Lang, lang ist‘s her, als ich der Meinung war „in der Partei“ etwas bewegen zu können. Für soziale Gerechtigkeit, für Chancengleichheit, für unser Land. Für alle eben, die jeden Tag aufstehen, in die Arbeit gehen, sich um ihre Familien kümmern und ganz einfach ein Recht darauf haben ordentlich behandelt zu werden – gerade von jenen die am längeren Ast sitzen. Sie waren und sind meine Motivation mich gesellschaftlich zu engagieren. Eines der wichtigsten Ziele dabei: Die Partei von innen heraus zu reformieren. Nicht allein natürlich, das geht nur gemeinsam. Würde man aber die Kräfte bündeln, dann, ja dann wäre vielleicht eine andere Sozialdemokratie möglich. Eine die sich bei den „normalen“ Leuten wohler fühlt als am Nobelempfang. Die gerne einmal ein Bier beim „Wirten ums Eck“ trinkt und mit dem Champagnerbad im französischen Edel-Club so gar nichts anfangen kann.

Im Rückblick war da aber wohl etwas zu viel Idealismus dabei und eigentlich hätt ich‘s auch wissen müssen, hat man es mir doch mitten ins Gesicht gesagt: Die Partei will und wird sich nicht ändern. Punkt!

Das natürliche Auf- und Ab

„Warum sollte sie auch?“ fragte mich beispielsweise der damalige SP- Finanzstaatssekretär, als ich von ihm wissen wollte, wie er die Zukunft der Partei einschätze. Seiner Meinung nach wäre es „ein ständiges Auf- und Ab, an dem man sowieso nichts ändern könne und weil es damals schon einige Zeit bergab gegangen wäre, müsste es auch wieder einmal bergauf gehen.“ so die messerscharfe Analyse.

Also erst einmal nichts tun und aussitzen – ein erprobtes rotes Rezept.

Doch was dem designierten SP-Klubchef, der heute im EU-Parlament sitzt und irgendetwas mit Instagram-Kochvideos und Schokoladeverkostung macht, entgangen war, ist, dass sich die Zeiten ändern. WählerInnen werden mobiler, entscheiden immer weniger nach weltanschaulichen Kriterien, sind umfassend informiert und bereit, themenbezogen auch über ehemals unüberwindliche Parteigrenzen zu springen. Also nein, 2013 sollte es für die Partei nicht „bald“ wieder bergaufgehen. Vielmehr gings weiter hinab ins Jammertal. Von den knapp 27% (2013), auf das bisherige Allzeit-Tief von lediglich 16% Zustimmung bei Umfragen Mitte 2020.

Stinken leichtgemacht

Doch auch ich habe da einiges übersehen: Zwar sind die WählerInnen mobiler geworden, nicht aber die Parteien und schon gar nicht das Parteiensystem. Soll heißen, dass es für neue Listen nach wie vor enorm schwierig ist, als wählbare Alternative (4%-Hürde!) wahrgenommen zu werden.

Zwischenmenschliche Beziehungen im polit-medialen Dörfchen Wiens spielen da genauso eine Rolle, wie die Begleichung offener Rechnungen (wort-wörtlich und sinngemäß), wechselseitige Abhängigkeiten und natürlich der Füllstand der Kriegskassen.

Weil – jede Mutter kann da ein Liedchen davon singen – mit vollen Hosen, ist leicht stinken. Und jene rd. 212 Millionen Euro, die unseren gewählten Parteien per anno vom Steuerzahler zur Verfügung gestellt werden, sind da ein ganz ordentlicher Haufen olfaktorischer Überzeugungskraft.

Die Aussitz-Kriegerin

Durch die Reduktion des politischen Spektrums auf eine Handvoll Alternativen, ist die fast kindlich anmutende Einschätzung meines Gesprächspartners realpolitisch also gar nicht so falsch. Hat man den langen Atem eine Durststrecke auszuhalten und auf Fehler des Mitbewerbers zu warten, dann stehen die Chancen durchaus gut, wieder zuzulegen. Und zwar ganz ohne eigene Leistung, nervige Reformarbeit oder irgendwelcher inhaltlicher Erfolge.

So wie des Türkisen Leid, dieser Tage zur roten Freud wird und Aussitz-Kriegerin Pamela Rendi-Wagner tatsächlich in Reichweite der Kanzlerinnenschaft bringt.

Parteifreund-Parteifeind

Weiterhin außer Reichweite scheint bei den Roten jedoch der notwendige innerparteiliche Schulterschluss zu sein. Rendi-Wagners Neujahrs-Klausur in Krems musste ohne Intimfeind Hans Peter Doskozil auskommen. Als LH zog der die Vorbereitung seines Burgenlandes auf das Omikron-Virus doch tatsächlich dem Kremser Plauderstündchen am Buffet vor.

Ein absolut unsolidarischer Akt wie PRW – Kanzlerin in spe – meinte. Schließlich sei das „für niemanden nützlich, weder für die Partei noch für Doskozil“.

Stimmt, werden sich da viele Burgenländer gedacht haben und „wie gut, dass unser Landeshauptmann zuerst an uns denkt, nicht an sich oder die Rendi-Partei.“

Wir dürfen jedenfalls gespannt sein, welcher Zugang sich in der SPÖ durchsetzen wird. Aussitzen oder Anpacken. Rendi oder Dosko.

Mit nur 26 Jahren zieht Daniela Holzinger-Vogtenhuber erstmals in den Nationalrat ein. Bald als SPÖ-Rebellin bekannt, stellte sie sich mehrfach gegen den Klubzwang und trat letztlich erfolgreich für die Stärkung parlamentarischer Kontrollrechte ein. 2017 bricht sie endgültig mit ihrer ehemaligen Partei, kann ihr Mandat bei den vorgezogenen Neuwahlen jedoch behaupten. Diesmal parteiunabhängig über ein Ticket der Liste JETZT, wo sie zur „fleißigsten“ weiblichen Abgeordneten des Parlaments avancierte. Heute ist Holzinger-Vogtenhuber Seniorpartnerin einer Agentur für Politikberatung und leidenschaftliche eXXpress-Kolumnistin.