Juden, egal ob sie in Europa leben oder in Israel, haben zu den normalen Mühseligkeiten eines Menschenlebens durchaus oft auch noch genug zusätzlichen Ärger an der Backe: in Europa, weil die Angriffe auf sie durch Rechtsextreme, aber seit einigen Jahren vermehrt auch radikalisierte Muslime, stark zunehmen; in Israel, weil sie dort von Nachbarn umgeben sind, die sie wahlweise überhaupt gleich nuklear auslöschen (Iran) oder zumindest vertreiben wollen, wie die Terrorgruppe Hamas in Gaza.

Keine Juden, sagt der Duden

Doch zum Glück kommt aus Deutschland, das sich ja traditionell berufen sieht, die Welt zu retten Abhilfe gegen diese Sorgen der jüdischen Welt. Denn der „Duden“, also sozusagen der Goldstandard der deutschen Sprache, legt nahe, den Begriff „Juden“ im Zweifelsfall nicht mehr zu verwenden, sondern durch Wendungen wie „jüdische Mitbürger“ zu ersetzen, was dieser Tage zu einer gröberen Debatte in Deutschland geführt hat. Begründung des Duden: der Begriff „Juden“ werde dikriminierend und abwertend verwendet.

Ich habe in den vergangenen Tagen ein paar Juden in Wien gefragt, wie sie das sehen, und sie haben das allesamt für hanebüchen gehalten. Schon allein deswegen, weil es ja nicht diskriminierend sein kann, Juden Juden zu nennen, wenn in aller Regel auch Juden Juden Juden nennnen.

Wir sehen: durch das Ersetzen des „Juden“ durch den „jüdischen Mitbürger“ verschwindet zwar kein einziges jener Probleme , die viele Juden tatsächlich beschweren – aber es verschafft jenen, die sich dieser neuen Korrektheit bedienen, jedenfalls das flauschige Gefühl, zu den Guten zu gehören. Ist ja auch was.

„Probleme“ und Probleme

Wenn Sie mich jetzt fragen, ob wir keine anderen Sorgen haben, dann haben Sie ganz recht: die irre Inflation zum Beispiel, die vor allem Älteren Menschen mit kleinen Ersparnissen die Haare vom Kopf frisst; oder die vollkommwen ausser Kontrolle geratenen Staatschulden, die wir unseren Nachkommen aufbürden, oder der Umstand, dass die hunderttausenden Familien mit Pflegefällen an der Grenze zum Wahnsinn stehen, weil es immer weniger Pflegerinnen und Pfleger gibt; aber niemand dafür eine schlaue Lösung hat.

Doch während sich die Probleme – die wirklichen Problem – turmhoch stapeln, wendet ein nicht gerade kleiner Teil der sogenannten Intellektuellen, aber auch der Medienschaffenden und Politiker , nicht gerade selten direkt oder indirekt bezahlt aus Steuergeldern (der Duden zählt da übrigens nicht dazu) immer abstruser werdenden Schein-Problemen zu, von denen die wirklichen Menschen in der wirklchen Welt noch nie etwas gehört haben.

Bis zu einem gewissen Grad wird das wohl immer so gewesen sein – aber wenn nicht alles täuscht, gerät diese Entwicklung gerade ausser Rand und Band.

„Kulturelle Aneignung“, ein modernes Verbrechen

Da wird etwa derzeit in der – normalerweise mit Steuergeld hoch subventionierten – Kulturwelt endlos drüber debattiert, ob es nicht unzulässig sein soll , dass Schauspieler Rollen übernehmen, die nicht mit ihrer eigenen ethnischen, nationalen, sexuellen oder sonst irgendwie feststellbaren Identität übereinstimmen. Da wird gefordert, dass nur Schwarze schwarze Personen spielen sollen, Schwule nur von Homosexuellen gegeben werden dürfen und so fort und sofort. Dass etwa die geniale Britin Helen Mirren nun in einem Film die ehemlige israelische Ministerpräsidentin Golda Meir (auch genial, übrigens) spielen soll, gilt demnach als Affront, weil sie selbst nicht Jüdin ist. „Kulturelle Aneignung“ heißt das Verbrechen im Milieu der Guten.

Falls Sie, geschätzte Leserin und verehrter Leser, das für ziemlich verrückt halten, haben sie völlig recht, das ist nämlich verrückt. Die Spinnen, die Römer, wie schon Asterix so richtig bemerkte.

Unsere Sorgen möchte man haben

Nun könnte man diese Tollheiten und ihre Betreiber in Kultur, Medien, Politik und vor allem auch der akademischen Welt getrost sich selbst überlassen, gäbe es da nicht zwei kleine Probleme:

Erstens: hier werden zwei leider knappe Ressourcen verschwendet, die bei der Lösung realer Probleme dringen gebraucht werden, nämlich Hirnschmalz und Geld.

Zweitens: Wer darüber bestimmen kann, welche Sprache wir verwenden dürfen, bestimmt a la longue auch, was wir denken dürfen. Und darauf können wir dankend verzichten.