Die ÖBB sind in den letzten Jahren so etwas wie der Darling vieler Medien geworden. Begeisterte Berichte über die „Nightjets“, die kreuz und quer durch die europäischen Nächte sausen, gibt es mittlerweile mehr, als von diesen blauen Zügen auf der Schiene überhaupt unterwegs sind, und auch sonst kann sich der Staatsbetrieb über schlechte Nachrede nicht gerade beschweren, außer es werden wieder einmal zahlende Fahrgäste aus dem Zug geworfen, weil es den ÖBB nicht gelungen ist, das Platzangebot der Nachfrage anzupassen (und nicht umgekehrt).

Die gute Nachrede der Bahn ist zum Teil durchaus wohlverdient. Im Vergleich zu den 1990er Jahren sind die Bahnhöfe ebenso wie das rollende Material deutlich modernisiert und verbessert worden; mit den ÖBB unterwegs zu sein ist heute um vieles angenehmer als damals. Die vielen Milliarden an Steuergeld, die das gekostet hat, dürften gut angelegtes Geld gewesen sein, was ja bekanntlich nicht immer so ist.

Die Bahn, das Bambi des Verkehrs

Dazu kommt freilich, dass natürlich bei einem Großteil der linksgrün drehenden Medienmenschen die Bahn als natürlicher Konkurrent von Auto und dem überhaupt teuflischen Flieger einen enormen Sympathiebonus genießt, der sich auch publizistisch niederzuschlagen pflegt. Die Bahn, das ist sozusagen das Bambi unter den Verkehrsmitteln. Und wird deshalb im Zweifel stets gestreichelt.

Wer regelmäßig mit der Bahn fährt, wird dieses strahlende Bild der Bahn in den Medien nicht immer mit den eigenen Erfahrungen in Deckung bringen können.

Der unverschämte Ticket-Dreh

Zum Beispiel, wenn man beim Buchen eines ÖBB-Tickets manchmal den Eindruck nicht los werden kann, Opfer von Hütchenspielern mit angeschlossenem Bahnbetrieb geworden zu sein.

Wer etwa Mitte letzter Woche auf die (übrigens technisch immer besser funktionierende) Internetseite der ÖBB ging, um dort ein Ticket für den Railjet Express 260 am Samstag, dem 3. September um 6 Uhr 30 von Wien nach München zu kaufen, bekam einen Platz in der 2. Klasse one way für sage und schreibe 101,70 Euro angeboten; Sparschiene und ähnliche Angebote sind für diesen Zug gerade nicht verfügbar.

Das ist ein doch stolzer Preis, zu dem man meist auch schon fliegen kann, aber bitte, wir wollen Mutter Erde ja Freude bereiten und Flugscham vermeiden.

Was freilich auch notorische Pufferküsser dazu bringen kann, in das heruntergeklappte Tischchen ihres Sitzes zu beißen, ist ein Blick auf die Seite des bekannten Reise-Anbieters „kiwi.com“. Dort wird nämlich ein Platz im selben Zug zur selben Zeit um 38 Euro feilgeboten, was immerhin um rund siebzig Prozent billiger ist – für das idente Produkt.

Wer sich an diesem Punkt noch nicht ausreichend geärgert hat, kann leicht eruieren, dass „kiwi.com“ hier ein Ticket der Deutschen Bahn verkauft – und kann auf deren Webseite wiederum feststellen, dass er (oder sie) das noch immer gleiche Ticket für den noch immer selben Railjet um ganze 24 Euro und 90 Cent erwerben kann.

Sorry, liebe ÖBB, verarschen kann ich mich selbst.

Eine Erklärung, die keine ist

Die Erklärung der ÖBB für diesen kolossalen Kunden-Pflanz, es handle sich bei diesen Tickets „um Sparpreis-Kontingente der DB, die im ÖBB-Ticketshop nicht freigeschaltet werden können“, mag aus Eisenbahn-bürokratischer Sicht Sinn machen, dem Kunden ist das aber aus gutem Grund völlig egal. Der fühlt sich einfach geprellt, wenn er ein Ticket um hundert Euro kauft, das bei einem anderen Anbieter nicht einmal ein Viertel davon kostet. Noch dazu, wenn es sich um einen Platz in einem Zug der ÖBB handelt. (Kleiner Tipp für Exxpress-Leser: Wenn Sie mit der Bahn ins Ausland reisen, immer den Preis mehrerer Anbieter abfragen. Ich habe das auch für Routen nach Osteuropa getestet; da gibt es fast immer deutlich günstigere Angebote.)

Nächte im Zug, die nie enden

Nicht weniger strapaziert wurde die Liebe ihrer Kunden zur Bahn in diesem Sommer ausgerechnet von den Nightjets, dem medial hochgejubelten Flaggschiff der Staatsbahn. Dort waren nämlich Verspätungen an der Tagesordnung, für die in Japan Eisenbahnmanager rituellen Selbstmord vor laufender Kamera begangen hätten.

Wir reden nämlich nicht von läppischen zwanzig oder dreißig Minuten, sondern von einer geradezu epischen Unpünktlichkeit. (Jetzt wissen wir endlich, warum es die Bahn heißt und nicht der Bahn, aber das ist eine andere Geschichte).

Nur ein paar Beispiele: Der Nachtzug aus Amsterdam kam am 3. Juni nicht fahrplanmäßig um 9 Uhr 19, sondern erst um 13 Uhr 04 in Wien an; jener aus Rom am 9. Juni um 14 Uhr 02 statt um 8 Uhr 52; und der Nightjet aus Brüssel erreichte Wien am 16. Juni erst um 12 Uhr 49 statt um 9 Uhr 19, wie die „Salzburger Nachrichten“ jüngst berichteten.

Das sind leider keine Einzelfälle, auch die Nightjets zwischen Wien und Zürich etwa leiden unter chronischen Verspätungen. Für Menschen, die beruflich unterwegs sind und Termine einhalten müssen, wird der Nightjet solcherart zu einem attraktiven Angebot – aber halt erst in der Pension.

Das perfekte Bord-Entertainment, immerhin

Will die Bahn zu einer ernsthaften Alternative zu Airlines und Autos werden, wird sie sich nicht hinter jenem Welpenschutz verstecken können, den manche Medien ihr aus ideologischen Gründen zugestehen. Da muss das Produkt in vielen Fällen einfach noch besser werden.

Wobei die Bordunterhaltung manchmal schon echt Klasse ist. Etwa, wenn ein Zugbegleiter, wie jüngst in einem Railjet am Weg nach Salzburg, seinen Gästen per Lautsprecher launig erklärt: „Ich stehe Ihnen für alle Fragen gerne zur Verfügung – außer der, warum wir so viel Verspätung haben.“ Das hat schon was.