Das was hängen bleibt

Man kann über Sebastian Kurz sagen was man will, dass er Österreichs Innenpolitik ordentlich durchgewirbelt hat, wird dabei aber niemand bestreiten wollen.

Lange Jahre fast hilflos, in einem sich beschleunigenden Abwärtsstrudel aus Unterschätzung, Überheblichkeit und schließlich auch Neid gefangen, gelang es den GegnerInnen des ÖVP-Shooting-Stars kaum inhaltlich Tritt zu fassen.

Eines aber blieb hängen: Der Vorwurf der „Message-Control“.

Sie wäre Kurz‘ Geheimwaffe. Demokratiegefährdend-diktatorisch, unmenschlich, neu, begeisternd, verwirrend. Und tatsächlich war es eine Innovation des Projektteams-Ballhausplatz, dass man im Inneren vertraulich kommunizierte, nach außen hin aber mit einer Stimme sprach.

Wahrlich ein neuer Stil also, der von vielen herbeigesehnt wurde – nach Jahren koalitionären Beflegelns im Dauerstillstand. Ich meine, wie viele Länder gibt’s da draußen, in denen sich eine Regierung in die Luft jagt (ÖVP: „Es reicht!“), ihren Dauerzwist im Hund-Katz-Modus zum zentralen Wahlkampfinhalt erklärt (SPÖ: „Genug gestritten“), gemeinsam fast 15%-Punkte an Vertrauen einbüßt und im Anschluss dennoch weitermacht als wäre nichts gewesen?

Ein Land, parteipolitisch umnachtet. Kein Wunder also, dass unter solchen Umständen sogar der kleinste Funke die Hoffnung an ein Licht am Ende des Tunnels nährt.

Krisen-PR statt Message Control

Weit mehr als eine auf geheimnisvolle Weise überlegene Kommunikation, war es also schlicht und ergreifend der breite Wunsch nach Veränderung, den Kurz anfangs zu bedienen wusste.

Bei genauem Hinsehen entglitt ihm nämlich spätestens mit der Ibiza-Krise jegliche substanzielle Kontrolle über das Geschehen. Aus strategisch geplanten und gut vorbereiteten polit-medialen Kampagnen, wurde notgedrungen eine kurzfristige, an Schadensminimierung orientierte Krisen-PR. Ein Modus permanenter Defensive, aus dem es Kurz und Co. – konfrontiert mit täglich neuen Vorwürfen und steigendem Ermittlungsdruck – nicht mehr gelingen sollte sich zu befreien.

Zerstörtes Vertrauen

Dabei ist es nicht neu, dass im endzeitlichen Szenario die Bereitschaft steigt, auf‘s Ganze zu gehen. Das kaiserliche Japan schickte seine Kamikaze-Flieger, Türkis-Grün die billige Wuchtel um den Angriffen ein paar positive Schlagzeilen entgegen zu halten.

Dass darunter jedoch die Glaubwürdigkeit der Politik insgesamt massiv leidet, wird sich insbesondere bei der Herkulesaufgabe der Pandemiebekämpfung rächen.

Was es da braucht, ist in Wahrheit nämlich fast blindes Vertrauen in unsere politischen VerantwortungsträgerInnen.

In Akteure beispielsweise, wie Neo-Bundeskanzler Karl Nehammer, der mit seiner Unterschrift noch im Oktober erklärte, einer Bundesregierung nur dann angehören zu wollen, wenn Sebastian Kurz diese als Kanzler führt.

Vertrauen natürlich aber auch in ein Gesundheitsministerium, das einen Lockdown für Geimpfte ausschloss – noch kurz bevor er dann kam, der vierte Lockdown und zwar für alle. Und als möchte man dieser (bei weitem nicht abschließenden Auflistung) noch die Krone aufsetzen, ist es Verfassungsministerin Karoline Edtstadler, die erst vor wenigen Tagen erklärte, die Umsetzung der allgemeinen Impfpflicht an die Wirksamkeit der Vakzine knüpfen zu wollen. So als ob sie selbst noch daran zweifle – der Wissenschaft zum Trotz, die für dreifach Geimpfte bereits einen guten Schutz, auch gegen Omikron, nachweisen konnte.

Ein guter Vorsatz

Nein, der Regierungsbeauftragte für Message-Control dürfte gekündigt haben, denn was aktuell an Kommunikations-Strategie sichtbar ist, lässt nur einen Schluss zu: Es gibt keine. Überhastet hinausgeplärrte positiv-News von heute, entpuppen sich nicht selten schon morgen als Fallgruben. Und wer wie Frau Edtstadler versucht Impfgegnern und Corona-Leugner, durch das öffentliche Anzweifeln der eigenen Politik entgegenzukommen, der könnte einem Brandstifter auch gleich Benzin und Streichholz in die Hand drücken.

Aber, lassen wir‘s gut sein. Weil heute der letzte Tag des Jahres ist und wir uns auf ein besseres Neues freuen dürfen, nur noch ein Satz von Abraham Lincoln, den sich unsere Regierung gerne als Vorsatz nehmen darf:

„Be sure you put your feet in the right place, then stand firm.“

Mit nur 26 Jahren zieht Daniela Holzinger-Vogtenhuber erstmals in den Nationalrat ein. Bald als SPÖ-Rebellin bekannt, stellte sie sich mehrfach gegen den Klubzwang und trat letztlich erfolgreich für die Stärkung parlamentarischer Kontrollrechte ein. 2017 bricht sie endgültig mit ihrer ehemaligen Partei, kann ihr Mandat bei den vorgezogenen Neuwahlen jedoch behaupten. Diesmal parteiunabhängig über ein Ticket der Liste JETZT, wo sie zur „fleißigsten“ weiblichen Abgeordneten des Parlaments avancierte. Heute ist Holzinger-Vogtenhuber Seniorpartnerin einer Agentur für Politikberatung und leidenschaftliche eXXpress-Kolumnistin.