Für seinen klaren und einfachen Satz „Wir brauchen Zäune, und wir brauchen vermutlich auch Mauern“, um „die illegale Migration in die EU zu stoppen“, ausgesprochen vor ein paar Tagen in Brüssel, bezog der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) erwartungsgemäß umgehend jede Menge Prügel. Ein gebürtiger Ossi, der eine Mauer will, das geht natürlich gar nicht, selbst der unkonventionelle „Bild“-Chef Paul Ronzheimer spottete: der Vorschlag zeige am Ende vor allem, „wie verzweifelt die verbliebenden CDU-Spitzenpolitiker um ihre Zukunft kämpften“.

Selbst dass er hinzufügte, „Niemand hat Interesse an Mauern, aber jetzt geht es darum, dass die Europäische Union ihre Wehrhaftigkeit beweist“, half dem CDU-Mann nicht aus der medialen Bredouille.

Wir brauchen diese Mauer

Das Problem dabei ist: Herr Kretschmer hat vollkommen recht mit seinem Vorschlag. Seit 2015 versprechen die EU und ihre Mitgliedsstaaten, das zu tun, wozu sie vertraglich und rechtlich verpflichtet sind, nämlich die Außengrenzen der Union vor illegaler Zuwanderung zu schützen – und versagen weitgehend bei der Erfüllung dieses Auftrages.

Gut zeigt sich das in diesen Tagen an der polnisch-weißrussischen Grenze. Dort schafften es im Juli 30 Migranten auf EU-Territorium, um September knapp 2.000 und im Oktober wohl rund 3.000 Personen. (Der Grund dafür ist, dass der weißrussische Diktator Alexander Lukaschenko Migranten aus Nahost an diese Grenze bringen lässt, um so Druck auf die EU-Staaten ausüben zu können; aber das ist im Grunde nebensächlich). Die allermeisten dieser Migranten zieht es nicht nach Polen, sondern nach Deutschland; ein paar wohl auch nach Österreich.

Schluss mit dem Gefasel

Leider hat noch keiner jener Illusionisten, die meinen, eine derartige Schutzmauer sein inhuman und ein Rückfall in DDR-Zeiten auch nur annähernd eine Idee präsentiert, wie man diese illegale Zuwanderung sonst stoppen könne. Das ewige Gefasel von „Fluchtursachen bekämpfen“ kann ohnehin niemand mehr hören.

Deshalb ist auch richtig und wünschenswert, dass Polen nun auf eigene Initiative – und mit 330 Millionen Euro Steuergeld – begonnen hat, einen 400 Kilometer langen Schutzzaun zu Weißrussland zu errichten, um die Illegalen nachhaltig zu stoppen. Die EU sollte das fördern, anstatt zu mäkeln; will sie aber nicht.

Besonders intellektuell verkommen – oder auch einfach nur dumm – ist es, derartige Schutzzäune mit der Mauer zu vergleichen, die vor 1989 die Bürger des Ostblocks hinderte, ihre diktatorischen Regime mittels Flucht zu verlassen.

Diese Mauer war in der Tat verbrecherisch – die von Kretschmer geforderte hingegen nicht, weil sie ja niemanden einsperrt, sondern nur illegale Einreise verhindert. Das ist ein Unterschied, auf dem man Moral-Klavier spielen kann. Und im Grunde nichts anderes, als ein x-beliebiger Zaun um ein Privatgrundstück, der ungewollte Besucher abhalten soll.

Wenn schon, dann lässt sich eine derartige Mauer an der EU-Außengrenze mit jenem Schutzzaun vergleichen, der Israel seit Jahren von den Palästinensergebieten trennt. Und der bewirkt hat, dass die Zahl der von Selbstmord-Terroristen getöteten Israelis von mehreren hundert pro Jahr auf nahe null zurückgegangen ist.

Festung Europa, ja bitte

Deshalb ist in einer vernünftigen Güterabwägung die Errichtung einer „Festung Europa“ – eh spät, aber doch – der vernünftigste Weg. „Das ist nicht schön,“ konzedierte jüngst auch die „Neue Zürcher Zeitung“, „doch solange es anders nicht gelingt, die Zuwanderung zu steuern, ist eine Festung immer noch besser als die Alternative: islamistische Subkulturen, wachsende Gewaltkriminalität perspektivloser Ausländer und der dadurch getriebene Aufstieg von Populisten.“ (NZZ, 27.10.2021)

So ist es. Europa wäre gut beraten, das nicht weiter zu verdrängen und zu verweigern, sondern endlich zu handeln. Die Polen machen da wenigstens eine Anfang.