Überspannt und absolut urlaubsreif, das waren bisher meine Wahlabende. Irgendwie so ein Indiana Jones-Gefühl, wo du mit dem Schatz in der Hand durch einen langen Tunnel voller Spinnweben läufst. Rundherum bricht schon alles zusammen, dann noch im letzten Moment unter der sich schließenden Steintüre durch. Hut verloren, zurückgegriffen, geschnappt und endlich geschafft. Phu.

Dieses Mal aber nicht. Ich bin super entspannt, lasse mich als Souverän täglich auf‘s Neue von den WahlwerberInnen umschmeicheln und verwöhnen, um schlussendlich, ganz geheim, ein Urteil zu fällen.

Das ist Demokratie. Ja, und es sollte mehr davon geben. Nicht nur alle vier, fünf oder sechs Jahre. Auch themenbezogen. Wir kriegen das hin. Wir sind nicht dümmer als die Schweizer, nicht weniger fähig zur direkten Demokratie. Und wer immer uns versucht das einzureden, den sollten wir genau unter die Lupe nehmen.

Mein Tipp: So wählt Oberösterreich:

ÖVP – mit Thomas Stelzer:

Die Volkspartei ist als Wahlsieger fix gesetzt, das sagen uns alle Umfragen. Man baut auf Beständigkeit, darauf „gerade jetzt“ nur keinen Fehler zu machen. Eine Strategie, die nicht erst seit Peppi Pühringers 46,76%-Abräumer bei der Krisenwahl 2009 funktioniert. Amtsinhaber nutzen Verlustängste als Mobilisierungsturbo – nach dem Motto: „The Devil I know“. Weil an den Status quo – ob ideal oder nicht – gewöhnt man sich. Man richtet sich darin ein und natürlich möchte man mehr, aber auf gar keinen Fall weniger. Viele gehen daher auf Nummer sicher wählen die Amtsinhaber.

Zudem passt der Bundestrend. Kanzler Kurz polarisiert, hat die ÖVP aber nachhaltig auf den Erfolgskurs gebracht. Das macht Eindruck – Sieger begeistern.

Dass es am Ende aber knapp nicht zum Überspringen der magischen 40%-Hürde reichen wird, geht auf‘s Konto der Impfgegner. Klassisch im konservativ-freiheitlichen Pool zu Hause, sind sie für die Volkspartei als staatstragende Impf-Befürworter nicht mehr ansprechbar.

Mein Tipp: Die Stelzer ÖVP kann sich über starke 39,xx% (+3,xx% Punkte) freuen.

FPÖ – mit Manfred Haimbuchner:

Des einen Leid ist des anderen Freud. Zwar wird Haimbuchner, der selbst lebensgefährlich an Corona erkrankte, kaum etwas mit dem Fanatismus seiner impfskeptischen Wählerschaft anfangen können, ihre Stimmen aber natürlich gerne nehmen. Zuletzt sorgten diese nach dem langanhaltenden Ibiza-Tief auch wieder für heitere Umfragewerte. Den Tiefpunkt scheinen die Landes-Blauen damit rechtzeitig hinter sich gelassen zu haben. Auch der zweite Platz dürfte gesichert sein. Klammert man zudem das Ausnahmeergebnis von 2015 am Höhepunkt der Migrationskrise mal aus, kann man durchaus von einer soliden Konsolidierung sprechen. Gemessen am 2009er Ergebnis ist Ende des Monats mit +7% Punkten zu rechnen. Ein solides Wachstum.

Mein Tipp: Die Freiheitlichen kommen auf 23% (-6,7% Punkte)

SPÖ – mit Birgit Gerstorfer:

Deutlich schwerer hat es da die dahinsiechende Sozialdemokratie mit Spitzenkandidatin Birgit Gerstorfer. Denn auch wenn man bei den letzten beiden Wahlen (2009/15) fast 20%-Punkte an Zustimmung einbüßte, lassen die Umfragen noch keine grundsätzliche Trendumkehr erkennen. Im besten Falle kann es gelingen das historisch schlechteste Ergebnis annähernd zu halten. Aber auch ein weiterer Absturz und der Verlust von Platz drei an die im Aufwind befindlichen Grünen scheint nicht ausgeschlossen.

Der Grund dafür ist schnell gefunden – ich selbst habe viele Jahre in der Partei damit verbracht genau davor zu warnen und echte Reformen einzufordern. Vergebens.
Es mangelt an Profil, Durchsetzungswillen, einer gemeinsamen, motivierenden Vision und vor allem an der Solidarität hochbezahlter Spitzenfunktionäre mit der ehrenamtlichen Basis in den Gemeinden und Sektionen.
Weil man nicht mehr weiß, warum man eigentlich Politik macht, wird der Kampf ums Menschenrecht sukzessive vom Kampf um den Futtertrog abgelöst. Das Resultat: In immer mehr Gemeinden findet sich niemand mehr, der bereit ist seine Freizeit zu opfern und für die SPÖ zu kandidieren – gleichzeitig bunkert man sich an der Spitze ein und hofft noch einmal sechs Jahre irgendwie durchtauchen zu können.

Mein Tipp: Die Landes-Roten kommen auf 18% mit kleinem Minus davor. Platz 3 können‘s halten und Birgit Gerstorfer bleibt sowohl Landesrätin als auch de jure Parteichefin. Immerhin brav arbeiten tut sie und auch das tatsächliche, lichtscheue Machtzentrum der SPÖ im Linzer Rathaus hat von ihr nichts zu befürchten. 6 MORE YEARS!

GRÜNE – mit Stefan Kaineder:

Dazu gibt’s nicht viel zu sagen. Allgemeiner Aufwärtstrend ist trotz Themenverfehlung noch da und auch in OÖ spürbar. Ich meine die Grünen haben abermals den Kampf gegen den Klimawandel als ihr großes Leitthema ausgerufen – wissend, dass Österreich nur 0,18% zum weltweiten Ausstoß an Treibhausgasen beiträgt. Selbst wenn man unser Land also komplett zusperren würde, hätte das eben genau NULL Einfluss auf den Ausstoß von Treibhausgasen weltweit – geschweige denn auf das Weltklima. Dennoch liegt eine Politik ganz offensichtlich im Trend, die man zwar im Geldtaschl spürt, am Problem aber ganz einfach nichts ändern kann.

Eine Mega-Marketingleistung der Grünen. Respekt! Das nimmt schon fast religiöse Züge an. Die Erbschuld, das Böse, die Heilsbringer UND ganz wichtig: Käufliche Erlösung. Kein Wunder. Landesrat und Spitzenkandidat Kaineder ist studierter Theologe.

Mein Tipp: Grüne werden erneut Klima-Krisengewinner, mehr als 13% sind aber nicht drinnen (+2,5% Punkte).

NEOS – mit Felix Eypeltauer:

Für NEOS ist Oberösterreich kein leichtes Pflaster. Nicht weil es dem Industrieland an gebildeten, jungen und urbanen Menschen – dem typischen Wählerklientel der Pinken – mangeln würde, oder die Konkurrenz per se zu stark sei. Nein, nur die Landesorganisation scheint sich leidenschaftlich gerne selbst im Weg zu stehen. Nachdem man bei der Wahl 2015 knapp scheiterte, gings ums Geld und ans Kannibalisieren. Parteiausschlüsse, Rauswürfe und schlechte Stimmung pflasterten den Weg der damaligen Strolz-Jünger. Der, höchstselbst und wohl nicht grundlos einmal zu mir meinte: „Die eigene Partei sei eine tägliche Kränkung.“ Aber da war die Luft bei ihm auch schon draußen.

So und jetzt? Wird’s wieder knapp – Umfragen geben den NEOS mit Spitzenkandidat Felix Eypeltauer kaum mehr als die für den Einzug notwendigen 4%. Am Ende könnte also der Fallbeileffekt den Ausschlag geben und viele potenzielle NEOS Stimmen zu ÖVP oder Grüne wandern, um zumindest in die Wertung zu kommen.

Mein Tipp: Es geht sich aus. Neos kommen mit 4% und 2 Mandaten in den Landtag. Landesrat gibt’s dafür keinen. Einfluss eigentlich auch nicht. Aber 6 Jahre, um sich zu profilieren.

Der bunte Rest:

Von den übrigen Kleinparteien und Listen ist naturgemäß im Ergebnis kaum etwas zu erwarten. Dafür sorgt mitunter auch ein Wahlrecht und v.a. ein Parteienfinanzierungsgesetz, das etablierte Parteien grundsätzlich bevorzugt. Diese können in OÖ bis zu 7 Millionen Euro für den Wahlkampf ausgeben und werden üppig gefördert. Neue Listen hingegen sind meist durch die Jahres-Spendenobergrenze bei rund 200.000 € Budget limitiert. Gleichzeitig wurde mit der letzten Novelle auch die

Wahlkampfkostenrückerstattung gestrichen. Der Versuch alleine kann also teuer werden. Eine enorme demokratiepolitische Hürde!
Dennoch haben sechs weitere Listen genug Unterschriften gesammelt, um tlw. landesweit am Wahlzettel zu stehen. Ein tolles Zeichen für unsere lebendige Demokratie, auch wenn sich kaum jemand ernsthaft Chancen auf einen Landtagseinzug ausrechnen darf.

Mein Tipp: Das starke Abschneiden der Impfgegner MFG wird für eine Überraschung sorgen, im zukünftigen Landtag werden sie aber nicht vertreten sein.

Mit nur 26 Jahren zieht Daniela Holzinger-Vogtenhuber erstmals in den Nationalrat ein. Bald als SPÖ-Rebellin bekannt, stellte sie sich mehrfach gegen den Klubzwang und trat letztlich erfolgreich für die Stärkung parlamentarischer Kontrollrechte ein. 2017 bricht sie endgültig mit ihrer ehemaligen Partei, kann ihr Mandat bei den vorgezogenen Neuwahlen jedoch behaupten. Diesmal parteiunabhängig über ein Ticket der Liste JETZT, wo sie zur „fleißigsten“ weiblichen Abgeordneten des Parlaments avancierte. Heute ist Holzinger-Vogtenhuber Seniorpartnerin einer Agentur für Politikberatung und leidenschaftliche eXXpress-Kolumnistin.