Immer mehr Menschen, die sich mit wirtschaftlichen Zusammenhängen ein wenig auskennen, fragen sich in diesen Tagen angesichts einer geradezu atemberaubend hohen Inflation, warum die Europäische Zentralbank (EZB), deren Auftrag doch ist, den Geldwert stabil zu halten, nicht endlich in die Gänge kommt und tut, wozu sie verpflichtet ist: Nämlich die Inflation molto flott auf zwei Prozent oder weniger abzusenken, indem sie die Zinsen entsprechend erhöht.

Die Antwort ist simpel: Weil sie das nicht kann, ohne eine Pleite Italiens, Griechenlands oder Spaniens zu riskieren. Der renommierte deutsche Ökonom Hans-Werner Sinn nennt das mit Recht einen „Kontrollverlust“, den die EZB da erlitten habe und der sie nun handlungsunfähig macht, was zu enormen Wohlstandsverlusten der Menschen führen wird.

Migration auch außer Kontrolle

Nun ist es ja wirklich schon schlimm genug, wenn ausgerechnet die Nationalbank eines Landes (oder diesfalls einer ganzen Währungszone) die Kontrolle über das verliert, was sie tut. Doch noch wesentlich schlimmer ist, dass wir in großen Teilen Europas einen gleich mehrfachen Kontrollverlust auf ganz anderen Gebieten erleben, der noch wesentlich größere Gefahren für unser zukünftiges Wohlergehen in sich birgt.

Etwa im Zusammenhang mit der nach wie vor anhaltenden Migrationsbewegung nach Europa, die auch sieben Jahren nach der Völkerwanderung von 2015/16 nicht einmal annähernd gestoppt werden konnte – heuer stieg etwa in Österreich die Zahl der Asylwerber gegenüber dem Vorjahr wieder stark an. Und das ist noch gar nichts. Im Vergleich zu den Menschenmassen, die sich aus Nordafrika und dem Nahen Osten auf den Weg nach Europa machen werden, wenn aufgrund der starken Inflation die Brotpreise in diesen Regionen noch weiter stark steigen und Hungersnöte und Aufstände zur Folge haben werden.

Genauso wenig wie die EZB die Inflation unter Kontrolle hat, haben die meisten europäischen Staaten die Migration unter Kontrolle – auch hier müssen wir leider „Kontrollverlust“ diagnostizieren.

Das Gas-Chaos

Vermutlich trifft der Befund des Kontrollverlustes auch auf die ganze Energiepolitik der Europäer zu. Denn zuerst vollmundig Sanktionen gegen Putins Russland zu verkünden – so politisch gerechtfertigt diese auch sein mögen –, um dann zu entdecken, dass dieser Schuss möglicherweise nach hinten losgehen und frierende Wähler und stillstehende Fabriken zur Folge haben kann, kann wohl nicht eine Politik sein, die das alles unter Kontrolle hat. Und wenn das Ganze auch noch auf eine moralgetriebene „Energiewende“ vor allem in Deutschland stößt, die unsere Versorgung mit Strom immer mehr gefährdet, dann muss leider auch hier „Kontrollverlust“ festgestellt werden.

Und dann war da ja auch noch Corona

Als wäre dieser multiple „Kontrollverlust“ in diesen lebenswichtigen Fragen nicht schon mehr als genug, erstreckt er sich natürlich auch auf das Management der Corona-Pandemie seit März 2020, als das Virus zu uns kam.

Denn das Chaos an Gesetzen und Verordnungen, die dutzendweise verfassungswidrig waren; wie die Impfpflicht zuerst eingeführt und dann wieder abgeschafft wurde, bevor sie überhaupt angewendet worden ist; die anfänglich lähmende Langsamkeit der EU bei der Besorgung der Impfstoffe, die clownesken Unterschiede etwa in der Maskenpflicht in Öffis diesseits und jenseits der Wiener Stadtgrenzen – all das zeigte einen nahezu vollkommenen „Kontrollverlust“ des Staates, merkwürdigerweise gleichzeitig verbunden mit einem seit 1945 noch nie gesehenen Kontrollapparat.

Alles unter Kontrolle, nix unter Kontrolle

Nun ist es ja grundsätzlich sehr zu begrüßen, wenn sich der Staat nicht die Kontrolle über alles und jedes anmaßt. Der große US-Ökonom Milton Friedman hat das einmal so formuliert: „Die Regierung hat drei Hauptfunktionen. Sie sollte für die militärische Verteidigung der Nation sorgen. Sie sollte Verträge zwischen Einzelpersonen durchsetzen. Sie soll die Bürger vor Verbrechen gegen sich selbst oder ihr Eigentum schützen. Wenn die Regierung – in der Verfolgung guter Absichten – versucht, die Wirtschaft neu zu ordnen, die Moral gesetzlich zu verankern oder Sonderinteressen zu helfen, entstehen die Kosten in Ineffizienz, Mangel an Motivation und Verlust der Freiheit. Die Regierung sollte ein Schiedsrichter sein, kein aktiver Akteur.“

Davon sind wir bekanntlich eh meilenweit entfernt, leider. Aber ein mit Steuermitteln mehr als üppig dotierter Staat, der sich zwar tief in den Alltag seiner Bürger einmischt, sie mit Vorschriften aller Art behelligt und insgesamt wie kleine Kinder behandelt, die man mit Schnitzelgutscheinen bei Laune hält – ein solcher Staat darf nicht dort, wo man ihn wirklich einmal braucht, um große Probleme zu lösen, von massivem „Kontrollverlust“ heimgesucht werden. Sonst werden sich die Leute nämlich einmal fragen, wofür sie eigentlich so viele Steuern bezahlen.