Nur wenige Monate nach der Prognose von Jamie Bartlett – seines Zeichens Direktor des “Center für die Analyse von Social Media bei Demos” und Autor von “Radicals: Outsiders Changing the World” – bekamen Klimaschutz-Demos eine neue Dimension und eine neue Popularität. Im Jahr 2018 wurde “Extinction Rebellion” gegründet, 2019 wurde Greta Thunberg zur Person des Jahres des “Time Magazines” und ihre “Fridays For Future” zu einem globalen Phänomen.

"Extinction Rebellion" blockiert in London die StraßeGetty

2021: Der größte Anstieg von CO2-Emissionen bisher

Die explosive Mischung der Umstände unserer krisengebeutelten Zeit hat Beobachtern zufolge der Klimaschutzbewegung einen zunehmend militanten Anstrich gegeben. Was im Jahr 2020 folgte – die Corona-Pandemie – hat ebenso Öl ins Feuer der Radikalisierung mancher Klima-Aktivisten gegossen wie der Krieg in der Ukraine und die Debatte um die Sanktionierungen von Russland mitsamt der Abkehr von Öl und Gas.

Die Gruppe "Ende Gelände" flutete Tagebau den Tagebau Garzweiler mit Aktivisten.Foto von David Speier/NurPhoto via Getty Images
Kohlekraftgegner blockieren in der Nähe von Neurath, Deutschland, die Bahngleise bei einem Versuch, den Betrieb des Bergwerks zu stören.Sascha Schuermann/Getty Images

Und es wird nicht besser: Im Jahr 2021 wurde der größten Anstieg von CO2-Emissionen in der Geschichte der Menschheit verzeichnet, wie der “Spiegel” berichtet. Einer der Hauptverursacher dieses Emissionsrekords ist die Kohle. Und auch wenn es immer wieder heißt, dass ihr Ende gekommen ist, brennt sie von China bis Brüssel weiter lichterloh. Der größte Kohleverbrenner in Europa ist übrigens unser Nachbar: Deutschland.

Der Wunschtraum von der Abkehr von fossilen Brennstoffen ist geplatzt

Und der Weg weg von fossilen Brennstoffen scheint trotz des Kriegs in der Ukraine und allen Bemühungen zuvor, mit E-Mobilität und Co. weg von Öl und Gas zu kommen, in weite Ferne gerückt zu sein. Ölunternehmen haben erstaunliche Gewinne erzielt, neue Investitionen sind unausweichlich: es kommen mehr Bohrinseln, mehr Plattformen, mehr Terminals, mehr Pipelines. Und das erhitzt die Gemüter von Klimaschützern (und nicht nur ihre) weiterhin.

Zusammenstoß mit der Polizei beim Protest gegen den Tagebau Garzweiler am 22. Juni 2019David Speier/NurPhoto via Getty Images

Der Ölriese Saudi Aramco hat Apple als wertvollstes Unternehmen vom Thron gestoßen – die Spirale dreht sich weiter. Auch die Spirale der Radikalisierung von Klimaaktivisten. Es werden Häuser besetzt, Menschen treten in wochenlange Hungerstreiks bis sie auf offener Straße kollabieren und blockieren ganze Plätze und Straßen mit unangemeldeten Streiks. Diese wieder aufzulösen kostet Hilfskräfte viel Zeit und Nerven, vor allem wenn sich die Aktivisten mit Kleber direkt am Boden festkleben. Auch in Wien kam es erst in der vergangenen Woche sowie am Samstag zu derartigen Streiks, einmal von einer bekannten Aktivistin, am Samstag von mehreren Mitgliedern von “Extinction Rebellion”. (der eXXpress berichtete). Mega-Stau und mehrere Festnahmen waren die Folge.

Klimaaktivisten wollen immer "mehr" tun

Und es wird nicht das letzte Mal gewesen sein: Nachdem die Kraftstoffindustrie weiter floriert und einig wenige sehr viel Kapital aus ihr schlagen und von den großen Plänen nichts weiter übrig. Die Politik und die Wirtschaft geben weiter “leere Versprechungen”, so die Auffassung vieler Klimaschützer – und folgern daraus nur eine Sache: “Wir haben noch nicht genug getan. Wir müssen handeln. Jetzt.”

Polizeibeamte und Klimaaktivisten geraten während einer Massenaktion zur Blockade des riesigen Kohletagebaus Garzweiler am 26. September 2020 in Keyenberg aneinander.INA FASSBENDER/AFP via Getty Images

Die Spirale wird zu einem Domino-Effekt, und schließlich werden auch Klima-Demonstrationen teils nicht mehr zu friedlichen Protesten, sondern mehr und mehr zu aggressiveren Forderungen die mehr Aufmerksamkeit aber auch mehr Verhaftungen nach sich ziehen. Wohin sich dies entwickelt, ist “anyone’s guess”, wie englischsprachige Menschen zu sagen pflegen. Man kann es sich denken – aber ob man es sich vorstellen möchte, ist eine andere Frage.