Sollten Sie in diesen Tagen ihren Kaffee oder einen schnellen Lunch in einem jener Gastgärten genießen wollen, die im Frühherbst mit elektrischen Heizungsgeräten – in Wien »Heizschwammerl« genannt – auf halbwegs erträglicher Temperatur gehalten werden, so empfiehlt sich ein gewisses Maß an Vorsicht. Denn seit Tagen lauern Heizschwammerl-Denunzianten und Strom-Blockwarte vor derartigen Lokalen, um die in ihren Augen geradezu verbrecherische Vergeudung von Strom zu dokumentieren und anschließend in den sozialen Medien öffentlich zu verbreiten. Es kann wohl nur noch eine Frage der Zeit sein, bis ein digitaler Schwammerl-Pranger errichtet wird, an den die Übeltäter digital gekettet werden, damit sie dem Hass und der Wut des Stromspar-Mobs preisgegeben werden.

Auch Fakes können die Wahrheit zeigen

Wie weit dieses üble wie in der Sache völlig sinnlose Denunziantentum bereits geht, zeigt ein Beispiel aus der Schweiz. Dort kursierte bis vor Kurzem im Netz das Foto eines grafisch perfekt gestalteten Plakats, auf dem die Schweizer Regierung die Bürger aufrief, ihre Nachbarn zu melden, wenn diese ihre Wohnung über Gebühr heizen. Für den Anzeigenden gibt es dann fünfhundert Franken Belohnung.

Das Plakat stellte sich zwar bald als Fake heraus, aber wirklich aufschlussreich ist, dass es ein paar Tage lang von sehr vielen Menschen für echt gehalten worden ist, auch von erfahrenen Journalisten. Das zeigt sehr gut, wie weit wir es schon gebracht haben. Und das ist gar nicht gut.

Denn ein Unrechtstaat der Spitzel und der Melder nach dem Muster der DDR wird auch nicht dadurch zu einem Rechtsstaat, wenn die Aktion »Lausch & Horch« einem angeblich guten Zweck dient, also dem Stromsparen oder der Bekämpfung des Klimawandels.

Wer zahlt, der darf

An sich ist es ja ganz einfach. Wenn ein Wirt seine Stromrechnung bezahlen kann, dann ist es sein gutes Recht, Heizschwammerl aufzustellen – oder eben nicht. Genauso wie es das gute Recht jedes Kunden ist, ein derart energieintensives Lokal aufzusuchen oder nicht.

Mehr gibt es in einem liberalen Rechtsstaat zur Causa Heizschwammerl eigentlich nicht zu sagen.

Dass diese Gerätschaften in solchen Tagen trotzdem für so viel Aufregung und Emotionen sorgen, hat eine Reihe von Gründen. Gründe, die auch ein wenig beleuchten, was gerade mächtig schief läuft bei uns.

Nicht das Erreichte zählt, das Erzählte reicht

Da ist einmal der Umstand, dass die hiesige leicht infantile Öffentlichkeit Symbolpolitik liebt, weil sie jeder versteht, und Sachpolitik fürchtet, weil sie meist komplex ist und Wissen erfordert. Das gilt natürlich ganz besonders für die Energiepolitik, eine der kompliziertesten Materien überhaupt.

Schon die Vor- und Nachteile verschiedener Arten der Energieerzeugung abzuwägen ist enorm anspruchsvoll; Heizschwammerl für ganz schrecklich zu halten, das schaffen hingegen auch schlichtere Gemüter.

Hinzu kommt, dass dank langer grünlich-linker Indoktrinierung – auch medialer – der Reflex auf jedes Problem die Forderung nach einem Verbot ist. Heizschwammerl verbrauchen Strom – gehört verboten, obwohl deren Anteil am Gesamtstromverbrauch Wiens kaum messbar ist.

Schließlich begegnen uns die elektrischen Pilze vorwiegend vor Lokalen der gehobenen Preisklasse, in denen ein eher zahlungskräftiges Publikum verkehrt. Die G’stopften wollen es auf der Restaurantterrasse schön warm haben – und das geht natürlich gar nicht, ist himmelschreiendes Unrecht und sozial unausgewogen. Hier manifestiert sich sozusagen vor aller Augen auf offener Bühne, von den Schwammerln nur notdürftig erwärmt, der kalte, menschenverachtende Neoliberalismus. Und das ist ja praktisch eh schon Nazi und geht gar nicht. Der Denunziant wird solcherart zum antifaschistischen Widerstandskämpfer.

Scheinbare und wirkliche Probleme

Leider haben die Helden dieses antifaschistischen Widerstands keinerlei intellektuelle Kapazitäten mehr frei, um sich über ein paar andere kleine Probleme in diesem Kontext den Kopf zu zerbrechen, etwa das stille, aber stetige Abwandern der Industrie in Länder mit besseren Bedingungen, oder der Frage, warum wir nicht endlich die gewaltigen Gasvorräte heben, die unter Österreich im Boden ruhen.

Aber das ist ja nicht so wichtig wie der Kampf gegen die Heizschwammerl.