Mein Sohn war da gerade ein Monat alt und wir begannen es uns zu Hause als Familie erst einmal gemütlich zu machen – keine Ahnung davon, was noch auf uns zukommen würde. Maskenpflicht? Lächerlich! Ein Lockdown? Was sollte das sein?
Alle Geschäfte, alle Unternehmen, das ganze Leben einfach zusperren? Eine Oma, die ihren Enkel nicht mehr sehen durfte – maximal durch eine Glasscheibe hindurch? Undenkbar. Und das, obwohl der Plot spätestens seit dem 1995er-Hollywood-Blockbuster „Outbreak-Lautlose Killer“ bekannt war.

Standard-Vokabular am Kaffeetisch

Für alle war das eine enorme Lernkurve. Denn gab es noch im Februar 2020 Stimmen, die meinten, das Virus würde vor dem Brenner halt machen – Österreich wie so oft bei internationalen Krisen eine Insel der Seligen bleiben, so mussten wir nur Tage später Zeugen sein, als dieser Wunschtraum mit der ersten Welle jäh zerplatzte.
Mund-Nasen-Schutz, FFP2, Händedesinfektion, Babyelefanten-Abstand, Inzidenzen, Reproduktionszahlen, 2G, 3G, Vakzine, Virusvarianten, Spike-Protein, mRNA und und und. All das gehört heute zum Standard-Vokabular am morgendlichen Kaffeetisch. Wir haben viel dazugelernt – es blieb uns ja nichts anderes übrig.
Und dank herausragender Wissenschafterinnen und Wissenschafter, denen es gelang binnen weniger Monate eine Vielzahl hochwirksamer und sicherer Impfstoffe zu entwickeln, gibt es nun erstmals auch eine klare Perspektive auf ein Ende der Pandemie und eine Rückkehr zur Normalität.

Lust am Wellenreiten

Doch noch ist es nicht so weit. Das Virus mutiert, um zu überleben wird es ansteckender, passt sich an – das macht es immer (auch wieder sowas Gelerntes).
Trotz weltweiter Impfkampagnen sind wir leider noch nicht dort, wo wir hinmüssen, um eine Herdenimmunität – also eine Durchimpfungsrate von etwa 80% der Bevölkerung – zu erreichen. Erst dann nämlich findet das Virus zu wenige Opfer, um sich weiter ausbreiten zu können – wie uns Experten sagen.
Bis es aber so weit ist, wird eine Welle auf die Nächste folgen, werden Einschränkungen unsere Freizeit, unsere Familien, unsere Wirtschaft, ja unser ganzes Leben im Griff haben.
Da braucht‘s kein Medizin-Studium um das zu kapieren, es reicht ein Blick auf‘s Covid-Dashboard und – wie man so schön sagt – etwas gesunder Menschenverstand.
Ein Wert, den unsere Bundesregierung eigentlich eh ganz gerne hochhält.
Umso unverständlicher ist es, warum gerade sie derart große Lust am Wellenreiten zeigt und der ressortzuständige, grüne Gesundheits- und Turnschuhminister (übrigens ein Mediziner) dabei sogar den obersten Beach-Boy macht.
Zeigen getroffene Maßnahmen nämlich Wirkung, sorgen sie dafür, dass Inzidenzen und aktive Fälle zurückgehen. Folgt die nächste Lockerung, geht alles wieder von vorne los, nur um dann – Überraschung! – die Zügel wieder anziehen zu müssen.

Verordnungs-Wirrwarr

Mittlerweile passiert das fast im Wochenrhythmus und hinterlässt ein Verordnungs-Wirrwarr, das man sich selbst bei gutem Willen nicht mehr antun mag.
Da wird in der Nacht-Gastro verschärft, während die Maskenpflicht in allen Geschäften fällt – mit Ausnahme halt von Supermärkten, Apotheken und noch einigem mehr. In Museen und Bibliotheken darf man dafür überall wieder frei durchatmen – außer in Wien natürlich! Dafür kommt der Mund-Nasen-Schutz zurück, beispielsweise im Taxi, der Zahnradbahn oder im Kundenbereich bei Verwaltungsbehörden. Na, alle Klarheiten beseitigt?
Gut und vergesst den Babyelefanten – weil so kuscheln wir uns ganz bestimmt in den Corona-Herbst.

Mit heruntergelassenen Hosen

Ziemlich verrückt das Ganze. Wir lassen die Hüllen fallen, nur um dann feststellen zu müssen, vor der nächsten Welle mit heruntergelassenen Hosen zu stehen.
Was sich Menschen und Wirtschaft statt diesem Hin und Her aber zurecht von ihrer Regierung erwarten, das ist eine Politik der ruhigen Hand und klare, beständige Regeln, die auch akzeptiert – weil kapiert – werden. Und zwar so lange, bis wir die 80% Durchimpfungsrate haben. Also: Maske rauf und 3G, überall wo man mit fremden Personen in Kontakt kommt. Abstand halten, Hände desinfizieren und IMPFEN GEHEN! Dann haben wir‘s bald geschafft.
Geschätzter Herr Minister Mückstein, bitte die Siebenmeilen-Sneaker anziehen, ins Ministerium sprinten und verordnen. Danke.

Mit nur 26 Jahren zieht Daniela Holzinger-Vogtenhuber erstmals in den Nationalrat ein. Bald als SPÖ-Rebellin bekannt, stellte sie sich mehrfach gegen den Klubzwang und trat letztlich erfolgreich für die Stärkung parlamentarischer Kontrollrechte ein. 2017 bricht sie endgültig mit ihrer ehemaligen Partei, kann ihr Mandat bei den vorgezogenen Neuwahlen jedoch behaupten. Diesmal parteiunabhängig über ein Ticket der Liste JETZT, wo sie zur „fleißigsten“ weiblichen Abgeordneten des Parlaments avancierte. Heute ist Holzinger-Vogtenhuber Seniorpartnerin einer Agentur für Politikberatung und leidenschaftliche eXXpress-Kolumnistin.