Das Wahlergebnis der großen Vorsitzenden ist dabei wohl eines der offensichtlichsten Zeichen dafür, wie sehr es hinter der roten Fassade kracht. Lediglich 75% „Zustimmung“ aus den Reihen der eigenen Delegierten, das lässt sich nicht mehr schönreden. Rendi‘s Versuch, selbiges in der ZIB zu tun und ihre de facto Abwahl zum Auftrag weiterzumachen umzudeuten, lässt einem die Kinnlade zu Boden sinken.

Jede/r Vierte hat ihren Namen gestrichen – bei einer Wahl ohne Gegenkandidaten ist das vernichtend!

Was bitte muss da also passieren, um auf demokratischem Wege einen Wechsel herbeiführen zu können? Für welche Signale ist die Führung noch nicht blind und taub? Abermals ein Pfeifkonzert am ersten Mai, wie jenes das Ex-Kanzler Faymann von der Bühne fegte?

Oder lässt es das „Liesinger Wohnzimmer“ vulgo „Politbüro“ darauf ankommen? Wartet, bis ihre Kandidatin an der 50-Prozent-Hürde scheitert?

Nein, sie wissen genau, bevor das passiert, dreht der Letzte das Licht ab. Zu viele Günstlinge, Emporkömmlinge, zu viele „stromlinienförmige Handlanger“ (vgl. Leser Norbert: Der Sturz des Adlers), zu viel Abhängigkeit in den Reihen der Delegierten, als das sowas denkbar wäre. Also Augen zu und durch, auch wenn‘s manchmal weh tut – zumindest das Schmerzensgeld ist ja ganz ok.

Man kriegt fast Mitleid

Schaut man sich das Ganze aber mit genügend Abstand an, kann man fast Mitleid kriegen – weil eines stimmt für die SPÖ wie für keine andere Partei: Es kommt (scheinbar) nix G‘scheiteres nach.

Manch einer trauert da jetzt sogar der Ära Faymann hinterher, in der es dem Chef trotz koalitionärer Zwangsjacke noch gelang mit zumindest 84% vor den eigenen Mitgliedern zu reüssieren. Ja, das waren noch Zeiten und aus heutiger Sicht ein Traum-Ergebnis. Für damalige Verhältnisse aber ein Riesen-Dämpfer, der für lange Gesichter und miese Stimmung sorgte. Ich weiß noch, wie schnell die Regie da Andreas Bourani‘s Jubelhymne „Auf uns“ wieder abgedreht hat. Peinlich.

Du ziehst da geschlagen wie ein nasser Hund davon.

Nicht ein Türkiser im Haus und trotzdem kriegt die SPÖ nichts durch

Kein Wunder also, dass sich viele in Erwartung von Rendis Debakel schon vor der Antrags-Abnickerei aus dem Staub gemacht hatten. Dass aber ein Parteitag mangels Beschlussfähigkeit sogar abgebrochen werden muss, das ist meines Wissens neu. Eine Partei wie ein Schrecken ohne Ende und natürlich: Peinlich, peinlich.

Nicht ein Türkiser im Haus und trotzdem kriegt die SPÖ ihre Anträge nicht durch – was will man da den Wählern noch anbieten? Vielleicht einen einfacheren Zugang zur Staatsbürgerschaft für Migranten? Ach nein, die Idee hatte Rendi ja schon. Mitten in der Türkisen Chat-Krise. Die Lichtenfelsgasse dankt.

Mangelnde Reife der Genossen

Und dann ist da noch die Sache mit der innerparteilichen Demokratie. Beziehungsweise der sozialdemokratische Kriegsfuß auf dem sie steht. Denn wenn ein Landesparteivorsitzender einer demokratischen Partei, ja der Partei, die für sich reklamiert das freie, geheime und gleiche Wahlrecht erkämpft zu haben, jeden als „unreif“ beschimpft, der dieses am Parteitag ebenso frei und geheim, jedoch anders als von oben gewünscht, ausübt, dann besteht Erklärungsbedarf.  Derselbe Erklärungsbedarf übrigens, wie ihn Bau-Holz-Gewerkschaftsboss Beppo Muchitsch hat, der pauschal „grauslige Feigheit“ unterstellt, wenn Kritik in der Wahlzelle, nicht aber auf offener Bühne geübt wird.
Dazu nur ein Satz lieber Beppo: In der SPÖ mit offenem Visier zu kämpfen bringt dir nur eines: Den ersten Platz auf der Abschussliste – vertraue mir, ich weiß, wovon ich rede. Da ist die geheime Wahl sowas wie die letzte Möglichkeit zur Notwehr.

Mit Demokratie fluten

Vielmehr aber als den kümmerlichen Rest innerparteilicher Meinungsbildung zu diskreditieren und mit demokratiefeindlichen Äußerungen auch noch an den Grundfesten unseres politischen Systems zu rütteln, wäre es an der Zeit, die SPÖ mit „Demokratie zu durchfluten“ wie es einst so mutig von der Sozialistischen Jugend gefordert wurde. Und anstatt oberlehrerhaft, Orchideenthemen predigend, an der Lebensrealität der Menschen vorbei zu moralisieren, wären die Genossen gut beraten, den „Mann“ und die „Frau“ von der Straße wieder ernst zu nehmen. Ruth Pauli hat dazu ein paar echt treffende Zeilen geschrieben.

Mit nur 26 Jahren zieht Daniela Holzinger-Vogtenhuber erstmals in den Nationalrat ein. Bald als SPÖ-Rebellin bekannt, stellte sie sich mehrfach gegen den Klubzwang und trat letztlich erfolgreich für die Stärkung parlamentarischer Kontrollrechte ein. 2017 bricht sie endgültig mit ihrer ehemaligen Partei, kann ihr Mandat bei den vorgezogenen Neuwahlen jedoch behaupten. Diesmal parteiunabhängig über ein Ticket der Liste JETZT, wo sie zur „fleißigsten“ weiblichen Abgeordneten des Parlaments avancierte. Heute ist Holzinger-Vogtenhuber Seniorpartnerin einer Agentur für Politikberatung und leidenschaftliche eXXpress-Kolumnistin.