
Daniela Holzinger: Grüner Regierungs-Pragmatismus
Warum die Öko-Partei auch in der Afghanistan-Krise verlässlicher Koalitionspartner bleibt und was das alles mit dem Wahldebakel von 2017 zu tun hat, erläutert eXXpress-Kolumnistin Daniela Holzinger.
Kogler Trümmerfrau
2017 machte Werner Kogler den Grünen die Trümmerfrau, räumte auf, was nach Parteispaltung und Parlaments-Aus noch übrig war – sich langsam mit dem Gedanken anfreundend, seine politische Karriere in außerparlamentarischer Opposition, am Tropf ebenso dahinsiechender Landesparteien, zu beschließen.
Ein absolutes Horrorszenario, nicht nur für den Parteichef wider Willen, sondern auch für hunderttausende Grün-Wähler und Wählerinnen, die ihrer Partei damals das Vertrauen entzogen. Manche, um mit einer Stimme für die Kern-SPÖ vielleicht doch noch Kurz als Kanzler zu verhindern. Andere, um mit dem Kreuzerl bei PILZ, den „Wiener Weibern“ (so gehört an der Grünen Basis) einen Denkzettel zu verpassen.
Niemand aber – und da bin ich mir sicher – mit dem Ziel, die Grünen aus dem Parlament zu werfen. Dass der geplante Schuss vor den Bug jedoch zum Volltreffer werden könnte, hatten wohl die Allerwenigsten am Schirm. Bis zu einem Wahlabend, der für die Öko-Partei zur Zäsur werden sollte.
Die neuen Grünen
Denn so denkunmöglich zunächst die absolute Katastrophe, das Parlaments-Aus, war, so unmöglich erschien es Ende 2017 den Weg zeitnah zurückzufinden.
Jedenfalls nicht so lange sich Türkis-Blau in den siebten Koalitionshimmel flitterten und das Pilz-Projekt noch mehr Chance als Chaos war. Düstere Aussichten also, die nach dem Parlamentsklub auch in der Bundespartei zunehmend für Auflösungstendenzen sorgten.
Für jene aber, die wie Kogler zurückblieben, stand fest, dass sich jetzt einiges ändern würde. Wollten sie politisch überleben, mussten sie pragmatisch werden, grüne Träumereien und Ideale aufgeben und tun was immer auch nötig sein würde, um wieder auf Erfolgskurs zu kommen. Nicht für die Partei, ihre Werte, die verbliebenen Wähler oder sonst was, sondern ganz einfach für sich selbst. Machiavelli in Grün.
Die Leute, die hätten sie nämlich sowieso nicht verdient, und Dankbarkeit sei eben keine politische Dimension – das hatten sie sich jetzt hinter die Ohren geschrieben. Es war die Geburtsstunde der neuen Grünen. Produkt eines aus Enttäuschung und Verzweiflung geborenen Sinneswandels, den kaum etwas besser beschreibt als Sigi Maurer‘s ikonographisches Bild mit Sektglas, Designer-Kostümchen und erhobenem Mittelfinger. „To the haters with love“ zwitscherte sie damals neudeutsch und meinte alt-wienerisch einfach nur „geht’s in Oasch.“
Schmerzgrenzen verschoben
Und heute, da man mit freundlicher Unterstützung von Heinz Christian Strache, Greta Thunberg und Peter Pilz endlich dort gelandet war, wo man dem Selbstverständnis nach schon lange hingehörte – in der Bundesregierung – ist ihnen allen, die sie so gelitten hatten, eines völlig klar:
In Schönheit sterben, wird’s mit ihnen nicht mehr geben. Sie holen sich was ihnen zusteht, kleben Posten und PR-Gags auf kleinere und größere Schrammen, die das koalitionäre Kuscheln halt dort oder da hinterlässt.
Und wenn’s dann wirklich einmal darum geht, die Schmerzgrenze noch weiter nach hinten, oben, unten, links oder rechts zu verschieben – so rufen sie sich in Erinnerung, dass kein Kükenschreddern, kein Abdrehen des U-Ausschusses, kein Blutspendeverbot für Homosexuelle, kein Regierungspartner in Unschuldsvermutung, keine Abschiebung von Kindern und unterm Strich kein zerbröseltes politisches Rückgrat, jemals so weh tun könnte, wie den reichlich gedeckten Tisch erneut verlassen zu müssen.
Afghanistan: Kein Nachbar in Not
Auch die Entwicklungen in Afghanistan, die zu erwartenden neuen, massiven Migrationsbewegungen und das kategorische Nein des Kanzlers zur weiteren Aufnahme von Flüchtlingen, werden daran nichts ändern. Protesthafte Rücktritte von Proponentinnen der Alt-Grünen Moralisten-Fraktion, als unschöner Kollateralschaden hingenommen. Was soll‘s.
In der Regierung setzen die Grünen auf Opportunismus statt Idealismus. Man regiert wie der große türkise Bruder nach Meinungsumfragen und macht was die Mehrheit will. Und gerade in der Afghanistanpolitik ist das sonnenklar: keine weiteren Flüchtlinge mehr! Auch wenn Vizekanzler Kogler, Flüchtlingskind und Justizchefin Alma Zadic, Turnschuhminister Mückstein und Greenwashing-Verantwortliche Leonore Gewessler darüber ganz schreckliche Krokodilstränen vergießen. Dort in ihrer Runde, im Ministerrat wo Einstimmigkeit gilt, werden sie brav die Hände heben, wann immer es von ihnen verlangt wird. Dasselbe in Grün halt.
Mit nur 26 Jahren zieht Daniela Holzinger-Vogtenhuber erstmals in den Nationalrat ein. Bald als SPÖ-Rebellin bekannt, stellte sie sich mehrfach gegen den Klubzwang und trat letztlich erfolgreich für die Stärkung parlamentarischer Kontrollrechte ein. 2017 bricht sie endgültig mit ihrer ehemaligen Partei, kann ihr Mandat bei den vorgezogenen Neuwahlen jedoch behaupten. Diesmal parteiunabhängig über ein Ticket der Liste JETZT, wo sie zur „fleißigsten“ weiblichen Abgeordneten des Parlaments avancierte. Heute ist Holzinger-Vogtenhuber Seniorpartnerin einer Agentur für Politikberatung und leidenschaftliche eXXpress-Kolumnistin.
Kommentare
In der heutigen FAZ ein Interview mit Harald Mahrer unter dem Titel “Keine Angst vor den Grünen”.
Auch wenn es vielen Postern nicht passt, die ÖVP-Grüne Regierung funktioniert und die meisten Österreicher sind zufrieden, dass es sie gibt.
Daniela Holzinger vergisst allerdings Wesentliches. Es war und ist niemand da, um mit den Türkisen zu koalieren. Der SPÖ (41 Mandate) hätte dies endgültig den wohl verdienten Todesstoß versetzt, nach den Jahren des Kniefalls vor dem Neoliberalismus. Die (FPÖ 32 Mandate)wird wohl noch Jahre brauchen, um, was besser nie passieren wird, wieder regierungsfähig zu werden. Und die NEOS (14 Mandate) waren schlicht und ergreifend zu schwach obwohl sie den mit Abstand besten Junior Partner abgegeben hätten. Gottseidank gibt es diese neuen GRÜNEN, die sich entgegen der vorher ins Schleudern geratenen Fraktion weniger mit sich selbst und Randthemen beschäftigen, sondern den Stier mit den Hörnern packen. Wo als in der Regierung wäre dies besser möglich. Schwer zu verstehen ist, weshalb so Wenigen der möglichle Spielraum verständlich ist, der übrig bleibt beim Verhältnis von 73 zu 23 Mandaten. Die Mehrheit in diesem Land will bekanntlich keine Ausländer da haben, weiter Auto fahren und nebst Bananen, Zitronen und Billigfleisch vor allem Eines, nämlich, dass sich nix ändert. Und so lang die ÖVP diese Themen im Rahmen einer hegemonialen Media Klaviatur bedient wird ihr die Mehrheit sicher bleiben. Zumindes so lange die Medien nicht den (materiellen) Schaden thematisieren, der daraus entsteht. Dass dies zu unschönen Verzerrungen führen wird, war von Anfang an klar. Immerhin repräsentieren die Ergebnisse den Wählerwillen, den bekanntlich medial verzerrten. In der Regierung wird Mikado gespielt. Wem der erste Stab verrutscht, beim Heben der Stäbe, hat verloren. Selber denken beginnt dort, wo man selbst erkennt, was ist. Vielleicht wäre bei der Autorin ein kleiner Nachhilfekurs in Parlamentarismus angesagt und in Realpolitik.
Jössas na! Das klingt nach großer Verletzung! Na ja, der Pilz und die Frau Holzinger haben es halt nicht geschafft. Ganz ehrlich? Ich bin sehr, sehr froh darüber!
Eigenartig. Immerwieder schreit das Volk nach Politikern, die nicht nur reden, sondern auch tun. Die Holzinger war sicherlich eine dieser Ausnahmepolitiker, die nicht auf den eigenen Vorteil gschaut haben, sondern auf die Leute. Aber scheinbar sind manche mit den Parteisoldaten doch ganz zufrieden. In Opposition schreien und jammern sie, wie schlimm der Kurz ist, in der Koalition dann fressens ihm aus der Hand. Na ja, ob Grün oder Blau den Steigbügel hält ist egal, die Bezahlung fürs Halten, sicht dort wie da jegliches politisches Rückgrat aus.
Wir sollten nicht vergessen, dass es der ORF war, der den Grünen unter Kogler faktisch in die Regierung verholfen hat! Ohne die pausenlose direkte und indirekte Wahlwerbung wären die Grünen nach wie vor kaum im Parlament. Wrabetz hat entgegen allen Gebräuchen Kogler zu allen Diskussionen eingeladen, obwohl dort bisher nur die bereits im Parlament vertretenen Parteien auftreten durften!! Auch jetzt werden die Grünen bevorzugt behandelt – ich nehme an, sehr zum Ärger der SPÖ.
Bei der Volksabstimmung in der Schweiz hat man gesehen, dass es keine Mehrheit für eine schrittweise Erhöhung der Klimasteuern gibt. Ich glaube, das trifft auch auf Österreich zu. Man wird sehen ob da dann auch die Wünsche der Mehrheit berücksichtigt werden (das betrifft neben den Grünen vor allen die ÖVP, die ja das Sagen hat)
Das kategorische Nein des Kanzlers ändert nichts daran das wöchentlich hunderte Afghanen, Syrer und andere die Grenzen im Burgenland überschreiten und wir den höchsten pro Kopf Anteil von Afghanen in Europa haben.
So gesehen haben die Grünen längst gewonnen und ihre Aufregung um noch mehr Migranten sind Scheingefechte um die eigene Basis zu beruhigen und auf den Koalitionspartner kontinuierlich Druck auszuüben.
Dazu ein Verbündeter BP ein Verbündeter Forum Alpbach, verbündete Medien.
Die ÖVP ist gar nicht mehr fähig Struktur in die unkontrollierte Massenzuwanderung zu bringen, sie war viel zu lange damit beschäftigt die von einem Grünen aufgebaute Strafverfolgungstruppe und deren Verfolgung zu überleben.
Die ÖVP wird von den Grünen sturmreif geschossen und die Grünen machen das so geschickt das selbst Sie Frau Holzinger darauf hereinfallen.😉
“Man regiert wie der große türkise Bruder nach Meinungsumfragen und macht was die Mehrheit will.”
Was soll in einer Demokratie schlecht daran sein, sich nach den Wünschen der Mehrheit zu richten?
Die Grünen sind eine Partei, welche nicht wegen sondern trotz ihrer Positionen gewählt wird.
Ein Kreuzerl bei den Grünen ermöglicht eine symbolische Selbstgeisselung ohne Schmerzen. Man darf sich moralisch über die anderen erhöhen und zahlt dafür keinen Preis. Das gute Gewissen zum Nulltarif. Zumindest fast zum Nulltarif. Die einzigen Kosten, die entstehen, ist der notwendige Selbstbetrug.
Das einzige, was ein derartiges Kreuzerl in grün aussagt, ist mangelndes logisches Denkvermögen, ein Hang zu Hysterie und Todestrieb und eine generelle grenzenlose Naivität…
Sie erreichen wenig und verhindern wenig. Wenn wir Glück haben, reicht das.
Ja, die GrünInnen sind eingeklemmt zwischen Realos und Fundis, zwischen Max Weber’s Haltungs- und Verantwortungs-Ethik. Ich als vernünftiger Mensch stehe der Autorin als Haltungs-Ethikerin gegenüber und darf fragen, wie viele hätte man/frau denn gerne aufgenommen ? Und geht man/frau in Afghanistan umher und spielt Liebe/r GöttIn und wählt die “AuserwähltInnen” aus ? Wie war das mit dem abgeschobenen Kind, deren Familie über 10 Jahre veritablen Sozialmissbrauch betrieben hat?Geschenkt, liebe Frau Holzinger-Vogtenhuber, für mich ist das schlimme politische Agitation, nicht mehr die Kalaschnikow wird eingesetzt, sondern Infamie, Hetze und Intrige, um den politischen Gegner medial hinzurichten. Sebastian Kurz kann nur einen einzigen Fehler machen, nämlich von seiner vernünftigen Linie trotz der Hetze abzuweichen, dann kann ihm nichts mehr passieren. Und die HaltungsethikerInnen a la Holzinger- Vogtenhuber ? Ich darf mit Trotzi anworten, diese werden “auf dem Misthaufen der Geschichte landen ” Viel Vergnügen dort, liebe Daniela
So wie ich das lese gehts in der Kolumne nicht darum die Politik der Regierung zu bewerten, sondern den Sinneswandel der Grünen darzustellen. Und wenn eine Partei im Wahlkampf das eine sagt, dann in der Regierung aber das andere Macht, ist das in meinen Augen nichts anderes als Wählertäuschung und letztlich Betrug!