Die Babyhändchen-Fotos des kleinen Konstantin schafften rekordverdächtige 173.000 Likes auf Facebook, noch einmal surfte der Politikprofi auf einer Welle der Sympathie Richtung Politik-Exit: Donnerstag kam dann der Rücktritt auch als Klubobmann, der eXXpress berichtete als erstes Medium von diesem Schritt des ÖVP-Chefs.

Doch was steckt wirklich hinter dem Rückzug des jungen fleißigen Machtmenschen, der in nur 55 Tagen mit einer beachtlichen Größe vom Kreisky-Zimmer im Bundeskanzleramt in ein Kinderzimmer wechselte?

Der Vollblut-Politiker will von Politik plötzlich nichts mehr wissen

Natürlich halten alle Polit-Insider, mit denen der eXXpress über die wahren Gründe für den Rückzug des Ex-Kanzlers aus der Politik gesprochen haben, dessen Begründung, mehr für die Familie da zu sein, für glaubhaft. “Aber da muss es schon noch etwas anderes gegeben haben, dass ein Vollblut-Politiker wie Sebastian plötzlich aussteigt”, sagt dazu ein bekannter Politikberater, der namentlich nicht genannt werden will.

Und diese vier Gründe werden aktuell bei einem Rundruf des eXXpress in der Wiener Politik- und Medien-Blase als wahre Motive für den Kurz-Abgang genannt:

Die am häufigsten genannte These: Der nunmehrige Ex-ÖVP-Chef musste täglich befürchten, dass von den 300.000 WhatsApp- und SMS-Nachrichten auf der beim Ex-ÖBAG-Vorstand Thomas Schmid sichergestellten Festplatte wieder weitere Chats an Medien gespielt werden. Und es wäre dann auch egal, ob das von ihm Geschriebene absolut harmlos wäre: Der dann mit zusammengestellten Text-Schnipsel erneut konstruierte Skandal hätte Kurz jeden Handlungsspielraum genommen, die ÖVP erneut belastet – er hätte unter Druck gehen müssen. Eine derart unangenehme Situation wollte der Polit-Profi mit Sicherheit vermeiden.

Vier Thesen zu den Gründen des Rückzugs

These Nummer 2: Sebastian Kurz könnte erfahren haben, dass die Aussagen der Meinungsforscherin Sabine Beinschab vor der WKStA wesentlich belastender waren, als bisher angenommen werden konnte – und damit in der Inseraten-Umfrage-Affäre schon bald ein Strafantrag gestellt werden könnte, also eine Anklage droht. Auch in diesem Fall war es für Kurz besser, so rasch wie möglich aus der Politik auszusteigen, um nicht auch plötzlich eine Stimmung in der Partei gegen sich zu haben.

These Nummer 3: Die durchaus einflussreichen Landeshauptleute und die Landeshauptfrau, von denen manche in den vergangenen Jahren nicht immer sehr nett von Sebastian Kurz behandelt worden sind, hätten die Situation mit einem eher passiven Kanzler und einem Schattenkanzler nicht wirklich toll bewertet. Die Annahme ist realistisch, dass der junge Ex-ÖVP-Chef mit seinem Rücktritt einer Demontage auf offener Bühne zuvorkommen wollte.

Sebastian Kurz mit seiner Lebensgefährtin Susanne.

War auch Sebastian Kurz irgendwann "Zielperson"?

Und sollte These 4 tatsächlich der Wahrheit entsprechen, hätte Österreich auch in Zukunft ein demokratiepolitisches Problem: So deuten Politik-Insider im Gespräch mit dem eXXpress an, dass Sebastian Kurz auch von einer Gruppe unter Druck gesetzt worden sein könnte, die vielleicht auch hinter der Planung des bekannten Ibiza-Video-Projekts stehen könnte.

“Da ist doch in der jüngeren Vergangenheit auch viel zu viel in Richtung ÖVP passiert”, spielt da ein eXXpress-Informant auf den Hacker-Angriff auf die ÖVP-Zentrale im September 2019 an. Und der Ex-Kanzler hatte als Staatssekretär und Außenminister viele Abende in bekannten In-Lokalen verbracht: War auch er irgendwann “Zielperson” jener jungen Frauen einer gewissen Wiener Clique, die ab 2016 plötzlich im Leben von Heinz-Christian Strache und seines Klubobmanns Johann Gudenus aufgetaucht sind? Wie berichtet, hat die Soko Ibiza im Bundeskriminalamt einen kompletten “Einsatzbericht” einer der Venusfallen vom 12. November 2016 – sie waren in einem Nachtclub in der Wiener City auf ein prominentes Opfer angesetzt.

Bleibt zu hoffen, dass sich diese These nie bestätigt: Denn wem es zweimal gelingt, die höchsten Vertreter des Staates mit undemokratischen Mitteln aus ihren Ämtern zu beseitigen, der wird das auch noch öfter nach diesem Modus versuchen.

Comeback? "Möglich, wenn nichts im Dunkeln bleibt"

“Sebastian Kurz ist zu wünschen, dass es ihm tatsächlich allein darum ging, mehr Zeit mit der Familie zu verbringen und auch einen tollen Job in der Privatwirtschaft anzutreten. Ohne, dass auch nur irgendwie auf ihn Druck ausgeübt worden ist”, sagt ein Politikberater, der auch ein Comeback von Sebastian Kurz für “sehr gut möglich” hält. Zusatz: “Aber nur, wenn wirklich nichts im Dunkeln geblieben ist.”

International ausgezeichnete Kontakte: Sebastian Kurz hier mit Arnold Schwarzenegger