Wir Europäer sind jetzt, als Ergebnis der supergenialen Politik unserer Eliten, mitten im 21. Jahrhundert dazu angehalten, unsere Wohnungen und Büros nur ja nicht zu warm zu temperieren, möglichst dicke Pullis anzuziehen und kalt zu duschen, mit unseren Autos bloß nicht mit dem Tempo unterwegs zu sein, für das sie gebaut werden, uns auf Blackouts und Stromabschottungen vorzubereiten und überhaupt zu leben, als wären wir Büßer und Flagellanten, die ihre Lust aus der Kasteiung beziehen. In den Bädern der Stadt Wien haben sie gerade die maximal zulässige Wassertemperatur abgesenkt; Gänsehaut fürs Gemeindebudget sozusagen.

Die grüne Lust am Mangel

Besonders den Grünen ist es ja bekanntlich ein Anliegen, uns endlich von den Geißeln des schrankenlosen Konsums zu befreien und in eine Welt zu führen, in der es, wie in einem alten DDR-Witz, im Erdgeschoß des Kaufhauses »keine Hosen« gibt, während im ersten Stock »keine Hemden« angeboten werden; »degrowth« heißt das heute im Öko-Slang.
Gleichzeitig dürfen wir dabei zuschauen, wie unser Geld von Tag zu Tag weniger wert wird; die Staaten Schuldengebirge anhäufen, von denen alles bekannt ist außer, wie sie wieder abgebaut werden sollen, und wie sich der Rest der Welt zunehmend über uns lustig macht, wenn wir die Frage erörtern, wie viele Geschlechter es eigentlich gibt.

Planet Brüssel, wo die Zeit stillsteht

Dergleichen ist heute in ganz Europa an der Tagesordnung. All das zusammen sollte eigentlich für die Europäische Union eine ausreichend lange und ausreichend wichtige Agenda ergeben, die abzuarbeiten allerhöchste Priorität haben sollte.

Sollte. Denn gleichzeitig geht das Leben auf dem Planeten Brüssel für die dort lebenden Bewohner weiter, als hätte sich das Leben aller anderen Europäer nicht innerhalb weniger Monate dramatisch zum Schlechteren gewendet.

Und so übersiedelt etwa das Europäische Parlament, Energiemangel hin, Klimawandel her, weiterhin ungerührt regelmäßig einmal im Monat von Brüssel nach Straßburg und wieder retour; hundert Abgeordnete, ein Vielfaches an Mitarbeitern und endlose Aktenberge pendeln gefangen in einer Endlosschleife hin und her, wohl bis zum Jüngsten Gericht, möglicherweise auch darüber hinaus.

Das kostet, während Millionen von EU-Bürgern sich das Heizen nicht mehr leisten können, weit über hundert Millionen Euro pro Jahr und emittiert ungefähr so viel CO2 wie eine mittelgroße Airline – aber das alles geht den Entscheidungsträgern am Allerwertesten vorbei. Und das alles, weil Frankreich es mit der Ehre der Grande Nation nicht vereinbaren kann, auf den zweiten Sitz des Parlaments in seiner Provinzmetropole zu verzichten und nicht weniger EU-Bürokraten die feine Straßburger Küche schätzen.

Solange Europa so etwas wie die kuschelige Komfortzone dieses Planeten war, mag eine derartige Verschwendung von Ressourcen ärgerlich, aber hinnehmbar gewesen sein. Angesichts der heutigen, noch dazu selbstverschuldeten Polykrise ist das jedoch obszön und eine Verhöhnung jedes Steuerzahlers in der Union.

Arme Hoteliers!

Das war jetzt die schlechte Nachricht, aber die ganz schlechte lautet: Anstatt daraus zu lernen und das Problem zu lösen, eskaliert bei den Berufseuropäern diese Form der politischen Wirklichkeitsverleugnung gerade munter weiter. So plante die Führung des EU-Parlaments bis vor kurzem allen Ernstes, ein großes Luxushotel in Straßburg zu errichten und zu betreiben, »um etwas Druck von der Straßburger Hotellerie zu nehmen«, wie die Parlamentspräsidentin Roberta Metsola in einem Brief an die französische Regierung schrieb. Dazu sollte ein jetzt als Bürogebäude der Union dienendes Haus in eine Luxusherberge umgebaut werden.

Was freilich angesichts der Fülle luxuriöser Hotels in Straßburg, die nur für die wenigen Sitzungstage des Parlaments ausgebucht sind, schlicht und einfach Quatsch ist, aber einen ganz bestimmten Grund hat. Denn, wie das Magazin Politico aufgedeckt hat, sucht eine große französische Bank für eine von ihr finanzierte Großimmobilie gerade einen Abnehmer. Wandelte das EU-Parlament, nun einen seiner Bürostandorte in das angeblich so dringend notwendige Hotel um, entsteht natürlich Bedarf nach einer neuen Immobilie – die, bingo, zufällig gerade in Form des von der Bank errichteten Palastes verfügbar ist. Erst an diesem Wochenende zog ein Sprecher des Parlamentes die Notbremse und sprach von einem „veralteten“ Plan, der so nicht mehr aktuell sei. Man wird sehen, ob das so stimmt.

Das Geld anderer Leute

Sollte das alles Unmut im Volk erzeugen, kann sich dieses Volk ja noch immer an jenen Plakaten erbauen, die derzeit auf Kosten des Volkes flächendeckend in Wien zu besichtigen sind und so wichtige Botschaften transportieren wie »Demokratie, Vielfalt und Klimaschutz – Du bist EU«.

Danke, aber verarschen können wir uns selbst.