Dass in Österreich Betriebe nahezu verzweifelt nach Mitarbeitern suchen, die bereit sind, für angemessene Bezahlung zu arbeiten, dürfte sich sogar bis in die kuscheligen Zentralen von ÖGB und Arbeiterkammern herumgesprochen haben. 206.000 offene Stellen sind derzeit am Markt, das sind um 40 Prozent mehr als im vergangenen Jahr und sogar um 60 Prozent mehr als 2019, dem letzten Jahr vor der Corona-Pandemie. Mit zum Teil dramatischen Folgen: Unternehmen können nicht so viel produzieren, wie die Kunden eigentlich nachfragen. Und dies, obwohl es sich nicht durchwegs um Hungerleider-Jobs handelt, die da angeboten werden. Etwas mehr als ein Drittel aller offenen Stellen sind mit einem monatlichen Bruttogehalt von mindestens 2.400 Euro oder mehr dotiert, bei ebenso über einem Drittel lag die Spanne immerhin zwischen 1.700 und 2.400 Euro.

Dass sich für diese Jobs niemand findet, ist für den Wohlstand eines Landes alles andere als gut.

Zurück zum Klassenkampf

Doch die Arbeitnehmervertretungen sind ausgerechnet in dieser prekären Situation auf eine Lösung verfallen, die aus dem Lehrbuch der Voodoo-Ökonomie stammen dürfte: Sie drängen immer heftiger und immer massiver darauf, die Arbeitszeit drastisch zu verkürzen, ohne die Löhne entsprechend zu reduzieren. Für dasselbe Geld soll weniger gearbeitet werden, also etwa nur mehr vier Tage in der Woche. Auch die SPÖ, in der traditionell das Wissen um ökonomische Zusammenhänge eher schwach ausgeprägt ist, hat sich diese Forderung zu einem Anliegen gemacht.

Nun ist es natürlich das gute Recht von Gewerkschaftern, die Interessen ihrer Mitglieder zu vertreten – geschenkt. Und auch überzogene Forderungen gehören da manchmal zum Spiel, um zumindest einen Teil des Erstrebten durchzusetzen.

Man muss den Gewerkschaften auch konzedieren, dass sie diese Interessen ihrer Klientel in den vergangenen Jahrzehnten im Großen und Ganzen auch relativ maßvoll vertreten haben. Die Sozialpartnerschaft alten Stils glich zwar einer demokratisch nicht legitimierten Schattenregierung, war der Entwicklung des Landes aber nicht gerade hinderlich.

Doch langsam muss man sich fragen, ob das auch heute noch gilt, oder ob nicht wieder eine Mentalität des Klassenkampfes, Motto »Eat the Rich«, dominiert, die auf wirtschaftliche Vernunft gut verzichten kann. Dass ausgerechnet jetzt, für dasselbe Geld weniger zu arbeiten, bar jeder Vernunft ist, deutet jedenfalls sehr in diese Richtung.

Und es ist mehr als fraglich, ob das wirklich im Interesse der Arbeitnehmer ist.

Angriff auf die Unternehmer

Denn für Unternehmen bedeutet dies eine gleich doppelte Belastung: Einerseits, weil dann natürlich Personal fehlt, zweitens, weil dieses Personal angesichts des schon jetzt dramatischen Arbeitskräftemangels kaum aufzutreiben sein wird.

Wie, bitte, soll etwa ein Friseurbetrieb, dessen Mitarbeiter künftig bei selbem Gehalt nur noch montags bis donnerstags arbeiten, der Kundschaft freitags und samstags die Haare schneiden, ohne zusätzliche Friseure einzustellen, die es aber nicht gibt?

Doch selbst gelänge dies, stiegen natürlich die Kosten des Friseurbetriebes massiv – zusätzlich zu den Energiekosten, der Miete und vielen anderen Kostenstellen.

Was wiederum die Preise hochtreiben würden, was angesichts einer aktuellen Inflationsrate von satten elf Prozent auch nicht eine so wirklich gute Idee zu sein scheint.

Wir fassen also kurz zusammen: Jetzt zu erzwingen, dass die Menschen für dasselbe Gehalt weniger arbeiten, würde dazu führen, dass sich der Personalmangel weiter verschärft, die Wirtschaft weniger produzieren kann, als die Kunden nachfragen und die Preise noch mehr steigen, was gerade die sozial Schwachen bekanntlich besonders trifft.

Her mit der Peitsche!

Ein besonders verhaltensoriginelles Argument hat in diesem Zusammenhang jüngst der linke Ökonom Oliver Picek in die Diskussion eingeführt: Eine Verkürzung der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich sei eine »Strukturpeitsche« für die Unternehmen, die sie zu Rationalisierungsmaßnahmen zwingen würde. Als Beispiel nannte er Selbstbedienungskassen im Supermarkt, die Kassiererinnen ersetzen können, oder den Einsatz von »Künstlicher Intelligenz«.

Nun mag schon sein, dass »Künstliche Intelligenz« bessere Ergebnisse erzielen könnte als linke menschliche Ökonomen; dass aber diese fordern, Unternehmen sollen Menschen durch Maschinen ersetzen, ist bislang eher selten zu beobachten gewesen. Aber man lernt ja bekanntlich nie aus.

Weder AK noch ÖGB haben bisher interessanterweise bei sich selbst umgesetzt, was sie von allen anderen fordern – das Vergnügen, für dieselbe Gage deutlich weniger arbeiten zu müssen, bleibt ihren Bediensteten bislang vorenthalten.

Die dortigen Chefitäten werden schon wissen, warum.