Wir stehen an der Seite der Ukraine

Wie es der Kanzler so treffend ausdrückte, ist unser Land militärisch neutral, keinesfalls aber in seinen Werten oder seinem Verhältnis zum Völkerrecht. Eine andere Interpretation von „Neutralität“ wäre auch völliger Unfug, würde sie uns doch gänzlich jeder Handlungsfähigkeit auf internationaler Ebene berauben. Akteure die für unser Land eine Politik globaler Teilnahmslosigkeit als Ideal einfordern, kann man nicht ernst nehmen.

Wenngleich sich natürlich schon auch die Frage stellt, ob ein Staat, umgeben von NATO-Mitgliedern überhaupt noch sinnvoll militärisch neutral sein kann, oder nurmehr sicherheitspolitische Trittbrettfahrerei betreibt? Aber das ist eine andere Baustelle.

Unabhängig davon sind wir aus freiem Entschluss ein Teil dieser Europäischen Union und ja, wir fühlen uns der westlichen Wertegemeinschaft, der Demokratie und dem Frieden verpflichtet. Daher besteht auch nicht der Hauch eines Zweifels, dass Österreich in diesem Krieg fest an der Seite der Ukrainerinnen und Ukrainer steht und alles unternehmen muss, um das Leid der Bevölkerung zu lindern.

Zivilgesellschaft packt an

Ein Blick auf die großartigen zivilgesellschaftlichen Initiativen und die Spendenbereitschaft der Österreicher:innen macht hier wirklich Mut und erfüllt mich auch mit großem Stolz auf unsere Leute.

Wo man hinsieht, wird angepackt, werden sogar mit Privatfahrzeugen Hilfstransporte organisiert und Schutzsuchende – Frauen, Kinder, Alte – in Sicherheit gebracht.

Für immer mehr Menschen reicht es ganz einfach nicht, nur dazusitzen und auf das Beste zu hoffen. Sie wollen etwas tun, ihren kleinen Beitrag leisten in einer Welt, die uns heute per Liveticker und Telegram-Update den Krieg quasi erste-Reihe-fußfrei ins Wohnzimmer oder aufs Handy liefert.

Nein, neutral zu sein, nichts zu spüren, wenn Kinder bombardiert werden, wenn wilde Horden Dörfer und Städte verwüsten, das geht sich nicht mehr aus.

Nehammers Reisen

Kein Wunder also, dass der Besuch des Bundekanzlers an den Schauplätzen russischer Kriegsverbrechen in der Ukraine, überwiegend positiv aufgenommen wurde.

Der Mann tut etwas! Wenigstens etwas halt, denn die von Präsident Selenskyj so dringend erbetenen Waffen darf Österreich aufgrund der Neutralität nicht liefern. Und auch das geforderte Gas-Embargo gegen Russland, hatte Nehammer nicht im Reisegepäck.

Mit einer Abhängigkeit von knapp 80% hängt unsere selige Alpenrepublik am russischen Gashahn, wie ein Süchtiger an der Nadel. Selbst wenn wir wollte (wovon ich jetzt einmal ausgehe) kommen wir da so schnell nicht weg. Heimische Milliarden werden also weiter nach Moskau fließen und damit auch unausweichlich Putins Kriegsmaschine füttern.

Wir stehen, wenn wir so wollen, vor den Trümmern eines vollständigen energiepolitischen Versagens über die letzten 50 Jahre hinweg. Anstatt fehlende nationale Ressourcen durch Investitionen in Erneuerbare zu kompensieren, hat man auf Importe gesetzt und anstatt zu diversifizieren, auf billiges russisches Pipeline-Gas. Es schmerzt die Einsicht nun am kürzeren Ast bzw. halt am falschen Ende des Gashahns zu sitzen.

Hinter verschlossenen Türen

So gesehen ist auch der Verriss von Nehammers Moskau-Reise in dieser Dimension nicht wirklich nachvollziehbar. Ich meine wir sind in aufrechten Verträgen gefangen, schicken täglich Geld nach Russland, warum also nicht die ohnehin bestehenden Kanäle nutzen, um von Angesicht zu Angesicht und in „aller Deutlichkeit“ zu sagen was gesagt werden muss. Dass Österreich im Einklang mit seinen europäischen Partnern ein rasches Ende des Krieges fordert, die Sanktionen bis dahin jedenfalls aufrecht und kein Kriegsverbrechen ungesühnt bleiben werde. Ob das tatsächlich so, oder so ähnlich hinter verschlossenen Türen stattgefunden hat, wissen wir nicht. Ich hoffe es zumindest.

Ein kleiner Erfolg schien der Mission jedenfalls gegönnt. Im Bericht über das Treffen, zitierte die Kreml-nahe Tageszeitung „Kommersant“ ungewöhnlich ausführlich eine Aussendung des Kanzleramtes. Darunter: Welch „unermessliches Leid“ der „Russische Angriffskrieg“ für das Ukrainische Volk bedeute. Veröffentlicht in einem Russland, das die Verwendung des Begriffes „Krieg“ quasi kriminalisiert und jegliche Verantwortung für zivile Opfer weit von sich schiebt.

Gemessen an manch Erwartungen und noch viel mehr an manch Hoffnungen mag das verschwindend wenig sein. Aber es ist jedenfalls mehr, als ein Däumchen-Drehen im Bundeskanzleramt hätte erreichen können. Zudem: Machen wir uns nicht kleiner als wir sind. Gemessen am BIP ist der russische Bär eher ein Bärli und gemessen an den Gehältern, die man hierzulande den Regierungsmitgliedern überweist, sind wir eine Weltmacht. Da darf man als Staatsbürger wohl auch etwas Initiative verlangen.

Mit nur 26 Jahren zieht Daniela Holzinger-Vogtenhuber erstmals in den Nationalrat ein. Bald als SPÖ-Rebellin bekannt, stellte sie sich mehrfach gegen den Klubzwang und trat letztlich erfolgreich für die Stärkung parlamentarischer Kontrollrechte ein. 2017 bricht sie endgültig mit ihrer ehemaligen Partei, kann ihr Mandat bei den vorgezogenen Neuwahlen jedoch behaupten. Diesmal parteiunabhängig über ein Ticket der Liste JETZT, wo sie zur „fleißigsten“ weiblichen Abgeordneten des Parlaments avancierte. Heute ist Holzinger-Vogtenhuber Seniorpartnerin einer Agentur für Politikberatung und leidenschaftliche eXXpress-Kolumnistin.