Es waren zwei Studien, die auf den ersten Blick überhaupt nichts miteinander zu tun haben und unlängst völlig unabhängig voneinander veröffentlicht wurden – und die doch, fügt man sie zu einem Ganzen zusammen, eine bislang wenig beachtete Bedrohung unserer Form des Zusammenlebens beleuchten.

Die erste Studie ging der Frage nach, ob Österreicher oder Deutsche willens wären, ihre Heimat notfalls auch mit der Waffe vor einem Aggressor zu schützen. Das doch etwas überraschende Ergebnis der Gallup-Untersuchung: Nur 21 Prozent der Österreicher und gar nur 18 Prozent der Deutschen würden mit Waffengewalt ihre Heimat verteidigen, ein im internationalen Vergleich extrem niedriger Wert.

Die andere Untersuchung beschäftigte sich mit der Frage, wie die Bevölkerung die Auswirkungen der großen Migrationswelle seit 2015 einschätzt. Demnach bewerten zwei Drittel der Österreicherinnen und Österreicher das Zusammenleben mit Zuwanderern (67 Prozent) oder Flüchtlingen (68 Prozent) als »eher schlecht« oder »sehr schlecht«. Ebenfalls 67 Prozent schätzten das Zusammenleben mit Muslimen als »schlecht«. Als problematische Situationen im Zusammenleben mit Zugewanderten wird vor allem der öffentliche Raum wahrgenommen (71 Prozent), gefolgt von Wohnvierteln (65 Prozent) und Schulen (47 Prozent).

Nun gibt es wahrscheinlich eine ganze Reihe von Gründen, warum gerade Deutsche und Österreicher so wenig Bereitschaft zeigen, notfalls zur Waffe zu greifen wie derzeit die Ukrainer, von der historischen eher schlechten Erfahrung unserer Urgroßeltern mit vermeintlichen Endsiegen über die postheroischen Mentalitäten der heutigen jungen Generation, einer individualistisch-hedonistische Grundeinstellung, die stark das individuelle Wohlbefinden betont bis hin zu einer generellen Skepsis traditionellen Werten wie »Vaterlandsliebe« gegenüber, auch in der Variante »Mutterland«.

Wer will mit der Waffe Afghanen verteidigen?

Denkbar ist aber auch, und der empirische Befund legt das durchaus nahe, dass immer mehr Menschen vor allem im städtischen Bereich und dort vor allem, wo ein Übermaß an migrantischer Bevölkerung zu den in der Untersuchung beleuchteten Missständen führt, ihre Heimat nicht mehr so recht als Heimat empfinden. Um das zu verstehen, muss man sich nur einmal eine Zeitlang in der Gegend zwischen dem Wiener Reumannplatz, der Quellenstraße und dem Keplerplatz herumtreiben oder in bestimmten Teilen Ottakrings. Auch Menschen, die dem Orient durchaus freundlich zugetan sind, werden dort schnell bemerken, dass es besser ist, ihn mit dem Flugzeug ansteuern zu müssen und nicht mit der U-Bahn.

Dieses Gefühl, Fremder oder Fremde im eigenen Land zu sein, stößt bei den meinungsbildenden Eliten naturgemäß auf wenig Verständnis oder gar Gegenliebe; aber diese gehobenen Stände wohnen ja in aller Regel nicht am Reumannplatz.

Heimat, fremde Heimat

Wenn aber, egal, ob zu Recht oder nicht, ein erheblicher Teil der Bevölkerung die eigene Heimat nicht mehr als Heimat empfindet, sondern als geografische Entität, in die jeder kommen kann, dem das gerade lustig ist, deren Staatsbürgerschaft kein Privileg ist, sondern ein Formular; wenn das mühsam genug erarbeitete Steueraufkommen auch jenen zugute kommt, die »jetzt halt eben  da sind« (Angela Merkel) – dann dürfte es kein Wunder sein, wenn die emotionale Bindung an diesen Staat immer weiter erodiert.

Sein eigenes Leben zu riskieren für einen Staat, der immer weniger als der eigene empfunden wird und immer mehr als Umverteilungsmaschine erscheint, die nicht nur Geld, sondern auch soziokulturelle Territorien an Fremde verschenkt – »Reumannplatz« –, das ist vermutlich nicht wirklich so ohne Weiteres zumutbar.

Vaterland? Igittigitt!

Das Problem wird dadurch nicht kleiner, dass besonders im deutschen Sprachraum die »Liebe zum Vaterland«, Voraussetzung jedes ernsthaften Wehrwillens, zunehmend als toxisch gilt, besonders im sich als progressiv verstehenden Milieu, das gleichzeitig besonders migrationsaffin ist. Deutschlands Grüne wollten vor zwei Jahren gar den Begriff »Deutschland« aus ihrer Programmatik streichen. »Im Mittelpunkt unserer Politik steht der Mensch in seiner Würde und Freiheit. Und nicht Deutschland«, wurde das begründet.

Kann man so sehen. Aber hinter dieser Fahne der Wokeness und der Entgrenzung der eigenen Identität wird wohl niemand in einen Krieg ziehen, um eine Heimat zu verteidigen, die sich längst selbst dekonstruiert hat.