Wenn in Österreich die jährliche Erhöhung der Pensionen ausgehandelt wird, dann ist der Verweis auf die »soziale Gerechtigkeit«, derentwegen kleine Ruhebezüge stärker angehoben werden müssen als stattlichere Pensionen, Teil der lokalen Folklore wie der Perchtenlauf in Tiroler Talschaften oder der Radetzkymarsch am Ende des Neujahrskonzertes. Man kann sich Österreich ohne sie so gar nicht recht vorstellen. Diesem Brauchtum folgend, kündigte die Regierung auch vorige Woche wieder einmal an, die kleinen Pensionen um zehn Prozent anzuheben, höhere Renten hingegen um geringere Prozentsätze zu erhöhen. Wegen der, erraten, »sozialen Gerechtigkeit«.

Am Weg zur Volkspension für alle

Nun wäre es ziemlich unpassend und gefühlskalt, alten Menschen, die mit tausend Euro oder so einen Monat lang auskommen müssen, eine ordentliche Pensionserhöhung madig zu machen. Schon gar in Zeiten, in denen der wöchentliche Einkauf im Supermarkt eher um zwanzig Prozent mehr kostet als im Vorjahr.

Und trotzdem führt diese regelmäßige starke Erhöhung kleiner und schwächere Anhebung größerer Renten natürlich aus rein mathematischen Gründen dazu, dass irgendwann einmal alle Pensionen mehr oder weniger gleich hoch sein werden; von ein paar extremen Ausreißern nach oben vielleicht einmal abgesehen. Das heißt aber auch: Ob jemand sein ganzes Leben hart gearbeitet hat und dann nach 45 Jahren in den wohlverdienten Ruhestand tritt, oder ob jemand sein ganzes Leben eher mit der Optimierung seiner »Work-Lifetime-Balance« verbracht oder Teilzeit mit viel Freizeit gearbeitet hat, wirkt sich immer weniger auf die Höhe der Pension aus. Wenn das so weitergeht, wird es am Ende nur noch eine Art eher bescheidener Volkspension für alle
geben, völlig unabhängig von der wirtschaftlichen Leistung, die die Menschen in ihrem Leben erbracht haben.

Leistung soll sich nicht mehr lohnen

Indem der Staat nun die Pension immer mehr von diesen Lebensentscheidungen entkoppelt, weil am Ende eh alle mehr oder weniger dasselbe bekommen, nimmt er den Menschen jede Motivation, selbst für ein wirtschaftlich abgesichertes Altenteil zu sorgen; er degradiert sie damit bis zu einem gewissen Grad zu unmündigen Kindern, die vor den Konsequenzen ihres Handelns zu beschützen sind, damit ihnen nichts passiert. Wir können dieses Phänomen ja nicht nur wie jetzt bei den Pensionen beobachten, sondern auch in immer mehr anderen Zusammenhängen. Wenn etwa Menschen ihr Eigenheim in Zonen bauen, die von Hochwasser oder Murenabgängen bedroht sind,
weil das Bauen dort halt billiger ist, neigt der Staat immer häufiger dazu, den Schaden aus dem Steuertopf zu ersetzen, selbstverständlich auch immer aus Gründen der »sozialen Gerechtigkeit« – und damit den Menschen zu ersparen, die Konsequenzen ihres Handelns selbst tragen zu müssen. Auch die Rettung mancher Unternehmen vor der selbst verursachten Insolvenz folgt diesem Muster.

Die Infantilisierung des Souveräns

Dass die Allgemeinheit für die Folgen falscher Lebensentscheidungen Einzelner aufzukommen hat, wird allgemein immer mehr akzeptiert und als gerecht empfunden. Dass es hingegen höchst ungerecht gegenüber all jenen ist, die verantwortliche Lebensentscheidungen getroffen haben, niemandem zur Last fallen und dafür auch noch die Kosten der Fehlentscheidungen ihrer Mitmenschen tragen müssen, wird dabei regelmäßig unterschlagen. Vielleicht wäre es keine schlechte Idee, unsere Vorstellungen von dem, was eigentlich »gerecht« ist und was nicht, einer ernsthaften Überprüfung zu unterziehen – und gegebenenfalls an die Wirklichkeit anzupassen.