
Daniela Holzinger: Eine Lanze für die Opposition – Warum Gegenrede wichtig ist und was es noch braucht
Opposition als Advocatus Diaboli ist das große Asset jeder Demokratie. Ohne sie geht es nicht, auch wenn man oft einen anderen Eindruck bekommen könnte, erklärt eXXpress-Kolumnistin Daniela Holzinger.
Die schlechteste Regierungsform.
Opposition ist lästig, so viel ist klar. Die reden immer dagegen, finden jedes Haar in der Suppe, lieben es Erbsen zu zählen und setzen trotz allem nichts um. Wofür leisten wir uns den ganzen Spaß also eigentlich?
Die Antwort aber liegt auf der Hand: „It’s Democracy. Stupid!“
Und weil Demokratie, wie uns Churchill lehrte, die schlechteste aller Regierungsformen ist, abgesehen natürlich von allen anderen, die wir in ungefähr 4000 Jahren menschlicher Hochkultur ausprobiert haben, braucht es das Dagegensein (dürfen). Es braucht den Advocatus Diaboli und Leute deren Job es ist, Regierungsvorlagen, Gesetze und soziale Realitäten nach Schwachstellen und Ungerechtigkeiten abzuklopfen. Nur so kann man besser werden, blinde Flecken verkleinern, Einseitigkeiten abstellen und ein größtmögliches Maß an Gemeinwohl und individueller Freiheit sichern.
Große Verantwortung.
Natürlich ist diese Rolle aber auch mit großer Verantwortung verbunden. Dagegensein allein reicht nicht. Wer das so verkürzt betrachtet wird scheitern – ganz einfach. Entweder weil sich das eigene politische Profil, in dichotomer Beliebigkeit auf eine Antithese zur Regierung verkürzt, was den Menschen auf die Dauer natürlich (und völlig zu Recht!) zu wenig ist.
Oder aber das genaue Gegenteil davon. Dann nämlich, wenn man den wunden Punkt erwischt, sich selbst plötzlich als Wahlgewinner in der Regierung wiederfindet und erstmals gezwungen ist, populären Ansagen auch Taten folgen zu lassen. Für viele traditionelle Oppositionsparteien ein Aufschlag am Boden der Realität.
Zweimal Blau, einmal Grün?
Einer der durchaus auch hart sein kann, wie uns die Freiheitlichen wohl eher un-frei-willig vor Augen führten. Zweimal haben sie in jüngster Vergangenheit den Sprung in die Regierung geschafft und zweimal hat sie diese Herausforderung binnen weniger Jahre auf offener Bühne zerrissen.
Ob den Grünen – abgesehen mal vom Strache-Spezifikum Ibiza – ein ähnliches Schicksal droht, oder sie den Spagat zwischen oppositioneller Partei-DNA und Koalitionsräson meistern, wird sich zeigen.
Noch ist die Regierung jung, noch ist alles offen, auch wenn Koglers Truppe nicht unbedingt auf Erfolgskurs steuert und insbesondere bei der Migrationsfrage zunehmend unter Druck gerät.
Systemfrage.
Was bleibt ist ein systemisches Dilemma. Regierung und Opposition sind aufeinander angewiesen, um sowas wie gute Politik zu machen. Gleichzeitig verbieten die Regeln unseres auf Dauerwahlkampf ausgerichteten Systems jegliche konstruktive Zusammenarbeit. Eine Regierung nämlich, die Oppositionsinitiativen lobt oder gar deren Anträge umsetzt, läuft Gefahr abgewählt und durch ebenjene ersetzt zu werden, die es offensichtlich ja besser können.
Gleiches gilt für die Opposition, die sich deshalb im besten Falle an das Mantra „nix gesagt, ist gelobt genug“ hält.
Unterm Strich baut das enorme Hürden auf und wer immer die Möglichkeit hat, oder gezwungen ist die Seiten zu wechseln, wird sich in feindlicher Umgebung wiederfinden. Freiheitliche wie Grüne in einem Regierungssetting, das ihren eigenen oppositionellen Ansprüchen niemals genügen wird können. Oder auch die SPÖ in einer Rolle, die sie noch vor wenigen Jahren als destruktiv und populistisch abkanzelte.
Das System ändern – Parlament als Innovationsmotor!
Einer allein kann das nicht ändern. Wer sich so wie Matthias Strolz in seinen Anfangsjahren vorgenommen hat, zumindest dort oder da auch einmal etwas Positives zu sagen, der wird bald feststellen, dass das Lob nicht zurückkommt. Dann wir er es lassen und schließlich die Politik entsprechend verbittert verlassen.
Will man tatsächlich etwas ändern brauchts einen systemischen Ansatz und endlich den versprochenen neuen Stil. Deshalb weg mit dem Koalitionszwang – lassen wir das Parlament arbeiten! Gelten soll dieser nur noch für konkrete Projekte und Vorhaben laut Koalitionsvertrag. Bei allen anderen Fragen aber soll das Parlament entscheiden, Volksvertreter im Spiel der freien Kräfte und so wie von der Bevölkerung gewählt. To Discuss!
Mit nur 26 Jahren zieht Daniela Holzinger-Vogtenhuber erstmals in den Nationalrat ein. Bald als SPÖ-Rebellin bekannt, stellte sie sich mehrfach gegen den Klubzwang und trat letztlich erfolgreich für die Stärkung parlamentarischer Kontrollrechte ein. 2017 bricht sie endgültig mit ihrer ehemaligen Partei, kann ihr Mandat bei den vorgezogenen Neuwahlen jedoch behaupten. Diesmal parteiunabhängig über ein Ticket der Liste JETZT, wo sie zur „fleißigsten“ weiblichen Abgeordneten des Parlaments avancierte. Heute ist Holzinger-Vogtenhuber Seniorpartnerin einer Agentur für Politikberatung und leidenschaftliche eXXpress-Kolumnistin.
Kommentare
Was wir heute erleben, ist, dass im wesentlichen die Regierung das tut, was die beteiligten Parteien wollen und das Parlament (die den Regierungsparteien angehörigen Parlamentarier) das tut bzw. gesetzlich legitimiert, was die Regierung will.
Und wo auf allen Ebenen alles bekämpft wird, was nicht im Sinne der Parteien ist.
Was im Umkehrschluss bedeutet, dass Anliegen, die von keiner Partei als ihrer Linie würdig erachtet werden, keine Chance auf Umsetzung haben, so sinnvoll und wichtig sie auch von der Bevölkerung gesehen werden.
Die “Innovation”, von der Frau Holzinger im Kommentar spricht, sehe ich da nirgends, auch nicht als zartestes Pflänzchen.
Zu glauben, dass eine Aufhebung des Klubzwangs daran was ändert, erscheint mir angesichts der handelnden Personen mehr als unrealistisch.
Aber ich habe eine wirklich verfolgenswerte Idee von Frank Stronach – bei allem, was man politisch von ihm halten will, aber er war und ist ein höchst erfolgreicher Unternehmer – noch in den Ohren: und das war die Beschränkung der aktiven Zeit von Politikern in Parlament und Regierung.
Das hätte für mich mehrere Vorteile:
– es kommen ständig neue Personen hinein, und damit neue Ideen, neuer Schwung und Tatendrang
– die Leute müssen danach wieder auf dem freien Markt ihr Gehalt in Firmen verdienen, unter Befolgung der Gesetze, die sie zuvor (mit)beschlossen haben
– es besteht damit eine echte Chance, erfahrene Leute aus der Arbeits- und Wirtschaftswelt in die Politik zu bringen
– es gibt damit auch innerhalb der Parteien keine Seilschaften auf Lebenszeit mehr
– man kann nicht davon ausgehen, dass man aufgrund seines politischen Einflusses seine Kinder schon versorgen kann, sondern muss daran arbeiten, dass sie in Gesellschaft und Arbeitsmarkt entsprechende Chancen vorfinden.
Zusammengefasst: Innovation und Nachhaltigkeit.
Die Demokratie erlebt heute eine ihrer größten Krisen.
– drastischer Rückgang der Wahlbeteiligung
– Erosion der “staatstragenden” Arbeiter- und Bürgerparteien
– Erstarkung an den Rändern, links wie rechts, weil Mehrheitsthemen nicht mehr von den Mitte-(Volks-)Parteien aufgegriffen werden bzw. diese sich (gefühlt) zu viel mit Randthemen befassen.
– Erscheinen von Spaßparteien (zB Italien), die von frustrierten Wählern durch Sammeln von Proteststimmen aus dem Nichts in Regierungsverantwortung gehoben werden.
Eine sinnvolle Beschränkung der maximalen Wirkungsdauer von Funktionsträgern wäre aus meiner Sicht eines der wirkungsvollsten Instrumente, um im wahrsten Sinne des Wortes “frischen Wind” in das System zu bringen.
Und die Demokratie wieder zu einem System der Herrschaft des “Demos”, des Volkes, zu machen, nicht der einer (Parteien)Elite.
Das hat was – ist zumindest diskussionswürdig.
Eine Regierung, die auf die Mehrheit der Wähler hört oder gar deren Wünsche umsetzt, läuft Gefahr geputscht und durch ebenjene ersetzt zu werden, die den Mehrheitswillen offensichtlich ignorieren können.
To Discuss!
Wie ist das gemeint? Das Parlament ist gemäß einer Volkswahl besetzt. Und Gesetze werden durch parlamentarische Mehrheiten beschlossen. Auch Abberufungen und Misstrauensanträge brauchen natürlich parlamentarische Mehrheiten, und sind wie Koalitionsverhandlungen durch den Mehrheitswillen des Volkes gedeckt.
Wenn Sie mir bereits die “gewünschten” Antworten “in den Mund legen” können Sie sich Ihre (rhetorische) Frage gleich ersparten 😈
Haben Sie die Bedeutung von “To discuss” nicht verstanden, oder ist Ihnen Ihr missionarische Eifer durchgegangen?
Nächster Versuch, aber ohne Manipulationsversuch 😉
Natürlich wollte ich Ihnen nichts in den Mund legen. Ich wollte nur versuchen etwas Klarheit in das etwa konfuse Initialposting zu bringen, damit sich auch jemand angesprochen fühlen kann.🙂
Es wäre schon viel geholfen, wenn es (ähnlich wie in der Schweiz) auf Initiativantrag der Bürger (10% notwendige Unterschriften) eine zwingende Volksabstimmung geben würde.
Ich hab mich gestern in das Sommergespräch mit PRW auf oe24 verirrt und ich hatte den Eindruck, mich in einer Wahlwerbesendung der SPÖ zu befinden. Diese völlig distanz- und hirnlosen “Journalisten”, die dieses “Interview” führten, sind eine Schande für die Branche! Um nichts, absolut gar nichts besser als der Rotfunk! Ein Trauerspiel, wie die zwei der Genossin in den Allerwertesten gekrochen sind!
🤣 Der junge Niki Fellner soll also plötzlich ein Unterstützer der Roten sein? Das kann ich mir absolut nicht vorstellen.
Sie kennen Nikki nicht persönlich?
Mir kommt die fellner Show auch schon sehr rot vor.
Vollkommen richtig, Frau Holzinger-Vogtenhuber, aber letztlich soll zumindest ein wenig “fair play” dabei sein. Das mit HC Strache war kein fair play mehr, auch das derzeit installierte System ” Z”, nämlich honorige, der Regierung nahestehende Personen aufzusuchen, von einer anonymenen Anzeige zu sprechen, Handy/Laptop zu konfiszieren und völlig nebensächliche, aber persönlich unangenehme Nachrichten schwer rechtswidrig den Medien/Opposition weiterzuleiten , die dann diese Menschen und ihr Lebenswerk zum Gaudium linker Hater/innen zerstören, ebenfalls nicht. Von linker Seite wird man nie “fair play” erwarten können. Wie sagte schon Wladimir Iljitsch (Lenin) ? “Jedes Verbrechen ist gut genug, wenn es dem Revolutionsziel dient”, und so braucht man nur zu schauen wie die linken Seite in Österreich auf Schüssel/Haider im Jahre 2000 reagierte und wie sie jetzt reagiert. Wie heißt es so schön unten den Linken ? Wir haben mit der Demokratie kein Problem, nur mit den Wahlen. Allerdings hat man bereits ein opportunes Mittel gefunden, nämlich ” Wahlkarten”, so wurde “Sascha, der mit dem Hund geht” ebenso gewählt wie sein Freund in den USA ” Wahlkarten-Joe”, beide mit wirklich überschaubaren politischen Erfolg, und wenn beide weg sind, keine Krähe wird diesen Herren irgend etwas nachkrähen, auch nicht dem großen roten Bruder in Moskau, der 1989 auf” dem Misthaufen der Geschichte landete” (Trotzki), oder der europäischen Sozialdemokratie, der ich seinerzeit als linker Studentenvertreter gerne angehörte, die sich derzeit ins politische Nirvana verabschiedet, nicht ohne noch in den Großstädten Berlin, Paris und Wien mit den ” Asyl-Touristen” ein Chaos zu hinterlassen, also die Politik der “verbrannten Erde” leben.
Die Überlegung des freien Spiels hat sicher was – andererseits braucht es für manche Vorhaben den langen Atem, reicht nicht ein Gesetz aus, muss man sich in der Koalition auf den Partner verlassen können… ich fürchte das Hickhack – noch weiter angefacht durch Beschlüsse im koalitionsfreien Raum – würde so groß, dass jede Koalition noch früher zerbrechen und die Richtung gänzlich unberechenbar werden könnte.
Zu den angesprochenen blauen Regierungsbeteiligungen ist vielleicht noch festzustellen, dass es die Haider-FPÖ damals eher analog zu den aktuellen Grünen zerbröselte, weil sie aus Wählersicht ihre Positionen “verrieten”. Die Strache-FPÖ hat hingegen aus Sicht ihrer Klientel weitgehend abgeliefert, sich inhaltlich sehr umfassend in die Koalition einbringen können und ist ausschließlich über die Ibiza-Affäre gestolpert. Insofern hinkt der Vergleich aus meiner Sicht doch etwas – schwarz-blau II hätte nämlich meiner Ansicht ohne Ibiza durchaus eine weitere Fortsetzung bis zum Ende der Legislaturperiode in relativer Harmonie finden können
Solange Medien dieses freie Spiel nach Belieben mit strategischer, weltanschaulicher, sprich ideologischer Verbissenheit und im primitiven Sinn mit Häme um der Häme Willen mit manipulativer Stigmatisierung begleiten, wird daraus nichts.
In Zeiten von sozialen Medien ist Politik zu einem Geschäft des geringsten Widerstandes geworden.
Dazu kommt nun noch die verhängnisvolle Verwicklung, dass sich verschiedene Justizbereiche aktiv in die “Politik” einzubringen scheinen und wie es für mich scheint oft fadenscheinig Verfolgungen durchführen.
Vor allem wenn man den Eindruck hat das Gesetzesanträge bereits zu bedingten Haftstrafen führen können spürt man das Politik zu machen nicht nur in der Hand von Politikern liegt.