Christian Ortner: Wie die ÖBB ihre Kunden pflanzen
Die Bahn ist für viele Medien eine Art Bambi des Verkehrs geworden, das unter Welpenschutz steht, wundert sich Exxpress-Kolumnist Christian Ortner – und fragt sich, warum die ÖBB ein Ticket für 100 Euro verkauft, das 25 Euro wert ist.
Die ÖBB sind in den letzten Jahren so etwas wie der Darling vieler Medien geworden. Begeisterte Berichte über die „Nightjets“, die kreuz und quer durch die europäischen Nächte sausen, gibt es mittlerweile mehr, als von diesen blauen Zügen auf der Schiene überhaupt unterwegs sind, und auch sonst kann sich der Staatsbetrieb über schlechte Nachrede nicht gerade beschweren, außer es werden wieder einmal zahlende Fahrgäste aus dem Zug geworfen, weil es den ÖBB nicht gelungen ist, das Platzangebot der Nachfrage anzupassen (und nicht umgekehrt).
Die gute Nachrede der Bahn ist zum Teil durchaus wohlverdient. Im Vergleich zu den 1990er Jahren sind die Bahnhöfe ebenso wie das rollende Material deutlich modernisiert und verbessert worden; mit den ÖBB unterwegs zu sein ist heute um vieles angenehmer als damals. Die vielen Milliarden an Steuergeld, die das gekostet hat, dürften gut angelegtes Geld gewesen sein, was ja bekanntlich nicht immer so ist.
Die Bahn, das Bambi des Verkehrs
Dazu kommt freilich, dass natürlich bei einem Großteil der linksgrün drehenden Medienmenschen die Bahn als natürlicher Konkurrent von Auto und dem überhaupt teuflischen Flieger einen enormen Sympathiebonus genießt, der sich auch publizistisch niederzuschlagen pflegt. Die Bahn, das ist sozusagen das Bambi unter den Verkehrsmitteln. Und wird deshalb im Zweifel stets gestreichelt.
Wer regelmäßig mit der Bahn fährt, wird dieses strahlende Bild der Bahn in den Medien nicht immer mit den eigenen Erfahrungen in Deckung bringen können.
Der unverschämte Ticket-Dreh
Zum Beispiel, wenn man beim Buchen eines ÖBB-Tickets manchmal den Eindruck nicht los werden kann, Opfer von Hütchenspielern mit angeschlossenem Bahnbetrieb geworden zu sein.
Wer etwa Mitte letzter Woche auf die (übrigens technisch immer besser funktionierende) Internetseite der ÖBB ging, um dort ein Ticket für den Railjet Express 260 am Samstag, dem 3. September um 6 Uhr 30 von Wien nach München zu kaufen, bekam einen Platz in der 2. Klasse one way für sage und schreibe 101,70 Euro angeboten; Sparschiene und ähnliche Angebote sind für diesen Zug gerade nicht verfügbar.
Das ist ein doch stolzer Preis, zu dem man meist auch schon fliegen kann, aber bitte, wir wollen Mutter Erde ja Freude bereiten und Flugscham vermeiden.
Was freilich auch notorische Pufferküsser dazu bringen kann, in das heruntergeklappte Tischchen ihres Sitzes zu beißen, ist ein Blick auf die Seite des bekannten Reise-Anbieters „kiwi.com“. Dort wird nämlich ein Platz im selben Zug zur selben Zeit um 38 Euro feilgeboten, was immerhin um rund siebzig Prozent billiger ist – für das idente Produkt.
Wer sich an diesem Punkt noch nicht ausreichend geärgert hat, kann leicht eruieren, dass „kiwi.com“ hier ein Ticket der Deutschen Bahn verkauft – und kann auf deren Webseite wiederum feststellen, dass er (oder sie) das noch immer gleiche Ticket für den noch immer selben Railjet um ganze 24 Euro und 90 Cent erwerben kann.
Sorry, liebe ÖBB, verarschen kann ich mich selbst.
Eine Erklärung, die keine ist
Die Erklärung der ÖBB für diesen kolossalen Kunden-Pflanz, es handle sich bei diesen Tickets „um Sparpreis-Kontingente der DB, die im ÖBB-Ticketshop nicht freigeschaltet werden können“, mag aus Eisenbahn-bürokratischer Sicht Sinn machen, dem Kunden ist das aber aus gutem Grund völlig egal. Der fühlt sich einfach geprellt, wenn er ein Ticket um hundert Euro kauft, das bei einem anderen Anbieter nicht einmal ein Viertel davon kostet. Noch dazu, wenn es sich um einen Platz in einem Zug der ÖBB handelt. (Kleiner Tipp für Exxpress-Leser: Wenn Sie mit der Bahn ins Ausland reisen, immer den Preis mehrerer Anbieter abfragen. Ich habe das auch für Routen nach Osteuropa getestet; da gibt es fast immer deutlich günstigere Angebote.)
Nächte im Zug, die nie enden
Nicht weniger strapaziert wurde die Liebe ihrer Kunden zur Bahn in diesem Sommer ausgerechnet von den Nightjets, dem medial hochgejubelten Flaggschiff der Staatsbahn. Dort waren nämlich Verspätungen an der Tagesordnung, für die in Japan Eisenbahnmanager rituellen Selbstmord vor laufender Kamera begangen hätten.
Wir reden nämlich nicht von läppischen zwanzig oder dreißig Minuten, sondern von einer geradezu epischen Unpünktlichkeit. (Jetzt wissen wir endlich, warum es die Bahn heißt und nicht der Bahn, aber das ist eine andere Geschichte).
Nur ein paar Beispiele: Der Nachtzug aus Amsterdam kam am 3. Juni nicht fahrplanmäßig um 9 Uhr 19, sondern erst um 13 Uhr 04 in Wien an; jener aus Rom am 9. Juni um 14 Uhr 02 statt um 8 Uhr 52; und der Nightjet aus Brüssel erreichte Wien am 16. Juni erst um 12 Uhr 49 statt um 9 Uhr 19, wie die „Salzburger Nachrichten“ jüngst berichteten.
Das sind leider keine Einzelfälle, auch die Nightjets zwischen Wien und Zürich etwa leiden unter chronischen Verspätungen. Für Menschen, die beruflich unterwegs sind und Termine einhalten müssen, wird der Nightjet solcherart zu einem attraktiven Angebot – aber halt erst in der Pension.
Das perfekte Bord-Entertainment, immerhin
Will die Bahn zu einer ernsthaften Alternative zu Airlines und Autos werden, wird sie sich nicht hinter jenem Welpenschutz verstecken können, den manche Medien ihr aus ideologischen Gründen zugestehen. Da muss das Produkt in vielen Fällen einfach noch besser werden.
Wobei die Bordunterhaltung manchmal schon echt Klasse ist. Etwa, wenn ein Zugbegleiter, wie jüngst in einem Railjet am Weg nach Salzburg, seinen Gästen per Lautsprecher launig erklärt: „Ich stehe Ihnen für alle Fragen gerne zur Verfügung – außer der, warum wir so viel Verspätung haben.“ Das hat schon was.
Kommentare
Leider nehmen es die ÖBB auch mit der Fahrpreiserstattung nicht so genau, oder vergessen einfach darauf meine Reklamation über Erstattung des Aufpreises 1.Klasse wegen der Nichtbereitstellung eines RJ 534 am 16.08.2022 von Villach nach Wien wurde trotz meinerseitigen Urgenz nicht einmal beantwortet. Im Ersatzzug (Eine Schnellbahngarnitur von Villach nach Wien) erfuhr ich vom Zugchef dass ich unter der TelNr 051717 meine Ansprüche geltend machen könne, dort wenige Minuten später angerufen wurde mir (nach 45 min.Warteschleife) von einer wohlwollenden Damenstimme erklärt, ich müsse mich an den Zugchef wenden…. Armutszeugnis für ÖBB Abt. Personenverkehr. Fercher
Bevor hier alle auf die ÖBB einschlagen – bitte kontrollieren mit welcher Verspätung die Züge nach Österreich kommen – Leider fahre ich mehrmals im Monat die Strecke Wien- Frankfurt und zurück – einfach mal Deutsche Bahn fahren und dann nochmals über die ÖBB jammern -))) Da ist ÖBB Champions League im Vergleich zu den Problemen der Piefke …..
Die Preise sind unverschämt und die Nightjets von Wien nach Hamburg kosteten noch 39,90. Jetzt gibt es dieses nicht mehr. Das ist menschenfeindlich bis zum gehtnichtmehr.
Unser Sohn mit 2 Kleinkindern ist mit dem Nightjet von Hamburg statt um 7.45h um 10.30h in Linz angekommen. Letzte Woche bin ich in der Früh mit der Westbahn gefahren – derselbe Zug war wieder 3 Stunden verspätet.
Ein Kundenservice das nicht antwortet da kannst Du machen was Du willst Sauerei keine Buisnessrechnungen nach 10 Emails etc. Das ist das tolle Rundumservice der ÖBB
Tja, wer it der Bahn reist….
7 Personen it dem Fahrrad unterwegs, in Graz und Bruck ein- bzw. umgestiegen, in Unzmarkt wegen Schienenersatzverkehrs rausgeworfen. Bus steht bereit, aber nur für Passagiere ohne Fahrrad!
Der Hausverstand hätte den ÖBB eigentlich mitteilen müssen, wenn da ein Zug mit Platz für 50 Fahrräder kommt, dass der Bus zumindest einen Fahrrdanhänger haben sollte.
Und über die Hotline der Bahn verliere i ch da lieber kein Wort: ich hätte ja im Internet sehen können, dass es einen Schienenersatzverkehr gibt. Ja eh, aber wie sage ich meinem Hotel, dass wir leider nicht kommen können, weil….
Wenn Entscheidung über Zugeinsatz, Verfügbarkeit Lokführer, Zuführer und speißewagenbesatzung in den/dem Elfenbeinturm von Sesselfurzern getroffen werden dann darf das nicht verwundern! Weiters, Ruhezeiten werden kaum eingehalten, es herrscht am Zugfunk ein grauenhafter Chargon unter den Beschäftigten!
Wer toll verdient dabei? Manager und Planer welche, bei eingesparten Mitarbeiterminuten ein goldenes Näschen verdienen!
Ein funktionierende WC für 450 Reisende? Auf der Südstrecke an der Tagesordnung! Reparaturen an den Zügen? Tja …… ich fahre lieber mit dem Auto obwohl diese Gewessler so schöne Bildchen vor den Railjets macht! Lug und Trug
Halt eine durch und durch rote Partie, was will man von denen schon erwarten? wenn überhaupt Bahn dann Westbahn.
>>Die gute Nachrede der Bahn ist zum Teil durchaus wohlverdient. Im Vergleich zu den 1990er Jahren sind die Bahnhöfe ebenso wie das rollende Material deutlich modernisiert und verbessert worden; mit den ÖBB unterwegs zu sein ist heute um vieles angenehmer als damals.<<
das kann nur jemand behaupten der entweder zu jung oder keine Ahnung von der Bahn bis Ende der 1990er hat.
Dieses System, man kann es durchaus als vorsätzlichen Betrug einordnen, ist in sämtlichen Verkehrs Branchen üblich geworden. Bahn, Airlines, Leihautos, Hotels… Internetseiten nur über Cookies Zustimmung zu öffnen und Telefon wird nicht abgehoben…
VTT
Wer von Westösterreich nach Wien fährt, soll über die Website der ungarischen Bahn bis nach Ungarn buchen.
Das kostet immer (!) die Hälfte und man steigt halt einfach in Wien aus.
Danke für die Info
Dame kommt von ‘dämlich’ darum ‘die’ 🙂 ein Zitat!
Mein Emporia ruft schon täglich den Notruf von selbst an!
Ich ersticke nämlich fast vor lauter lachen, wenn ich die Kolumnen lese! Die sind perfekt an meine Bedürfnisse angepasst! Ist die KI wirklich schon soweit, dass man echt das zu lesen bekommt, was man lesen WILL :))) zurück in die Zukunft!
Ich WAR begeisterter Hotel/Autoreisezug Fahrer… vor 30 Jahren… Die Gacke im Speisewagen und die versifften Toiletten auch am BHF haben mich vergrault!
Pack das Gackerl in ein Sackerl…
Der Spruch muss für die ÖBB erfunden worden sein 🙂 und Wien hat das Sujet aus dem Abfall der Werbeagentur gerettet und mit Leben erfüllt. Oder von einer Fest-Platte:)