Für normale Menschen, die den ganzen Tag arbeiten, sich um ihre Kinder kümmern und drauf schauen müssen, dass das Geld nicht vor dem Monat aus ist, dürfte mit Recht relativ egal sein, was sich in der Blase des Kurznachrichten-Dienstes „Twitter“ so abspielt.

Ganz nützlich ist Twitter freilich, wenn man aus irgendeinem Grund verstehen will, wie jenes sich selbst meist als „linksliberal“ bezeichnende Milieu aus Politik und Medien eigentlich tickt, das in dieser kleinen digitalen Welt tonangebend ist.

Oft genügt da schon ein Wort, um zu erfahren, wie diese Menschen denken.

Allein in den vergangenen Tagen, und ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit, drei hübsche Beispiele dazu.

Fall 1: Natascha Strobl

Frau Strobl ist Politikwissenschaftlerin und wird von Medien wie dem ORF, dem Falter oder dem Standard gerne eingeladen, wenn es um den „Kampf gegen rechts“ geht. Und um den geht es ja praktisch immer.

Am 27. Juni twittert Frau Strobl: „Mir ist gerade eine Episode aus meinem Studium eingefallen. Es war ein Forschungsseminar zum Thema Gemeindebau und FPÖ. Und wir haben in Gruppen Gemeindebauten zugewiesen bekommen um Feldforschung zu betreiben. Und ich kam mir vor wie auf Prolo-Safari-Fahren“.

Moment. Safari bedeutet bekanntlich einen Jagdausflug, um Tiere zu töten oder auch nur zu beobachten. Gemeindebaubewohner sind für die Politologin also nicht nur „Prolos“, sondern so eine Art Tiere?

Für den ehemaligen ÖBAG-Chef Thomas Schmidt war kürzlich ein Chatverlauf, in dem er von „Prolls“ und „Tieren“ in der Economy-Class beim Fliegen sprach, der letzte Sargnagel für seine Karriere.

Es wird interessant sein zu beobachten, ob nun Falter, Standard und ORF auch die genau gleiche Entgleisung der Frau Strobl zum Anlass nehmen werden, vielleicht eine andere, politisch korrektere Kämpferin gegen rechts in ihr Repertoire aufzunehmen – oder ob linksliberale einfach dürfen, was bei Herrn Schmidt ein Verbrechen darstellt.

Fall 2: Stefanie Krisper

Frau Krisper ist Nationalratsabgeordnete der „Neos“ und bisher vor allem durch eine recht volksnahe Sprache im Untersuchungsausschuss aufgefallen; sie wird bei den „Neos“ dem eher linksliberalen Flügel zugeordnet, wo es mehr um „Gesellschaftspolitik“ denn um freie Märkte und entfesselten Kapitalismus geht.

Nach dem jüngsten besonders brutalen Mord an einer 13jährigen und der Festnahme vorerst zweier junger afghanischer Männer in diesem Kontext ließ nun Frau Krisper ihren Gefühlen auf Twitter freien Lauf.

Freilich nicht darüber, wie wir Abschaum, der solche Verbrechen begeht, möglichst schnell loswerden können – sondern über Sebastian Kurz. „Wo war Kurz’ Wut bei den Frauenmorden im Kontext von häuslicher Gewalt?“ schrieb Krisper da, „Es geht ihm nicht um das tote Mädchen und dessen Familie. Es geht ihm darum, weiter zu spalten. Ein Bundeskanzler sollte die Gesellschaft aber zusammenhalten wollen. Gerade nach so einer schrecklichen Tat.“

Moment. Was soll der Bundeskanzler da zusammenhalten? Mörder und Opfer? Hoffentlich nicht. Oder vielleicht die große Zahl jener, die dergleichen Gesindel nicht im Lande haben will, mit der kleinen Minderheit jener, die mit dem ehemaligen Raiffeisen-Boss und „Flüchtlingskoordinator Christian Konrad glauben: „Faktum ist, dass dieses Land durch die Aufnahme von 50.000 Flüchtlingen in den vergangenen Jahren keinen Schaden erlitten hat“ (Christian Konrad, „Die Zeit“, 16. 8.2020).

Sollte Frau Krisper tatsächlich glauben, da gibt es irgendetwas „zusammenzuhalten“, irrt Sie sich kräftig. Die überwältigende Mehrheit der Österreicher erwartet sich vom Bundekanzler nicht „Das Land zusammenzuhalten“ – sondern das Problem gewalttätiger Migranten zu lösen, und zwar Molto Flotto.

Sollten die Neos das anders sehen, wird es für ernsthafte Liberale eher schwierig sein, sie künftig zu wählen.

Fall 3: Stephan Schulmeister

Normalerweise äußert sich der SPÖ-nahe Ökonom ja meist zu Staatschulden, zu denen er eine Art von erotischem Verhältnis zu haben scheint: Er kriegt nie genug davon.

Dieser Tage aber äußerte er sich, wie Frau Krisper, zum Mord an der 13jährigen – und das ging ganz schrecklich schief. Dass es sich bei den mutmaßlichen Tätern unschuldsvermutet um Migranten aus Afghanistan handeln könnte, ist in seinem Milieu natürlich irgendwie nicht vorgesehen; nicht zuletzt, weil das ja den „Rechten“ in die Hände spielt. Also holte der Ökonom weit aus: „Besonders erfolgreich war die Nazi-Propaganda bei der Verwertung von Sexualverbrechen von Juden an deutschen Mädchen. Täter war DER Jude. So konnten Verbitterung und Angst der durch die Krise Deklassierten auf einen gemeinsamen Feind gelenkt werden.“

Moment. Wenn wir Herrn Schulmeister richtig verstehen, vergleicht er die Regierung Kurz (samt Grünen, nebenbei) mit den Nazis, denn so wie diese Sexualverbrechen von Juden an deutschen Mädchen propagandistisch nutzten, wird auch jetzt offenbar „Verbitterung und Angst der durch die Krise Deklassierten auf einen gemeinsamen Feind gelenkt“. Das ist jetzt zwar wirklich völlig irre, aber anders lässt sich die Auslassung des Ökonomen nicht verstehen. Selten schafft es jemand, zum falschesten Zeitpunkt den hinkendsten aller nur denkbaren Vergleiche zu finden.

Das Verblüffende an diesen drei und zahllosen anderen vergleichbaren Fällen ist weniger die befremdliche Haltung, die da sichtbar wird – sondern das völlig rätselhafte Bedürfnis, diese Haltung auch noch für jedermann sichtbar zu machen.

Es ist irgendwie, als würde man seine Darmwinde, wenn es denn nicht anders geht, nicht wenigstens möglichst diskret ablassen, sondern mit großem Auftritt in aller Öffentlichkeit. Kann man machen, muss man aber vielleicht nicht unbedingt.

Mit Christian Ortner (62) ist die kräftige Stimme des „Zentralorgans des Neoliberalismus“ (Ortners Online-Forum) beim eXXpress zu hören. Ortner lässt keinen kalt. So kompromisslos wie sein Einsatz für freie Märkte und freie Menschen ist auch seine Auseinandersetzung mit den „Sozialisten in allen Parteien“ (F.A.v.Hayek). Er verschont keinen. Ob es nun die EU und das Fiasko bei der Beschaffung der Corona-Impfstoffe, oder staatliche Eingriffe aller Art in die Wirtschaft sind. In der Vergangenheit war Ortner Wirtschaftsredakteur beim Nachrichtenmagazin profil, Chefredakteur der Wochenpresse, Herausgeber und Chefredakteur der WirtschaftsWoche Österreich und Herausgeber sowie Chefredakteur von Format.