Das Handy-Paradoxon

Mein erstes Handy vor fast 20 Jahren war das Siemens SL55. Damals ein Wunderwerk der Technik mit winzigem 256 Farben-Display und 0,3 Megapixel-Aufsteckkamera. Da geht nix mehr drüber, dachte ich mir.

Doch was noch 2003 wie der ewige Gipfel des Monte-Mobilfunks erschien, steht heute neben Faustkeil und Feuerstein im Museum.

Dazwischen: Fortschritt. Massiver technischer Fortschritt in immer schnellerer Geschwindigkeit. Und wir haben uns daran gewöhnt, haben gelernt, dass jede neue Generation noch schneller, leistungsfähiger, hochauflösender, noch intuitiver, konnektiver, ja letztlich superlativer daherkommt.

Das Paradoxe dabei: Über die Lebensbegleiter im Hosentaschenformat hinausgehend, scheint uns dieser Fortschrittsglaube zunehmend abhanden zu kommen, beziehungsweise fast organisiert abtrainiert zu werden.

Zukunft: Impossible.

Als ich letzte Woche beispielsweise über die, als klimaneutral geplante, Saudi-Megacity „The Line“ schrieb, erreichte mich eine ganze Flut irritierter und irritierender Nachrichten aus dem Partei-Grünen Umfeld:

Man dürfe bei dem Projekt den „Eingriff in die Natur“ nicht unterschätzen. Hätte Rücksicht auf Fauna und Flora zu nehmen, müsste „Energiebedarf und Umweltbelastung“ des Baus der 9 Millionen-Metropole zu berücksichtigen und sowieso gehöre es sich nicht, die Autokraten vom Golf abzufeiern.

Ja eh, doch wohin führt uns das, wenn wir auf Zehenspitzen durch den Porzellanladen schleichen, ergriffen in fast panischer Angst davor, irgendetwas anzufassen?
Wenn jedes neue Wasserkraftwerk bestreikt wird, weil man den Fischlein nicht zumuten kann die (Fisch-)Treppe zu nehmen? Wenn der Bau von Windrädern am Flugplan des Mäusebussards oder optischen Befindlichkeiten wohlstandsgesättigter Anrainer scheitert?
Wenn gleichzeitig gegen Flächenverbrauch UND Hochhäuser demonstriert wird?
Ganz einfach: Stillstand, Verzicht und Rückschritt.

Die Kernbotschaften zukunftsvergessener Neo-Partei-Grüner Politik.

Kleine und mittlere Einkommensbezieher werden sie am lautesten zu hören bekommen, während sich die Klima-Avantgarde im 800 PS-Tesla weiter absetzt.

Kalt duschen und fertig.

Katrin Göring-Eckardt, die grüne Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, fasst erst kürzlich ganz wunderbar zusammen, worum es ihrer Partei eigentlich geht (Link): „Notwendige Einschränkungen als Reaktion auf die kriegsbedingte Energiekrise seien nur der Anfang“. Nahtlos sollen sie in ein Paket zur Bekämpfung der Klimakrise überführt werden, dass „uns noch sehr viel mehr abverlangen wird“, wie die grüne Spitzenpolitikerin erklärt.

Sie selbst gehe bereits mit gutem Beispiel voran und dusche heute wesentlich kürzer als früher.

„Einseifen, kalt abduschen und fertig“. Millionen Deutsche werden dieses Gefühl aus dem letzten Wahlkampf kennen. Nicht unähnlich übrigens, der heimischen „Essensreste-abkratzen und Deckel-drauf-Doktrin“ aus der Gewessler-Lockl-Denkfabrik. Im  Kampf gegen die eigenen Leute – pardon – den Klimawandel, scheint man eng abgestimmt zu sein.

Ostalgie-Austerität

Auch am Atomausstieg will Deutschland festhalten – selbst in Krisenzeiten und wenn keine zusätzlichen Kraftwerkskapazitäten geschaffen werden. Der Wegfall von 6% Strom aus heimischer Produktion, sei laut Göring-Eckardt dabei relativ unproblematisch einzusparen. Etwa durch mehr „vegane Menüs und weniger Klimaanlagen im Bundestag“ (ungelogen!), aber nicht nur versteht sich: In ganz Deutschland sollen Büros, Werkhallen, öffentliche Gebäude, „Spaßbäder“ und Co. kalt bleiben – oder halt nicht gekühlt werden. Je nachdem, was einem gerade weh tut, denn geht’s nach den Grünen, dann muss man die gute Tat schon auch spüren.

Höher, weiter, besser, schneller, komfortabler (Gott bewahre!) hat in ihrer Vision hingegen nichts verloren.

Vielmehr rät Göring-Eckardt dazu, sich schon mal prophylaktisch eine neue Definition von „Wohlstand“ zurecht zu legen, mit „Einschränkungen“ leben zu lernen und der Gesellschaft des Überflusses den Kampf anzusagen.

Fast so als stünde ihre alte Heimat – die DDR – vor einem Comeback, samt Tugenddiktat und  Mangelwirtschaft – nur diesmal eben für alle. Austeritätspolitik mit Ossi-Charme.

In aller Klarheit.

So, aber jetzt Spaß beiseite und in aller Klarheit:  Einsparen macht Sinn, um zeitlich begrenzte Krisen des Status Quo zu durchtauchen. Einen Krieg, eine schlechte Ernte oder sonst was. Eben weil man die feste Absicht hat, danach genauso weiterzumachen wie vorher.

Die weltweite Klimaerwärmung (und davon ganz abgesehen die nach wie vor wachsende Weltbevölkerung!) stellt uns aber vor ganz andere Herausforderungen – nämlich die eines umfassenden Systemwandels. Deswegen sollten wir dringend die Scharlatane und Hohepriester der grünen Selbstgeißelungs- und Verzichtspolitik loswerden, den Blick frei bekommen und alles was wir haben nach vorne werfen, um uns ein Morgen zu bauen, an das zu glauben und auf das zu hoffen es wieder Sinn macht. Weg mit der Tristesse! Her mit Zuversicht und mehr von allem für alle!

#IchWählDieGruenenWiederRaus