Ist von staatstragenden Parteien die Rede, dann meinte man vor allem SPÖ und ÖVP, also jene Parteien mit der traditionell größten Regierungsverantwortung in Gemeinden, Land und Bund. Und auch wenn die politische Landschaft zunehmend bunter wird und eine große Koalition als Role-Model an Strahlkraft verliert, so stimmt der grundlegende Befund auch heute noch.

Vielmehr aber als das Amt innezuhaben, ist es ein gewisser Zugang zur Politik, der sie als staatstragend qualifiziert, ich möchte fast sagen auszeichnet. Nämlich jener, das Wohl ebendieses Staates über alles andere zu stellen und den Mut, auch unpopuläre Entscheidungen zu treffen, wenn es erforderlich ist und richtig ist.

Typischerweise in Krisensituationen trennt sich hier also die Spreu vom Weizen, zeigt sich das wahre Gesicht der Parteien und insbesondere der handelnden Akteure.

10 TAGE IM APRIL

Unsere politischen Urgroßväter liefern dafür das beste Beispiel. Innerhalb von nur 10 Tagen im April 1945 – zu einer Zeit als auf österreichischem Boden noch gekämpft wurde und unsere schöne Heimat in Schutt und Asche lag – haben SPÖ, ÖVP und KPÖ eine gemeinsame Unabhängigkeitserklärung verabschiedet, die provisorische Staatsregierung konstituiert und eine Verfassung erlassen. Innerhalb von 10(!) Tagen und nur wenige Jahre nachdem man sich im Bürgerkrieg gegenseitig an die Gurgel ging.

Unsere heutigen Parteien genehmigen sich dagegen bis zu 130 Tage, um „einfache“ Koalitionen auszuhandeln – unter „Partnern“ die sich zuvor allerhöchstens ein paar böse Worte an den Kopf warfen.

Aber es waren eben auch andere Zeiten. Hätten unsere Vorfahren nicht rasch das Heft des Handelns in die Hand genommen und gegenüber den Besatzungsmächten mit einer starken und alle damaligen Lager einenden Stimme gesprochen, wäre es das mit Österreich in dieser Form womöglich gewesen. Es galt also zunächst zu sichern, worum zukünftige Generationen wieder streiten dürfen. Für mich der Inbegriff staatstragender Politik – alle Gräben zugeschüttet, ziehen ehemalige Feinde an einem Strang für ein gemeinsames höheres Ziel.

STRATEGIE DER VERANTWORTUNGSLOSIGKEIT

Spätestens heute, mitten in der größten Krise seit dem zweiten Weltkrieg, nach zwei Jahren Pandemie, konfrontiert mit explodierenden Inzidenzen und täglich neuen Hiobsbotschaften, könnte man meinen, dass es also wieder an der Zeit wäre für diesen nationalen Schulterschluss der Verantwortung.

Das Gegenteil aber scheint der Fall. Anstatt einer gemeinsamen Linie, herrscht der landesfürstlich ausgerollte Maßnahmen-Fleckerlteppich – noch immer. Notwendige bundeseinheitliche Schritte (Spoiler: Dem Virus sind Landesgrenzen egal!) kommen, falls überhaupt, too little, too late.

Immer noch leistet man sich den Luxus öffentlich zu streiten, über Nuancen von Maßnahmen, deren Wirkung und Notwendigkeit weitestgehend Common Sense sind. Genauso wie man sich noch immer treiben lässt von einer kickelistisch-freiheitlichen Strategie der Verantwortungslosigkeit, deren oberstes Ziel Stimmenmaximierung durch Widerspruch lautet – selbst wenn das bedeutet, sich nach Belieben aus unserer am Boden der Wissenschaft stehenden Realität zu verabschieden und den eigenen Anhängern Entwurmungsmittel für Pferde zu verfüttern.

SCHULTERSCHLUSS

Mit unglaublichen 15.000 neuen Fällen pro Tag sollte daher spätestens jetzt klar sein, dass für unser Land mehr auf dem Spiel steht als in der Sonntagsfrage abzurutschen. Was es jetzt braucht ist der Schulterschluss aller vernünftigen Kräfte des Landes. Setzt euch zusammen, ihr Regierungsverantwortlichen in Land und Bund, sperrt die Medien aus und meldet euch erst wieder, wenn ein Paket geschnürt ist, mit dem es uns gelingt, das Virus zu besiegen. Weil ein Ende mit Schrecken immer noch besser, als ein Schrecken ohne Ende, ist!