Der angesehenen Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) war jüngst zu entnehmen, was entsprechend den Regeln der immer gnadenloser tobenden politischen Korrektheit neuerdings als durch und durch verwerflich gilt. Es handelt sich dabei, es sträubt sich jetzt alles in mir, das so hinzuschreiben, aber einer muss den Job ja erledigen, um das Umfärben auf blondes von ursprünglich etwa brünettem oder braunem Haar.

Nein, hier liegt kein Missverständnis vor oder gar ein Übersetzungsfehler aus dem Schweizerischen ins Deutsche – seine, oder meistens wohl ihre Haare blond zu färben, das ist neuerdings im Milieu der politisch Korrekten ungefähr so verpönt wie die Benutzung des Wortes »Neger«.

Jetzt geht’s den Blondinen an die Kopfhaut

Dass Menschen mit weißer Hautfarbe, die sich zum Beispiel sogenannte Rasta-Zöpfe flechten, sich schwarze Schuhcreme ins Gesicht schmieren, um auf der Bühne Shakespeares Othello geben zu können, oder sich im Fasching als das verkleiden, was man früher unbedarft Indianer genannt hat, sich der sogenannten »kulturellen Aneignung« schuldig machen, ist ja mittlerweile praktisch Allgemeingut geworden. Das ist zwar Unfug, aber es ist Unfug, der von jenen linken Sozialingenieuren, die sich berufen fühlen, uns zu erziehen, einigermaßen erfolgreich etabliert worden ist.

Aber Blondinen? Ich meine – BLONDINEN? Was ist da schon wieder nicht in Ordnung, wenn sich Jessica oder Aysche ihre Haare blond färben lassen, um am Paarungsmarkt Kevins Aufmerksamkeit zu erhaschen?

Die Politik der Haarfarbe

Ausgelöst hat die neue Eskalation des Irrsinns die amerikanischen Soziologieprofessorin und Autorin Tressie McMillan Cottom, selbst übrigens eine Afroamerikanerin, mittels einer von ihr verfassten Kolumne in der New York Times. Natürliches Blond sei eine Auszeichnung und verleihe einer Frau Ansehen und Macht, argumentierte sie dort, »blond ist keine Haarfarbe, sondern eine Bezeichnung für einen bestimmten Menschentyp«. Also: Weiße mit all ihren Privilegien.

Innerhalb weniger Stunden verbreitet sich die Theorie, seine Haare blond zu färben sei eine »kulturelle Aneignung« mit rassistischem Unterbau, mehr als eine Million Mal, und seither stehen harmlose junge Frauen, die halt gerne blond sein wollen, unter dem Generalverdacht, Rassistinnen zu sein. Derzeit vor allem noch in den USA, aber der Blödsinn kommt unter Garantie noch vor dem Sommer auch bei uns an.

Immer weniger wird möglich

Nun könnte man dergleichen Unfug als Phänomen abtun, das eine unterbeschäftigte, aber überbezahlte Klasse von selbsternannten Intellektuellen beschäftigt, das aber mit der Lebenswirklichkeit der ganz normalen Menschen nichts zu tun hat.

Aber so einfach ist das nicht. Denn vergleichbare Debatten werden ja an ganz unterschiedlichen Fronten geführt. Nicht nur unechten Blondinen droht der Pranger, auch Fleischesser, Wochenendflieger, SUV-Fahrer und ungefähr hundert andere Liebhaber nicht mehr als korrekt zertifizierter Lebensformen werden zunehmend verfemt; der Korridor des Möglichen wird langsam, aber stetig verengt.

Hinzu kommt: Eine Öffentlichkeit, die sich auch nur für den Bruchteil einer Sekunde mit der Politik des Blondseins und ähnlichem Unfug auseinandersetzt, zeigt damit, dass ihr jedes Gespür für Prioritäten und die Verwendung der knappen Ressource Gehirnschmalz abhandengekommen ist. Üblicherweise ist dies charakteristisch für wohlstandsverwahrloste, degenerierte und weitgehend infantilisierte Kulturen am Ende ihre Lebenszyklus.

Wer, bitte, soll uns noch ernst nehmen?

Man kann sich ganz gut vorstellen, welche Schlüsse die Eliten der aggressiven Machtblöcke außerhalb Europas ziehen, wenn sie in der NZZ lesen, welch großes Problem künstlich erblondete Frauen für unsere Zivilisation darstellen. Irgendwie ist es nicht sehr überraschend, dass der liberale Westen in Teilen der Welt nicht mehr sonderlich ernst genommen wird.

Das dürfte übrigens auch die Autorin des NZZ-Textes so ähnlich sehen, wenn sie schreibt: »Wie einfach war das Leben als Blondine, als man noch für dumm, naiv und leicht zu erobern gegolten hat. Heute hingegen werden Frauen, die ihre Haare blond färben, Überlegenheitsgefühle und Machtansprüche unterstellt, da sie so ihr Weiß-Sein bestätigen. Man wünscht sich schon fast den Blondinenwitz zurück.«