Krieg!

So, ich hab jetzt einige Zeit gebraucht, um mich wieder neu zu ordnen. Für das nämlich, was sich gerade bei unseren Nachbarn in der Ukraine abspielt, hatte ich – Jahrgang 1987 – keine passende Kategorie. Ich hab‘s nicht in meinen Kopf bekommen.

Sicher, Krieg kennt man. Panzer rollen, Raketen fliegen, Bomben explodieren, Menschen kämpfen, fliehen und sterben. So außergewöhnlich ist das nicht. Leider. Wir leben in einer Welt der permanenten Krisen, der Gewalt und wenn wir uns ehrlich sind, ist die selige Insel, auf der wir Mitteleuropäer sitzen und uns die Köpfe über allerhand Nichtigkeiten zerbrechen dürfen, eher die Ausnahme als die Regel. Man könnte auch sagen, wir picknicken auf der dünnen, ganz dünnen „Decke der Menschlichkeit“ – wie es Bayerns Bischof Heinrich Bedford-Strohm angesichts der Kriege in Syrien und Zentralafrika so treffend formulierte.

Weil nein, da ist nicht viel zwischen uns und den tiefsten Abgründen menschlicher Existenz! Bestenfalls ein fadenscheiniges Stückchen Zivilisation.

Überfall auf Europa.

Im Gegensatz aber zu all dem Islamisten-Terror, den Staatstreichen, den Bürgerkriegen trifft uns der russische Überfall auf Europa mitten ins Herz. Erstmals seit Ende des Jugoslawienkrieges wird am Kontinent wieder gekämpft. Erstmals seit Hitlers Überfall auf Polen, greift ein international anerkannter Staat einen anderen mit regulären Streitkräften an. Ohne UNO-Mandat, ja nicht einmal gedeckt von einer „Koalition der Willigen“. Nein, was Putin macht ist die ungeschminkte und banale Wahrheit eines Angriffskrieges und damit die Rückkehr des Faustrechts in die Sphäre europäischer Politik. Wenn Verhandlungen, politischer und wirtschaftlicher Druck nicht reichen, dann wird eben einmarschiert – der Kleine vom Großen herpaniert.

Was an sich schon eine grotesk-absurde Eskalation samt Überschreitung sämtlicher roter Linien ist, wird dann noch einmal getoppt, wenn der einsame Mann im Kreml der Weltgemeinschaft unverhohlen mit einer atomaren Apokalypse droht.

Der Feind im Osten.

Was vor wenigen Tagen für viele von uns also noch völlig undenkbar war, ist heute traurige Realität. Russland, der Feind im Osten ist wieder da und offensichtlich jederzeit bereit mit Waffengewalt gegen freie, demokratische und selbstbestimmte Gesellschaften vorzugehen.

Städte werden beschossen, Menschen getötet – um was zu erreichen? Um ein Stück Land, dem eigenen anzugliedern? Eine demokratisch gewählte Regierung gegen Marionetten auszutauschen, ein paar Quadratkilometer als Puffer zwischen sich und dem Westen zu installieren? Was für ein Schwachsinn!

Wir leben im 21. Jahrhundert, in einer digitalisierten Welt. Macht, Einfluss und letztlich auch die Sicherheit der Staaten haben kaum noch etwas mit den Dimensionen der Scholle zu tun auf der man sitzt. Heute geht’s nicht mehr darum, wie viele Kartoffeln und Weizen man anbauen kann, wie viele Pferde und Reiter sich damit durchfüttern lassen.

Es geht um Ideen, um Netzwerke um Forschung, Entwicklung um den Wohlstand (freier) Menschen. Es geht um Konsum!

Eine Einsicht die man Putin, dem heißgelaufenen kalten Krieger, vielleicht einmal am langen Tisch erklären sollte. Misst man die vor Panzern und (Atom-) Raketen strotzende Weltmacht Russland nämlich am BIP, so hätte das Riesenreich locker zweimal in unserem Nachbarn Deutschland Platz.

Ein paar Quadratkilometer mehr Krim, oder zerstörtes Separatistenland ändern daran rein gar nichts.

Lasst uns diesen Krieg gewinnen!

Keinesfalls aber darf unbeantwortet bleiben, was Putin, der Ukraine, seinem Volk und der Welt aufgezwungen hat. Wer seine Nachbarn überfällt, wer mit der nuklearen Auslöschung droht, wer (Angriffs-) Kriege als legitimes politisches Mittel erachtet, der darf an unserem Tisch keinen Platz mehr haben. Nie wieder! Also lasst uns diesen Krieg gewinnen!

Nicht mit Panzern und Raketen, aber mit alldem was Putin so gerne hätte. Mit unserer Wirtschaft und unserer Solidarität!

Sic semper tyrannis!

PS: Im Übrigen bin ich dafür die Ukraine als EU-Beitrittskandidaten aufzunehmen. Sie haben es sich verdient!

Mit nur 26 Jahren zieht Daniela Holzinger-Vogtenhuber erstmals in den Nationalrat ein. Bald als SPÖ-Rebellin bekannt, stellte sie sich mehrfach gegen den Klubzwang und trat letztlich erfolgreich für die Stärkung parlamentarischer Kontrollrechte ein. 2017 bricht sie endgültig mit ihrer ehemaligen Partei, kann ihr Mandat bei den vorgezogenen Neuwahlen jedoch behaupten. Diesmal parteiunabhängig über ein Ticket der Liste JETZT, wo sie zur „fleißigsten“ weiblichen Abgeordneten des Parlaments avancierte. Heute ist Holzinger-Vogtenhuber Seniorpartnerin einer Agentur für Politikberatung und leidenschaftliche eXXpress-Kolumnistin.