Sich mit einer Jugendbewegung kritisch auseinanderzusetzen, ist für alte weiße Männer wie mich immer ein etwas riskantes Unterfangen. Denn selbst wenn die konkrete Kritik berechtigt sein sollte, was ja auch einmal vorkommen kann, landet man dabei leicht in der Ecke des griesgrämigen, die modernen Zeiten nicht mehr verstehenden Zausels, der den Jungen nur noch im Weg steht. Und das ist ja keine besonders attraktive Rolle, weswegen sich auch nicht wenige Medienmenschen fortgeschrittenen Alters gerne Jugendbewegungen anbiedern, um noch irgendwie als modern und zeitgeistig zu erscheinen.

Achtung, Erlöser!

Kann man machen, muss man aber nicht. Deshalb finde ich zum Beispiel nicht wirklich vernünftig, wie sich die unter dem Begriff »Klimakleber« lose zusammengefasste Jugendbewegung, die sich nichts weniger als die Erlösung der ganzen Welt von der Klimakrise zum Ziel gemacht hat, gerade entwickelt.

Nun empfiehlt es sich ja ganz grundsätzlich, zeitgenössischen Erlösern aller Art mit einer gewissen Mentalreservation gegenüberzutreten; in aller Regel bewirkt deren Handeln nämlich nicht Erlösung, sondern Katastrophen aller Art.

Auch für die Klimakleber scheint das von Tag zu Tag mehr zu gelten. Denn je aggressiver ihr Aktionismus wird, um so klarer wird auch, dass sie – wie alle Erlösungsbewegungen – ihrem Ziel, die Welt zu retten, alle anderen zivilisatorischen Errungenschaften westlicher Demokratien unterordnen oder diese auch ganz preisgeben, wenn das notwendig erscheint.

Wenn die Demokratie im Weg steht

Dass dies etwa für den Kapitalismus und die Marktwirtschaft gilt, ist schon seit Längerem bekannt – beide stehen im Milieu der Klimakleber zur Disposition, wenn es ihnen notwendig erscheintDoch neuerdings zeigt sich auch immer deutlicher, dass nicht nur die Marktwirtschaft selbst, sondern auch die Demokratie von den Klimaklebern infrage gestellt wird, wenn sie nicht so spurt, wie die Erlösersekte das will.

Zu beobachten war das letzte Woche sehr gut in Deutschland. Dort forderten Vertreter der Klima-Kampfgruppe »Letzte Generation« allen Ernstes die Gründung von »Bürgerräten«, die in Klimafragen – also irgendwie in allen Fragen – die gewählten Parlamente und Regierungen überstimmen können sollen, um die Ziele der Klimaschützer durchzusetzen; wenn es sein muss, auch gegen demokratische Mehrheiten. Für den Fall, dass dies nicht umgesetzt wird, drohten sie mit einer »maximalen Störung der öffentlichen Ordnung«.

Man muss nicht besonders humorlos sein, um darin einen Erpressungsversuch zu erblicken mit dem Ziel, die demokratische Ordnung zu stürzen und durch eine Art »Räterepublik« zu ersetzen. So etwas ist ganz grundsätzlich ein Fall für die Verfassungsschützer.

Gewalt, na und?

Ganz offenbar ist bei einem Teil der Klimabewegung eine Selbstradikalisierung im Gange, die bei vergleichbaren politischen Formationen mit messianischer Motivlage in der Geschichte immer wieder zu beobachten war – und die selten gut ausgegangen ist

Natürlich ist nicht alles, was hinkt, ein Vergleich. Aber die aktuelle Selbstradikalisierung von »Letzte Generation« & Co erinnert schon ein wenig an die Metamorphose eines kleinen Teils der extremen Linken im Deutschland der 1980er Jahre, von der politischen Bewegung über »Gewalt gegen Sachen« hin zur terroristischen RAF.

Noch, das muss fairerweise gesagt werden, gibt es auch bei den radikaleren Klimaschützern keine sichtbaren Ambitionen in diese Richtung; gleichzeitig aber keine Hinweise, welche die rote Linie ist, die zu überschreiten den radikalen Klimaschützern nicht einmal der Schutz des Klimas wert ist. Zur »Gewalt gegen Sachen« gibt es ja in diesem Milieu ein eher entspanntes Verhältnis; und in theoretischen Schriften zum Thema wurde auch schon einmal gefordert, Umweltsünder müssten ins Gefängnis gehen – gar so weit von der Gewalt gegen Menschen ist das auch nicht mehr entfernt.

Die Entgrenzung

»Momentan beschreitet die ›Letzte Generation‹ wie jede Sekte, die in die Defensive geraten ist, einen Weg der Selbstradikalisierung«, urteilte jüngst auch die Neue Zürcher Zeitung. »Die moralische Lauterkeit der ›Letzten‹ ist durch Fernreisen ihrer Protagonisten infrage gestellt, die professionelle Verlässlichkeit durch ein Datenleck. Da ist der Sprung nach vorne die Flucht in die Entgrenzung der Mittel.«

Auch als alter weißer Mann muss man deshalb zum Schluss kommen: Solidarität und Unterstützung verdienen diese Klimakleber nicht im Geringsten.