, aus sehr unterschiedlichen Teilen des politischen Spektrums von konservativ-katholischen Herz-Jesu-Sozialisten über klassische Ökos bis hin zu den linken Spinnern der „Extinction-Rebellion“- Gruppen, die zum Teil gewaltbereit sind und sich äußerstenfalls in Richtung Öko-Terrorismus entwickeln könnten, wie etwa die britische Polizei meint.

Grenzen des Wachstums? Gibt’s nicht!

Sie alle eint die Grundannahme, dass schon ganz ohne Krisen die Ressourcen des Planeten endlich seien und deswegen irgendwann die „Grenzen des Wachstums“ und damit des Konsums vorgegeben seien, was Verzicht erzwingen würde.

Das klingt plausibel, ist es aber nicht, ganz im Gegenteil. Denn seit Jahrzehnten haben jedenfalls die entwickelten Industriestaaten gelernt, mit immer weniger Ressourcen-verbrauch immer mehr Güter und Dienstleistungen bereitzustellen. Weswegen „Grenzen des Wachstums“ so nicht in Sicht sind, jedenfalls nicht in absehbarer Zeit. Und langfristig sind wir, wie der legendäre Ökonom John Maynard Keynes angemerkt hat, ohnehin alle tot.

Gegen die vom deutschen Bundespräsidenten und den Gläubigen der modernen Flagellanten-Sekte behauptete Notwendigkeit des Verzichts, der Askese und der Neuen Genügsamkeit spricht aber nicht nur die immer effizientere Nutzung der natürlichen Ressourcen.

Die Verzichts-Diktatur

Dagegen spricht vor allem, dass die große Mehrheit der Menschen gar nicht verzichten will, sondern ein einigermaßen komfortables Leben führen möchte, wie sie es bisher gewohnt war. Den Menschen das ausreden zu wollen, wird politisch eher nicht so gut funktionieren, eine demokratische Mehrheit für dergleichen Spinnereien wird es nicht geben.

Sie wird auch gar nicht nötig sein. Denn all jene Probleme, die uns heute plagen, allen voran der Klimawandel, werden nicht durch Askese gelöst werden können, sondern durch technischen Fortschritt; so wie es in der Geschichte der Menschheit ja auch immer war.

Die Technik wird es richten

Der deutsche Publizist Christopher Keese, einst Chefredakteur der „Financial Times“ und der „Welt am Sonntag“, hat darüber ein ganzes, recht faszinierendes Buch geschrieben. Es heißt „Life Changer – Zukunft made in Germany: Wie moderner Erfindergeist unser Leben verändert und den Planeten rettet“ und stellt sozusagen die Antithese zu den weinerlichen Forderungen der Verzichts-Prediger dar. Seine Kernthese: „Die Menschen wollen nicht verzichten. Es hat keinen Sinn, sich gegen die evolutionäre Programmierung immer auflehnen zu wollen, sondern Technologie sollte uns ermöglichen, unsere Grundbedürfnisse zu befriedigen, ohne dabei Schaden anzurichten.

Soll also etwa heißen: Wenn sich herausstellt, dass nicht jeder Mensch auf diesem Planeten Steaks in unbegrenzter Menge konsumieren kann, ohne das Klima zu schädigen – Stichwort Kuh-Furz –, dann wird nicht fleischliche Enthaltsamkeit die Lösung sein, sondern Fleisch aus dem Bio-Reaktor, das auch abgebrühte Gourmets nicht vom Original unterscheiden können.

Das gleiche wird für alle anderen Probleme gelten – Fortschritt, nicht Verzicht ist die Lösung.

Und Menschen mit dem Einkommen des deutschen Bundespräsidenten werden sich ja dann noch immer ein ganz altmodisches Beiried vom Original-Rind leisten können.