Die Börse überrascht.

Also, mal ganz langsam und auf Anfang: Angebot und Nachfrage regeln den Preis. So läuft das in der Marktwirtschaft. Gibt’s mehr potenzielle Käufer bei weniger Angebot, wird’s teurer. So weit, so klar.
Energie kostet demnach mehr, wenn z.B. im Winter weniger produziert werden kann, aus Photovoltaik, Wind, vor allem aber auch aus heimischer Wasserkraft. Dann muss zugekauft werden, oder eben Gas- und Ölbrenner den Dampf erzeugen, der über Turbinenschaufeln geleitet und an den Generator geflanscht, die notwendigen Kilowatts generiert, um Kühlschrank, Wärmepumpe und Co., genauso zu füttern wie unser liebgewonnenes elektrisches Klim-Bim.

Dreht der Russe dann noch am Hahn und der Westen an der Sanktionsschraube, werden Pipelines gesprengt und geht sowieso alles drüber und drunter (an der Börse ist man sehr schreckhaft!). Dann, ja dann wird gehamstert, gebunkert, aufgekauft und werden fleißig „Preissignale“ ausgeschickt.

Ganz wichtig für einen funktionierenden Markt, wie uns Experten erklären. Sparanreize müssten schließlich gespürt werden und Lenkungseffekte greifen.
Wer dieser Tage von seinem Energieversorger vor die Türe gesetzt wurde und sich noch auf weihnachtlicher Herbergssuche befindet, dem werden – so weit kann man die Experten beruhigen – die „Signale“ auch kaum entgehen.

50 Cent je Kilowattstunde Strom sind keine Seltenheit mehr, die Freude über die „Liberalisierung“ des Marktes längst verflogen. Monopol oder Kartell wäre da auch schon wurscht, weil ärger geht’s nimmer.
Aber warum eigentlich? Mitten im Winter und ohne irgendeine zeitnahe Perspektive auf Frieden an Europas Grenzen, geschweige denn einer Normalisierung der internationalen Beziehungen, purzeln die Preise.

Statt 345€ im Sommer, wechselt die Megawattstunde Erdgas – der Strompreistreiber Nr. 1 – aktuell für rd. 76€ den Besitzer. So billig wie zuletzt vor Putins Überfall auf Polen – pardon – auf die Ukraine natürlich.

Die Börse überrascht! Zumindest mich.
Ich freu mich, wenn‘s mir wer erklärt aber das Märchen von „Angebot und Nachfrage“ dürfte dabei kaum eine Rolle spielen.

Das lange Warten.

Doch wer jetzt schon ans Aufatmen denkt, dem sei ein Blick auf das verhängnisvolle Spiel von Öl- und Spritpreis empfohlen. So schnell die Märkte nämlich reagieren, um „Aufwärtssignale“ an uns Verbraucher weiterzugeben, so unglaublich entspannt bleibt man bei sinkenden Rohstoffpreisen.

Da heißt‘s dann erst einmal abwarten und beobachten. Weil, eh klar, die Menschen natürlich total verwirrt wären, würde jede kleine Halbierung oder Drittelung der Kosten direkt auf sie „durchschlagen“. Da geht’s den Energieversorgern dann vorgeblich um Stabilität und Erwartungssicherheit.

Insbesondere jetzt wo der erste Schock verdaut scheint und die Regierung per Strompreisbremse selbst ärgste Preisexzesse mit Steuergeld bezuschusst. Obergrenze: 40 Cent pro Strom-kWh.
Bis „der Markt“ da drunter geht, werden wir also eher noch ein bisserl warten müssen. Falls überhaupt, weil unleistbare Energie ja „gut fürs Klima“ ist und so ganz nebenbei die Kassen der teilstaatlichen Versorger, samt ihrer politischen Herren, füllt. Eine Hand wäscht da die andere, läuft alles wie geschmiert und auch für uns ein kleiner Trost: Das Geld, das wir zahlen, verschwindet ja nicht, es hat nur jemand anderer.

Insel oder Grundversorgung.

Was aber tun, wenn man sich diesem Wahnsinn nicht länger ausliefern will. Na ja, da gibt’s im Wesentlichen zwei Möglichkeiten: Einmal die Energie-Grundversorgung. Sie steht jedem Staatsbürger auf Antrag zu, weil die Politik beim Verfassen des Gesetzes gepfuscht und vergessen hat klare Anspruchskriterien, wie soziale Bedürftigkeit, festzuschreiben. Stattdessen hat man lediglich festgelegt, dass jedem Antragssteller vom Energieversorger der Preis zu gewähren ist, den auch die größte Anzahl der Kunden des jeweiligen Unternehmens erhält. Typischerweise also langjährige Bestandskunden.

Wer‘s weiß, kriegt damit beim heimischen Wasserkraft-Riesen auch als Neuling Strom für 16 Cent und Gas um weniger als 10 Cent je Kilowattstunde. Großartig und fair! Weil, zumindest Wasserkraft nicht teurer wurde und die Mehrzahl der übrigen Kunden ja auch dasselbe zahlen. Warum also abzocken lassen?

Selbstermächtigte Übergewinnabschöpfung sozusagen. Leider aber auf tönernen Füßen. Energie Lobbys laufen dagegen bereits Sturm, eine Partei nach der anderen knickt ein. Es scheint nur eine Frage der Zeit, bis sie den „Fehler“ beheben und wir wieder am „A****“ sind.

Die zweite Möglichkeit ist sich weitestgehend unabhängig von all dem Irrsinn zu machen. Wer das nötige Kleingeld auf der hohen Kante hat, baut sich sein eigenes Sonnenkraftwerk aufs Dach. In der Luxusversion mit Speicherbatterie und Netzfreischaltung. Inselbetrieb in Siedlungslage.

Unter den gegebenen Umständen absolut g‘scheit. Nüchtern betrachtet der absolute Wahnsinn! Früher nämlich haben wir uns gemeinsamen Herausforderungen, gemeinsam gestellt, „Economies of scale“ genutzt, das Beste für uns gemeinsam rausgeholt. Wir haben ein Kraftwerk gebaut und durch die Vielen zum Bestpreis finanziert. Heute baut jeder der kann, sein eigenes Kraftwerk. Wir vergolden unsere Dächer. Bei einer 10kWp Anlage kostet jedes Panel etwa doppelt so viel wie bei einer 1MW-Anlage. Das System aber ist so kaputt, dass wir diese gemeinsamen Vorteile nicht mehr weitergeben. Irgendwo dazwischen sitzt die große Abzocke. Der Energie-Zecke, der uns in die Abschottung treibt. Energiepolitische Entsolidarisierung als Vorbote für ein zunehmendes Zerfallen des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Zerstört von oben, von jenen die in unserem Auftrag an den Hebeln sitzen und seit Jahrzehnten jede Weiche nurmehr in ihre Richtung schalten. Das ist einfach nur absurd.