„Der Friede vermag alles, der Krieg nichts"

Kreiskys berühmtes Zitat ist zum Umarmen schön und angesichts des Horrors, der sich gerade in der Ukraine abspielt, von wohltuender Klarheit.
Nüchtern betrachtet wird es der Realität unserer Welt jedoch kaum standhalten können – denn so wie die Natur das Feuer braucht, um neue Triebe keimen zu lassen, scheint auch der Mensch auf Krisen als Innovationsmotoren angewiesen zu sein.
Bestes Beispiel: Die Europäische Union.
Geboren aus den Schrecken der Weltkriege und der festen Überzeugung so etwas nie wieder geschehen zu lassen, wurden alte Feindschaften überwunden, neue Gemeinsamkeiten gefunden und Strukturen des Ausgleichs entwickelt.
Über mehr als 70 Jahre waren sie und vor allem die Anziehungskraft der Idee eines geeinten Europas, Garant für Frieden und Wohlstand am Kontinent.

Eurosklerose

Dass die Begeisterung für das europäische Projekt dabei jedoch immer gewissen Schwankungen unterworfen war, ist völlig normal. Anfang der 1970er Jahre stürzten Ölkrise, Jom-Kippur-Krieg und später die Revolution der Mullahs die junge Gemeinschaft in das was man heute – etwas kryptisch – als „Eurosklerose“ kennt. Im Kern gings um den Versuch der Mitgliedsstaaten, auf globale Herausforderungen, nationale Antworten zu finden. Was zwar scheiterte, aber die europäische Einigung um etwa ein Jahrzehnt zurückwarf.

Erst zähe Verhandlungen und die Vision des Binnenmarktes als nächsten großen Wurf, brachten den Durchbruch.

Sklerose 2.0

Bis zum 1. Jänner 2021. Denn spätestens mit Großbritanniens EU-Austritt mussten wir zur Kenntnis nehmen, dass die europäische Idee, das schlagende Herz der Einigung erneut zu erstarren drohte. Eine Sklerose 2.0.

Zerrissen zwischen dem Insel-Poker der Briten, der inneren Emigration nach Visegrad, dem türkischen Erweiterungsfiasko und nach 2015 abermals erstarkender, nationalistischer Fliehkräfte war klar, Europa steht wieder am Scheideweg.

Bleibt es die wirtschaftspolitische Zweckgemeinschaft oder besteht die Chance auf eine vertiefte sozial- und sicherheitspolitische Union? Womöglich ja sogar auf die „Vereinigten Staaten Europas“, wie es der legendäre Winston Churchill einst postulierte?

Ein neues Europa

Heute kennen wir die Antwort. Angesichts der Barbarei des Krieges, des Leidens und Sterbens in der Ukraine ist eines nun völlig klar:

Unsere Demokratien, unsere Freiheit und unser Wohlstand sind jeden Tag bedroht und nur gemeinsam wird es uns gelingen sie zu schützen. In einem solidarischen Europa mit der Bereitschaft Lasten zu teilen und miteinander, statt übereinander zu reden. Den Willen, gemeinsam an etwas Größerem als dem eigenen „Kirchturm“ zu bauen und die Entschlossenheit zu verteidigen, was uns wichtig ist!

Putins Überfall hat die Staaten Europas aus dem Schlaf gerissen, ihre Augen weit geöffnet und mit jedem Tag des Krieges wächst nun weiter zusammen was zusammengehört. Die Vereinigten europäischen Staaten sind „Dank“ Putin nun nicht mehr nur eine ferne Vision, ein romantischer Gedanke, sondern müssen angesichts der Bedrohung das unausweichliche Ziel unseres gemeinsamen Weges sein. Alternativlos!

Mit nur 26 Jahren zieht Daniela Holzinger-Vogtenhuber erstmals in den Nationalrat ein. Bald als SPÖ-Rebellin bekannt, stellte sie sich mehrfach gegen den Klubzwang und trat letztlich erfolgreich für die Stärkung parlamentarischer Kontrollrechte ein. 2017 bricht sie endgültig mit ihrer ehemaligen Partei, kann ihr Mandat bei den vorgezogenen Neuwahlen jedoch behaupten. Diesmal parteiunabhängig über ein Ticket der Liste JETZT, wo sie zur „fleißigsten“ weiblichen Abgeordneten des Parlaments avancierte. Heute ist Holzinger-Vogtenhuber Seniorpartnerin einer Agentur für Politikberatung und leidenschaftliche eXXpress-Kolumnistin.