Dass sich die Welt in einem dritten Weltkrieg befindet, hat Franziskus bereits vor einigen Jahren angedeutet. Daran erinnert er im Interview: „Vor ein paar Jahren kam mir der Gedanke, dass wir einen dritten Weltkrieg erleben, der stückweise geführt wird. Heute ist für mich der dritte Weltkrieg ausgebrochen. Das sollte uns zu denken geben.“

Klagend fragt das katholische Oberhaupt: „Was ist mit der Menschheit geschehen, die in einem Jahrhundert drei Weltkriege erlebt hat?“ Dies sei „eine Katastrophe“. Hinzu käme all der „Waffenhandel“.

„Hier gibt es nicht die metaphysischen Guten und Bösen“

Zwar seien die Taten der russischen Truppen ungeheuerlich, allerdings solle man nicht das Drama dahinter sehen, das den Krieg erst ausgelöst hat. „Was wir sehen, ist die Brutalität und Grausamkeit, mit der dieser Krieg durch die von den Russen eingesetzten Truppen, in der Regel Söldner, geführt wird. In Wirklichkeit ziehen es die Russen vor, Tschetschenen, Syrer und Söldner nach vorne zu schicken. Aber die Gefahr ist, dass wir nur das sehen, was ungeheuerlich ist, und das ganze Drama übersehen, das sich hinter diesem Krieg abspielt, der vielleicht irgendwie entweder provoziert oder nicht verhindert wurde.“

Oft denke man in  Gut und Böse, so wie in Märchen: „Rotkäppchen war gut und der Wolf war der Bösewicht. Hier gibt es keine metaphysischen Guten und Bösen im Abstrakten. Es entsteht etwas Globales, mit Elementen, die eng miteinander verwoben sind.“

Die Russen haben sich „verkalkuliert“

Mancher werde jetzt vielleicht sagen: „Sie sind für Putin! Nein, das bin ich nicht. So etwas zu sagen, wäre vereinfachend und falsch. Ich bin einfach dagegen, eine komplexe Situation in eine Unterscheidung zwischen Guten und Bösen zu verwandeln, ohne die Wurzeln und Eigeninteressen zu berücksichtigen, die sehr komplex sind. Während wir die Grausamkeit und Grausamkeit der russischen Truppen beobachten, sollten wir die Probleme nicht vergessen und versuchen, sie zu lösen.“

Es stimme auch, dass die Russen dachten, alles werde in einer Woche vorbei sein. „Aber sie haben sich verkalkuliert. Sie haben ein tapferes Volk vorgefunden, ein Volk, das ums Überleben kämpft und eine konfliktreiche Geschichte hat.“

Die Zeichen der Zeit erkennen

Ein paar Monate vor Kriegsbeginn habe Franziskus einen Staatschef getroffenen, “einen weisen Mann”, und der habe ihn bereits vor der Invasion gewarnt: “Er sei sehr besorgt über das Verhalten der NATO. Ich fragte ihn, warum, und er sagte: ‘Sie bellen vor den Toren Russlands. Und sie verstehen nicht, dass die Russen imperial sind und keiner fremden Macht erlauben, sich ihnen zu nähern.’ Er schloss: ‘Die Situation könnte zu einem Krieg führen.'” Jenes Staatsoberhaupt habe “die Zeichen der Zeit erkannt”.