Sie haben alles gegeben, ihre Kräfte sind am Ende – aber dennoch halten sie nach wie vor die Stellung: Eigentlich hatte Russland schon vor Tagen damit gerechnet, einen endgültigen Sieg über die Verteidiger Mariupols zu erringen (der eXXpress berichtete), doch die vom Krieg schwer gezeichnete Hafenstadt ist immer noch nicht ganz in Putins Händen. Dies soll sich nun offenbar schlagartig ändern. Die russische Armee bäumt sich vor ihrem neuen Großangriff im Osten der Ukraine einmal mehr auf und holt zu immer heftigeren, brutaleren Schlägen aus.

Nach einem verheerenden Angriff auf Zivilisten in Charkiw soll die strategisch wichtige Stadt Mariupol nun endgültig in russische Gewalt gebracht werden. Vor dem “letzten großen Schlag” stellte Russland den Verteidigern der Hafenstadt nun ein Ultimatum: Wer zwischen 6 und 13 Uhr Ortszeit am Sonntag seine Waffen niederlegt, der soll mit dem Leben davonkommen, so das Versprechen.

Stahlwerk Asowtal als letzter Ort des Widerstands

Das geht aus einer Mitteilung von Generaloberst Michail Misinzew aus dem russischen Verteidigungsministeriums hervor. Russischen Angaben zufolge soll sich der letzte ukrainische Widerstand im Stahlwerk Asowtal verschanzt haben, wo die Lage als “katastrophal” beschrieben wird. Der Rest Mariupols soll sich laut Moskau bereits vollständig unter russischer Kontrolle befinden – von ukrainischer Seite fehlen hierzu jegliche Angaben.

Miszinew erklärt, dass russischen Einheiten in dieser kritischen Zeit als Zeichen der Einhaltung der Feuerpause rote Flaggen und die ukrainische Seite weiße Flaggen über das gesamte Areal des Stahlwerks hissen sollen. Nach Bestätigung der Bereitschaft auf davor eingerichteten Kommunikationskanälen könnten ab 6 bis 13 Uhr Moskauer Zeit alle ukrainischen Einheiten ohne Waffen und Munition vom Areal gehen. Die Russische Föderation garantiere jedem sein Leben und die Einhaltung aller Normen der Genfer Konvention über die Behandlung von Kriegsgefangenen, versprach der russische General.

Selenskyj fordert mehr und schwere Waffen für Verteidigung Mariupols

Ob die ukrainischen Kämpfer auf das Ultimatum Russlands eingehen und dem Versprechen trauen werden, scheint allerdings fraglich. Im Gegenteil: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat indessen angesichts der “unmenschlichen Lage” in der Hafenstadt einmal mehr Unterstützung vom Westen für Mariupol gefordert. Entweder die “Partner liefern der Ukraine sofort alle notwendigen schweren Waffen” oder sie unterstützten ihn bei den Verhandlungen über ein Ende der Belagerung, sagte Selenskyj in der Nacht auf Sonntag. Moskau rief die verbliebenen ukrainischen Kämpfer unterdessen zur Aufgabe auf.

Selenskyj will mit westlichen Kampfflugzeugen den “Druck auf Mariupol verringern und die Belagerung” aufbrechen. Der ukrainische Präsident räumte ein, dass die Suche nach einer “militärischen oder diplomatischen” Lösung der Situation “äußerst schwierig” sei.

Zuvor hatte Selenskyj gesagt, dass eine Tötung der verbliebenen ukrainischen Streitkräfte in Mariupol das endgültige Aus der Gespräche mit Russland bedeuten würde. Die Gespräche zwischen den Kriegsparteien hatten in den vergangenen Wochen keine Ergebnisse gebracht. Der russische Präsident Wladimir Putin hatte gesagt, dass sie in einer “Sackgasse” angelangt seien.

Das Stahlwerk Asowtal wurde offenbar zur letzten Bastion der Verteidiger MariupolsWikipedia / CCO