Vielleicht wäre es eine nette kleine Idee, im österreichischen Bundeswappen in Hinkunft den berühmten Adler (mit Hammer und Sichel in den Klauen ) durch einen sogenannten „Sideletter“ zu ersetzen.

Denn diese, in der letzten Wochen heftig diskutierte Form einer geheimen, schriftlichen Nebenabsprache zwischen zwei Regierungsparteien über die Aufteilung von Jobs und Pfründen zwischen den Koalitionären versinnbildlicht den österreichischen Nationalcharakter viel besser als der Adler. (Der passt viel besser zu den Deutschen, aber die haben ja eh auch schon einen im Wappen.)

Doch, so sind wir eben

Der „Sideletter“ als nationales Symbol passt hingegen nahezu perfekt zu uns, als Papier gewordenes Synonym für Mauschelei, Schatten-Deals und vor allem eine chronische Neigung zur informellen Aufteilung von Macht, Einfluß und dem Geld anderer Leute (vulgo Steuereinnahmen). Und er passt geradezu symbiotisch zum inoffiziellen Motto der Republik: „Mir wean kan Richter brauchen, mia wean an Trichter rauchen“. Last not least: was könnte die urösterreichische, schon von Karl Kraus in den „Letzten Tagen der Menschheit“ so genial beschriebenen Methode des Erreichens von beruflichen oder anderen Zielen durch informelle Beziehungen, Zugehörigkeit zu Seilschaften oder alle möglichen Interventionen, anstatt durch Leistung, Bestehen von Prüfungen, gar nach objektivierbaren Kriterien und ähnlichem Pipifax besser versinnbildlichen als der Sideletter? „Er war im Ministerium, er hat es sich gerichtet,“ heisst das so wunderbar poetisch in den „Letzten Tagen“. So sind wir.

Wenn der Fuchs den Gänsestall hütet

Ganz dieser Mentalität entsprechend endete die Diskussion rund um die schwar-blauenb und die türkis-grünen „Sideletters“ auch punktgenau dort, wo sie begonnen hätte, relevant zu werden. Nämlich bei der Frage, was zu geschehen habe, um dergleichen informelle Geheimabsprachen und vor allem ihre Folgen für die Qualtät von Personalbesetzungen künftig zu verhindern, wenn man das denn für wünschenswert erachet (was es ist).

Die einzige richtige Antwort auf diese Frage hat meines Wissens nach kein einziger österreichischer Politiker in den vergangen Tagen gegeben.

Dabei ist sie watscheinfach: Wenn man Unternehmen (und Institutionen wie den ORF) aus dem Einflußbereich des Staates vom Zugriff der Parteisekretariate befreien will, muß man sie entstaatlichen. Und das heißt: vom Staatseigentum in Privateigentum überführen, also zu „Privatisieren“.

Alles andere ist Larifari. Die Vorstellung, dass der Staat, der ja diesbezüglich von den Vertretern politischer Parteien personifiziert wird, als Eigentümer darauf verzichtet, auf seine Eigentümerrechte zu verzichten, ist so weltfremd, dass es nahezu absurd ist. Genausogut könnte man vom Fuchs erwarten, den Gänsestall zu hüten. Ist nicht.

Die Schwäche der neuen ÖVP

Das ist an sich relativ trivial, aber leider mit dem kleine Problem behaftet, dass es indies em Land keine einzige Partei – mit der sehr teilweisen Ausnahme der kleinen Neos – gibt, der diese Privatisierung ein Anliegen wäre. Auch die ÖVP, und das ist ihr durchaus vorzuwerfen, läßt in dieser Frage mittlerweile völlig aus.

Dafür gibt es zwei Gründe. Keine potentielle Regierungspartei möchte darauf verzichten, ihre Macht durch ein großes Portfolio von zu vergebenden Jobs zu stärken und zu festigen, die Grünen zeigen das gerade wunderbar vor; und beim Wähler ist „Privatisierung“ ungefähr so beliebt wie eine Wurzelbehandlung ohne lokale Narkose. Will, abgesehen von ein paar neoliberalen Spinnern, genau niemand.

Zusammen erzwingen diese beiden Faktoren, dass der übergroße Anteil des Staates an Unternehmen und Institutionen hierzulande Ewigkeitscharakter hat, der allenfalls durch eine Staatspleite geknackt werden könnte.

Weshalb die Verbreitete Empörung über das Phänomen „Sideletter“ auch etwas höchst verlogenes an sich hat. Denn wer keine Privatisierungen – etwa der ganzen Staatsbetriebe – will, darf sich nicht beschweren, wenn weiter gemauschelt und gepackelt wird. So einfach ist das. Und deshalb wäre es nur konsequent, den „Sideletter“ zum neuen Staats-Symbol zu machen.