Von Dingen, die es eigentlich gar nicht gibt.

„Sachen gibt’s, die gibt’s gar nicht“ so wie die Geißel des Parlamentarismus, den Klubzwang. Laut Verfassung (Art. 56) ist es nämlich so, dass die Abgeordneten an keinen Auftrag gebunden sind und demnach über ein freies Mandat verfügen.

Warum? Weil das sonst keine Demokratie ist, sondern ein Puppentheater. Ganz einfach.

Da Demokratie aber allen sehr wichtig ist, hat man sich darauf verständigt, den täglichen parteipolitisch organisierten Verfassungsbruch ins ansehnlichere Mäntelchen einer „Klubdisziplin“ zu kleiden und jedem „freiwillig“ umzuhängen der vor hat, im hiesigen Politikbetrieb Karriere zu machen.

Wer es jedoch wagt, sich dieser „Disziplin“ zu widersetzen, der wird schnell merken, wie real Dinge werden können, die es eigentlich gar nicht gibt.

Einfache Fragen verdienen einfache Antworten.

Als man uns beispielsweise die Frage stellte, ob das Kärntner Hypo-Alpe-Adria-Desaster politischer Aufklärung unterzogen werden sollte, war für mich die Antwort klar: JA.

Ja, weil es nicht sein kann, dass man dem Steuerzahler bis zu 19 Mrd. Euro Verlust umhängt und dann so tut, als wäre nichts gewesen.

Und ja, weil spätestens bei dieser Dimension politisch motivierter Misswirtschaft auch die Klärung der politischen Verantwortung von zentraler Bedeutung war – eine Aufgabe die Gerichte allein nicht wahrnehmen können.

Heute wird das auch kaum jemand bestreiten wollen, damals aber hat‘s ein wenig anders ausgesehen:
In der Rot-Schwarzen Koalition lehnte man den Untersuchungsausschuss ab, flüchtete sich in Ausreden. Mutmaßlich auf Druck der ÖVP, die über ihren Kärntner Ableger selbst tief im Hypo-Sumpf steckte.

Die SPÖ wiederum spielte brav mit. Kritische Stimmen wurden ignoriert, Mails nicht beantwortet, Wortmeldungen ohne Reaktion übergangen. Bis kurz vor der entscheidenden Plenarsitzung, als unser Klubobmann via Radio erklärte, dass man sich „nach langen inhaltlichen Diskussionen“ schließlich darauf geeinigt hätte den Ausschuss abzulehnen. Schweren Herzens und mit einer Träne im Knopfloch.

Da ich die Vorgeschichte kannte, hatte ich da kurz das Gefühl im falschen Film zu sein, de facto gab es keine Diskussion. Null. Kein Wort. Zumindest nicht bei den Sitzungen, an denen wir Abgeordnete teilnehmen konnten.

Der Druck steigt

Aber klar dachte ich mir, so machen sie das. So erhöhen sie den Druck, spielen dich gegen deine eigenen Leute aus. Denn jetzt haben’s alle gehört: Du hast sie schon verraten. Warum also noch kämpfen?

Darum! Weil sich endlich etwas ändern muss – sagte ich mir! Weil Demokratie dazu da ist den Bürgerinnen und Bürgern eine Stimme zu geben. Und weil diese Demokratie keine Zukunft hat, wenn sich kritische Stimmen einschüchtern oder den Hals mit Steuergeldern derartig vollstopfen lassen, dass man sie kaum noch hört.

Ich blieb standhaft, legte meine Position erneut dar und wurde wieder ignoriert – bis zum Tag der Abstimmung.

Dann waren sie plötzlich da, die großen Namen, einer nach dem Anderen. Ich solle bloß keinen „Fehler“ machen, warnten sie mich, dem Rest des Klubs nicht „in den Rücken fallen“, lieber meine Karriere im Auge behalten…
Das Parlament zur Seifenoper verkitscht, dachte ich mir. Ein 19 Mrd.-Skandal aufgewogen mit verletzten Gefühlen einiger hochbezahlter und hochprivilegierter Abgeordneter. Nein. Das war eindeutig zu spät. Einfache Fragen hatten einfache Antworten verdient.

Der Klub-Terror

Doch was dann folgte war alles andere als einfach. In aller Eile wurde eine „Klubstehung“ einberufen, also eine Sitzung im Stehen, weil nur ganz schnell halt. Ich in der Mitte, etwa 50 Menschen rundherum und dann ging‘s auch schon los: „Du kotzt uns an!“, „Egoistin, willst dich nur profilieren“, „Drängst dich in den Vordergrund“, „So eine wie dich brauchen wird nicht…“ prasselte es von allen Seiten auf mich ein. Besonders jene die bei politischen Diskussionen meist durch Schweigen oder gar Abwesenheit glänzten, liefen da zur Hochform auf. Aber auch jetzt wollten sie nicht diskutieren, sie wollten nur schreien, schimpfen, mich fertig machen, mich  d i s z i p l i n i e r e n.

Tatsächlich aber war das kein Klub-Zwang, das war Klub-Terror. Und für mich persönlich, das Ende der Sozialdemokratie als historische Bewegung.

Der Muchitsch hat‘s getan

Ich war deshalb einigermaßen überrascht, dass jetzt sogar ein rotes Schwergewicht ausschert. Gewerkschafter Josef Muchitsch blieb als Einziger sitzen, als der Rest des Roten Klubs für die Impfpflicht aufstand. Bei einem Gesetz, das noch vor 6 Monaten absolut richtig gewesen, jetzt aber ganz einfach too little, too late war und ohne jemals Wirkung entfaltet zu haben, als nutzlos wieder ausgesetzt wird.

Muchitsch hat demnach also absolut richtig gehandelt und diese, seine bisher „schwierigste politische Entscheidung“ wie er schreibt, außerordentlich gut begründet. Genauso übrigens wie NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker und einige weitere Oppositionspolitiker.

Man stelle sich jetzt mal kurz vor, wo unser Land stünde, wenn das Parlament voll mit solchen Menschen wäre. Abgeordnete, die in der Lage sind ihr Handeln zu begründen und für Überzeugungen einstehen – anstatt sich hinter ihren Parteien zu verstecken….

Mit nur 26 Jahren zieht Daniela Holzinger-Vogtenhuber erstmals in den Nationalrat ein. Bald als SPÖ-Rebellin bekannt, stellte sie sich mehrfach gegen den Klubzwang und trat letztlich erfolgreich für die Stärkung parlamentarischer Kontrollrechte ein. 2017 bricht sie endgültig mit ihrer ehemaligen Partei, kann ihr Mandat bei den vorgezogenen Neuwahlen jedoch behaupten. Diesmal parteiunabhängig über ein Ticket der Liste JETZT, wo sie zur „fleißigsten“ weiblichen Abgeordneten des Parlaments avancierte. Heute ist Holzinger-Vogtenhuber Seniorpartnerin einer Agentur für Politikberatung und leidenschaftliche eXXpress-Kolumnistin.