Die Worte, die sich in der geleakten Anordnung der Hausdurchsuchung in Kanzleramt, ÖVP-Zentrale, Finanzministerium und Tageszeitung “Österreich” finden, sind für Sebastian Kurz, seinen engsten Mitarbeiterstab und für die Verleger-Brüder Helmut und Wolfgang Fellner hart: Der Staatsanwalt wirft ihnen den Verdacht der Bestechung, der Untreue und der Bestechlichkeit vor – es gilt die Unschuldsvermutung. Wie berichtet, könnten SMS-Chats des Ex-ÖBAG-Vorsitzenden Thomas Schmid Indizien für diese möglichen Straftaten sein – er schrieb mit Kurz, dessen Kommunikations-Chefs und berichtete in diesen Nachrichten auch über Telefonate mit den Fellners.

Die Ermittlungen und das Bekanntwerden der Chat-Inhalte sorgen für eine Regierungskrise, am Dienstag will die Opposition einem Misstrauensantrag zustimmen, der Sebastian Kurz dazu zwingt, als Regierungschef zurückzutreten. Dafür, dass dies stattfinden kann, sind mindestens 6 Stimmen der Grünen nötig – deren Parteichef Werner Kogler hat dazu bereits festgestellt, dass er Kurz für “nicht mehr amtsfähig” hält.

Die vier Varianten für unsere politische Zukunft

Dafür, wie Österreich weiterregiert wird, existieren nur vier Varianten – und eine Überraschungs-Lösung:

Erstens: Sebastian Kurz tritt zurück, auch als Parteichef der ÖVP, und die ÖVP setzt mit einem neuen Kanzler die Koalition mit den Grünen fort. Dies ist aber sehr unwahrscheinlich: Kurz kennt HC Straches Schicksal nach dessen Rücktritt – auch Kurz würde mit weiteren Ermittlungen zugeschüttet werden und müsste diese Verfahren wie Strache selbst privat über Jahre finanzieren.

Zweitens: Kurz stellt sich dem Misstrauensantrag und wird abgewählt, und es folgt ein Beschluss von Neuwahlen, die Minister der ÖVP bleiben noch im Amt, ein ÖVP-Stellvertreter des jetzigen Kanzlers übernimmt vorübergehend die Führung der Bundesregierung.

Drittens: Der Misstrauensantrag gegen Kurz geht durch und SPÖ, FPÖ, Grüne und NEOS bilden eine Regierungskoalition. Parteiintern wäre dies für die SPÖ und die FPÖ kaum zu stemmen, doch es wäre möglich. Diese Koalition würde wohl kaum lange bestehen, und die ÖVP würde als große Oppositionspartei mit Misstrauensanträgen sehr bald Neuwahlen erzwingen können.

Viertens: Die Grünen erkennen bis Dienstag, dass noch keines ihrer großen Prestigeprojekte (Klimaticket, CO2-Bepreisung, Pfand, etc.) im Parlament beschlossen worden ist – und somit mit den neuen Koalitionspartnern (und der FPÖ!) nochmals ausverhandelt werden müsste. Sie stimmen doch noch pro Sebastian Kurz und retten seine Kanzlerschaft.

Geht Kurz in die Offensive?

Zusätzlich zu diesen vier Varianten kursiert unter Politikexperten in Wien noch eine Überraschungs-Variante: Der Kanzler geht bereits am Montag in die Offensive. Mit der Begründung, die Österreicher sollen über ihn und seine politische Arbeit abstimmen, könnte er Neuwahlen argumentieren. Er könnte damit Erfolg haben – die noch sicher jahrelangen Ermittlungen werden ihn aber dann doch irgendwann einholen. Eine Einstellung dieser Verfahren, die eine Regierungskrise verursacht haben, könnte die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft nicht überstehen.

Der Kanzler ist unter Druck - soll Sebastian Kurz zurücktreten und auch den ÖVP-Vorsitz abgeben?