Der Regierung in Kiew zufolge soll dieses Gesetz die ukrainische Gesetzgebung mit dem EU-Recht in Einklang bringen und überdies russische Propaganda bekämpfen. Journalistenverbände in der Ukraine und in Europa sehen anders. Hier geht es um Zensur, die den europäischen Werten diametral widerspricht, warnen sie schon seit Monaten. Kiew hätte demnach in puncto europäische Werte einiges an Nachholbedarf – und sich mit dem neuen Mediengesetz noch weiter von ihnen entfernt.

Neue Befugnisse für nationale Medienaufsicht

Eine Medienreform gehört zu den Bedingungen der EU, um Verhandlungen über den EU-Beitritt der Ukraine zu beginnen. Die EU verlangte, dass die Ukraine ein Gesetz verabschiedet, um den Einfluss von Interessengruppen auf die Medien zu bekämpfen.

Das Gesetz, das Selenskyj kurz vor dem Jahreswechsel unterzeichnet hatte, will das angeblich berücksichtigen, weitet aber in Wahrheit die Befugnisse der nationalen Medienaufsichtsbehörde drastisch aus. Die Behörde kann demnach Nachrichtenseiten, die nicht offiziell als Medien registriert sind, ohne Gerichtsbeschluss schließen.

„Ein solcher Staat hat keinen Platz in der EU“

Im Juli forderte der Europäische Journalistenverband die ukrainischen Behörden auf, den Entwurf des Mediengesetzes zurückzuziehen. Das Gesetz enthalte „viele Bestimmungen, die den europäischen Werten zuwiderlaufen“. Der Verband warnt: Das Gesetz „schlägt vor, der nationalen Regulierungsbehörde, dem Nationalen Rundfunkrat, willkürliche und unverhältnismäßige Regulierungsbefugnisse zu erteilen, die nicht nur für audiovisuelle Medien, sondern auch für Print- und digitale Medien gelten sollen“.

Generalsekretär des Verbandes Ricardo Gutierrez legte nach: „Die im Gesetzentwurf vorgesehene Zwangsregulierung in den Händen einer vollständig von der Regierung kontrollierten Regulierungsbehörde ist den schlimmsten autoritären Regimen würdig. Sie muss zurückgenommen werden. Ein Staat, der solche Bestimmungen anwendet, hat einfach keinen Platz in der Europäischen Union.“ Korrekterweise müsste die Medienregulierung „von einer von der Regierung unabhängigen Stelle durchgeführt werden, und ihr Ziel sollte die Unabhängigkeit der Medien sein, nicht die Medienkontrolle.“

Gewerkschaft: Wirft „Schatten eines Diktators“ auf Selenskyj

Das Komitee zum Schutz von Journalisten erklärte im Juli, dass das Gesetz „die Pressefreiheit im Lande einzuschränken droht und es von den Standards der Europäischen Union entfernen wird“.

Noch deutlicher wurde im September der Nationale Journalistenverband der Ukraine: Das Gesetz sei „die größte Bedrohung für die Meinungsfreiheit in der unabhängigen Geschichte der Ukraine“. Die Gewerkschaft fügte hinzu, dass die Verabschiedung des Gesetzes „den Schatten eines Diktators“ auf Selenskyj werfen könnte.

Nach Angaben des ukrainischen Instituts für Masseninformation wird die Medienaufsichtsbehörde nach dem Gesetz wahrscheinlich von den amtierenden Behörden kontrolliert, da ihre Mitglieder von Selenskyj und dem ukrainischen Parlament ernannt werden, in dem seine Partei die absolute Mehrheit hat.