Ausnahmsweise notwendiger Disclaimer: Ich bin mit Thomas Schmid, dem nunmehr ehemaligen Vorstand der staatlichen Beteiligungsholding ÖBAG weder befreundet noch auch nur bekannt; wir sind einander, soweit ich mich entsinne, auch nie begegnet und ich kann ihn daher weder in fachlicher noch gar in anderer Hinsicht beurteilen.

Und trotzdem – oder vielleicht auch gerade deshalb – finde ich die Art und Weise, wie eine Reihe von Politikern und Medien den Mann bis zu seinem Abgang gehetzt haben widerwärtig, unverhältnismäßig und abstoßend.

Wer die Menschenjagd auf Schmid verfolgt hat, muss froh sein, dass es aus der Mode gekommen ist, Scheiterhaufen zu errichten und missliebige Personen unter dem Gejohle eines sensationsgeilen Mobs abzufackeln.

Was war eigentlich das Verbrechen, dessentwegen Thomas Schmid nicht nur seinen Job, sondern auch seine bürgerliche Ehre verlieren musste?

Ein alberner Vorwurf

Vorwurf 1: Er hat sich seinen Aufsichtsrat selbst ausgesucht und damit aus der ÖBAG eine für ihn komfortable „Schmid AG“ gemacht.

Der Vorwurf trifft zu, ist aber an den falschen adressiert. Denn zugelassen und ermöglicht hat diese Konstruktion der Eigentümer, also die Republik, in Gestalt des Finanzministers. Einem Angestellten vorzuwerfen, dass er seinem Dienstgeber möglichst viele Goodies herausverhandelt, ist albern.

Vorwurf 2: Schmid hat sich in Chats hochmütig und arrogant über den „Pöbel“ geäußert, der im Flieger in der Holzklasse fliegt, und auch sonst die Regeln des guten Benehmens in privaten Unterhaltungen souverän ignoriert.

Der Vorwurf ist berechtigt, wiegt aber für sich nach meinem Dafürhalten nicht schwer genug, um eine derartige Menschenhatz zu veranstalten

Gerade als Politiker oder Journalist sollte man da übrigens eher vorsichtig sein: Würden die durchaus vergleichbaren Anmerkungen des einen oder anderen Chefredakteurs oder Herausgebers, Abgeordneten oder Ministers publik werden, würden bei Anmessen der gleichen strengen Kriterien jählings ziemlich viele hochdotierte Jobs frei.

„Vieles ist dreist, der Umgangston herb, der Humor privat geglaubter Unterhaltungen grottig. Wer aber von sich behauptet, privat noch nie eine halblustige oder despektierliche Nachricht versendet zu haben, ist entweder verlogen, bigott oder dement,“ schrieb die kluge Andrea Schurian dazu jüngst in der „Presse“, und hat vollkommen Recht damit.

Übrigens: Im „profil“ das sich über den Pöbel-Sager durchaus zurecht echauffiert hat, war vor ein paar Jahren folgende Charakterisierung von FPÖ-Wählern zu lesen: „Es sind die hässlichsten Menschen Wiens, ungestalte unförmige Leiber, strohige, stumpfe Haare, ohne Schnitt, ungepflegt, Glitzer-T-Shirts, die spannen, Trainingshosen, Leggins. Pickelhaut. Schlechte Zähne, ausgeleierte Schuhe. Die Flüchtlinge aus dem Nahen Osten sind ein schönerer Menschenschlag. Und jünger.” – Jemanden bloß als „Pöbel“ zu bezeichnen, und das auch nur im privaten Chat und nicht in einem Magazin, erscheint da geradezu empathisch.

Auch Eliten dürfen Abgründe haben

Vorwurf 3: Schmid habe auf seinem Diensthandy Fotos in großer Zahl abgespeichert gehabt, darunter auch Abbildungen männlicher Reproduktionswerkzeuge.

Das mag etwas exzentrisch erscheinen, gewiss, aber wer um Gottes willen kommt dadurch zu Schaden?

Ich gestehe: Die Vorstellung, in einer Gesellschaft leben zu müssen, deren Führungskräfte keine Abgründe haben, die der Öffentlichkeit besser verborgen bleiben müssen, die kalte Maschinen ohne dunkle Seiten sind, fände ich wesentlich erschreckender als ein paar sogenannte „Dick-Pics“ (kann man bei Bedarf googeln) oder anderer Schweinkram auf einem Diensthandy. Ein tugendhaftes Leben erkennt man bekanntlich daran, dass es nicht so aussieht, als ob man es leben wollte. Oder wie es der FDP-Generalsekretär Konstantin Kuhle dieser Tage im deutschen Bundestag formulierte: „Wer nichts zu verbergen hat, der hat ein verdammt trauriges Leben.“

Gewiss, Thomas Schmid hat sich in der ganzen Causa nun wirklich nicht mit Ruhm bekleckert. Sichtbar wurde da vor allem, und nicht nur bei ihm, jene Art der Menschenverachtung, die Arthur Schnitzler in seinem Stück „Das weite Land“ die Figur des Friedrich Hofreiter präzise beschreiben lässt: „Still! Ich weiß, was Jugend ist. Es ist noch keine Stunde her, da hab’ ich sie glänzen gesehn und lachen in einem frechen, kalten Aug’. Ich weiß, was Jugend ist.“

Gewiss, die „frechen, kalten Aug`“ der „Familie“ um Thomas Schmid sind kein erfreulicher Anblick.  Aber zum Verhängnis wurden Schmid letztlich nicht törichte Fotos oder dreiste Sprüche, sondern seine Nähe zum Kanzler. Denn der war natürlich gemeint, wenn Schmid vorgeführt wurde.

Schmid mag sich nicht mit Ruhm bekleckert haben, aber das gilt noch viel mehr für manche, die ihn über Gebühr und ohne Maß, aber durchaus mit Ziel bloßgestellt haben.

Wer will eine Jagdzeitung machen?

Nachtrag: Irgendwann in den 1980er-Jahren, ich habe da für „profil“ gearbeitet, dessen damaliger Herausgeber Peter Michael Lingens das Magazin für eine Zeit lang zum wichtigsten Medium des Landes gemacht hatte, erteilte mir Lingens einen Rüffel. Meine Berichterstattung in einer bestimmten Affäre sei über das angemessene Maß hinaus aggressiv und vorverurteilend, meinte er, und fügte hinzu: „Ich will nicht, dass wir hier eine Jagdzeitung machen“.

Damals hat mich das geärgert. In den letzten Tagen habe ich ganz gut verstanden, was er damit gemeint hat.

Mit Christian Ortner (62) ist die kräftige Stimme des „Zentralorgans des Neoliberalismus“ (Ortners Online-Forum) beim eXXpress zu hören. Ortner lässt keinen kalt. So kompromisslos wie sein Einsatz für freie Märkte und freie Menschen ist auch seine Auseinandersetzung mit den „Sozialisten in allen Parteien“ (F.A.v.Hayek). Er verschont keinen. Ob es nun die EU und das Fiasko bei der Beschaffung der Corona-Impfstoffe, oder staatliche Eingriffe aller Art in die Wirtschaft sind. In der Vergangenheit war Ortner Wirtschaftsredakteur beim Nachrichtenmagazin profil, Chefredakteur der Wochenpresse, Herausgeber und Chefredakteur der WirtschaftsWoche Österreich und Herausgeber sowie Chefredakteur von Format.