In a Nutshell

Wenn große Zusammenhänge auf ihre Essenz heruntergebrochen werden, dann nennen das die Engländer „In a Nutshell“. Was wie ich finde, ein ziemlich lustiges Bild ist. Diese kleine Nussschale, fast verloren auf einem Meer aus Nichtigkeiten treibend, enthält sie doch all das worum’ s wirklich geht.

Und wenn ihr mich fragt, dann ist die oberösterreichische SP-Landespartei genauso eine Nussschale, für (fast) all das was bei den Sozialdemokraten seit Jahrzehnten danebengeht. Die „gewaltsame“ Ablöse der glücklosen Birgit Gerstorfer ist dabei keine Ausnahme, vielmehr die Regel, in einer Partei, die „täglich das Murmeltier grüßt“.

Die Uraufführung

Anfang 2016 versuchte Landesparteichef Reinhold Entholzer, Lehren aus dem zurückliegenden Wahlfiasko zu ziehen und besiegelte damit sein politisches Ende.

Schuld war aber nicht etwa, dass man mit ihm als Spitzenkandidat auf historisch-miserable 18 Prozent abstürzte. Nein, vielmehr war es die Tatsache, dass Entholzer ernsthaft vorhatte daran etwas zu ändern. Und weil immer dort wo gehobelt wird, auch Späne fallen, hätte Peter Binder, Intimus des Linzer Stadtchefs Klaus Luger, seinen Platz als Geschäftsführer räumen müssen.

Doch langer Rede, kurzer Sinn: Binder blieb, Entholzer wurde auf offener Bühne – sagen wir – „verabschiedet“.

Neue Schlaucherl in alten Rollen

Und weil das alles so gut funktionierte, gab’s am Drehbuch offensichtlich nichts mehr zu ändern. Diesmal in der Rolle des Interimsvorsitzenden: AK-Boss Johann Kalliauer, dessen einzige Aufgabe es war den landesparteilichen Scherbenhaufen zu hüten und einem oder einer Glücklichen Besen und Schauferl in die Hand zu drücken. Birgit Gerstorfers große Stunde!

Als politische Quereinsteigerin einer breiteren Öffentlichkeit völlig unbekannt, war ihr die Entholzer-Nachfolge auf den Leib geschneidert und die Linzer-Connection wieder außer Gefahr. Bis, ja, bis zur nächsten Wahlschlappe, die unter solchen Bedingungen natürlich nicht lange auf sich warten ließ. 2021 ging’s noch ein Stück weiter hinunter ins Jammertal. Nie zuvor in der Geschichte hatten weniger Landsleute ihr Kreuzerl bei Rot gemacht. Gefühlt war es den Genossen aber auch nie zuvor so egal. Nach mehr als einem Jahrzehnt, in der Niederlage auf Niederlage folgt, wird die Lethargie zum wahren Grundwert.

Der Linz-Putsch

Aber Halt, ohne dritten Akt kann der Vorhang nicht fallen. Politisch jetzt nicht mehr ganz so frisch gefangen, kam die Birgit wie davor auch schon der Reini (ich bleib hier mal im Parteisprech, um das Ganze abzukürzen) auf die Idee etwas „ändern“ zu müssen. Ui-ui-ui. Eine unabhängige Wahlkampfanalyse sollte dafür die Basis, vor allem aber den Finger in die Wunde legen. Und wer sich das – aus unerfindlichen Gründen veröffentlichte – Dokument anschaut, dem wird tatsächlich flau im Magen.

Mut- und Profillosigkeit der Funktionäre, aufgeblähte entscheidungsschwache Gremien, die zwiespältige Rolle der Gewerkschaft und ein lähmender Machtkampf von Landespartei und Luger-Partie – so offen wurde das Offensichtliche bisher noch nie ausgesprochen

Ein Hilferuf? Möglicherweise.

In den Hallen des Linzer Rathauses dürfte man es jedenfalls sehr deutlich verstanden haben – kaum zwei Wochen danach war ein Vorwand gefunden und Gerstorfer Geschichte. „Lugerschenko (Anm.: in der Landeshauptstadt geläufiger Spitzname für Bürgermeister Klaus Luger) fackelt da nicht lange“, wie mir ein Freund aus Linz erzählte. Und tatsächlich hatte Gerstorfers Rauswurf schon einen Hauch von Ostblock. Während die „Chefin“ im Ausland urlaubt werden Tatsachen geschaffen, neue Achsen geschmiedet und fleißig an Sesseln gesägt. Kein Wunder, dass sie ihrem Nachfolger bei der „Gute-Miene-zum-bösen-Spiel-PK“ „dieselben schönen Erfahrungen“ wünschte.

Die Binder-Connection

Und Peter Binder? Für ihn scheint just in dem Moment der Karriereturbo zu zünden, wenn’s mit der Landespartei wieder einmal ordentlich bergab geht. Zwischenzeitlich zum dritten Landtagspräsidenten aufgestiegen, war Binder im engsten Wahlkampfteam und damit mitverantwortlich für das katastrophale Wahlergebnis. Konsequenzen? Keine. Auch die Impfkampagne aus der man Gerstorfer schlussendlich den Strick drehte, wurde nicht von ihr, sondern von Binder präsentiert. Konsequenzen? Keine, zumindest noch nicht.

Geht’s nach einem Linzer-Stadtmagazin, scheint Binder aber ganz nach oben zu wollen. Bleibt nur zu hoffen, dass bis dahin von der Landes-SP noch etwas übrig ist. Persönlich würde ich’s nämlich spannend finden, mal zu sehen, was ein Strippenzieher macht, wenn ihm die Püppchen fehlen.

Mit nur 26 Jahren zieht Daniela Holzinger-Vogtenhuber erstmals in den Nationalrat ein. Bald als SPÖ-Rebellin bekannt, stellte sie sich mehrfach gegen den Klubzwang und trat letztlich erfolgreich für die Stärkung parlamentarischer Kontrollrechte ein. 2017 bricht sie endgültig mit ihrer ehemaligen Partei, kann ihr Mandat bei den vorgezogenen Neuwahlen jedoch behaupten. Diesmal parteiunabhängig über ein Ticket der Liste JETZT, wo sie zur „fleißigsten“ weiblichen Abgeordneten des Parlaments avancierte. Heute ist Holzinger-Vogtenhuber Seniorpartnerin einer Agentur für Politikberatung und leidenschaftliche eXXpress-Kolumnistin.