Es ist wohl eine der, wenn nicht gar DIE Gretchenfrage der Stunde: Wie viel Gas haben wir wirklich noch zur Verfügung? Denn während bei unseren Nachbarn in Deutschland bereits Alarmstimmung herrscht und der Notfallplan ausgepackt wurde, versichern uns Umwelt- und Klimaministerin Leonore Gewessler, OMV und Co. in entspanntem Ton, dass die Gasversorgung im Land “sichergestellt” sei.

9,25 Terawattstunden Gas für uns eingelagert - in einem einzigen Wintermonat verbrauchen wir aber 12 Terawattstunden.

Tatsächlich lässt auch ein vergleichender Blick auf die Speicherfüllstände in Europa Österreich (den durch Russlands Drosselung bereits eher desolaten Umständen entsprechend) als “gut versorgt” dastehen. So gesehen steht nur Lettland “praller” da als wir – doch der Schein trügt auch.

Doch zuerst zum Status Quo: Der Füllstand der Erdgasspeicher in Österreich ist, offiziellen Angaben zufolge, in den vergangenen zehn Tagen um knapp 5,2 Prozent gefallen, und zwar von 64 auf 58,8 Prozent der möglichen Gesamtspeicherkapazität (Stand vom 27. Juni 2022). Das entspricht einem Stand von knapp 36,9 TWh Erdgas.

Diese Werte lassen sich allerdings nicht 1:1 auf jenen Wert umlegen, der heimischen Verbrauchern auch tatsächlich zur Verfügung steht – für Österreicher ist bisher nämlich nur ein Viertel dieser Menge reserviert, wie die “Presse” berichtet.

Lediglich 9,25 Terawattstunden sind also für uns eingelagert. Dazu sollte jeder Österreicher wissen: In einem einzigen Wintermonat werden in unserem Land aber 12 (!) Terawattstunden verbraucht, in einem Sommermonat lediglich vier bis fünf.

Österreich im EU-Speichervergleich auf Platz Zwei

Auch die tatsächlichen Werte liegen “Presse”-Informationen nach zufolge etwas anders: Demnach liegt Österreich im Europa-Vergleich der Gasspeicher-Füllstände zwar auf einem soliden 2. Platz, doch zeigt der Stand vom heutigen Dienstag an, dass derzeit 43,3 Prozent des Jahresgasbedarfs in heimischen Speichern eingelagert seien.

Zum Vergleich: Nur Lettland hat mit 78,2 Prozent mehr, während unsere Nachbarn in Deutschland lediglich 14,6 Prozent ihres Jahresverbrauchs eingelagert haben.

Allerdings: Derzeit sind laut “Presse”-Recherchen nämlich nur zehn Prozent der Speicher mit Gas befüllt, das tatsächlich direkt für österreichische Endverbraucher gedacht und auch derart gelabelt ist. Dies umfasse private Haushalte wie Betriebe und ist bei der E-Control gemeldet werden.

Energieversorger, produzierende Unternehmen und das Ausland haben einen Teil...

Doch wenn uns – Endverbrauchern und Betrieben – nur 10 Prozent der Gasspeicherstände zur Verfügung stehen, wem gehört dann der Rest? Die Antwort darauf lautet: der Großteil gehört Energieversorgern. Sie haben das Gros des Gases für ihre Kunden eingelagert. Für alle Österreicher wären so zumindest 25 % des eingelagerten Gases oder 9,25 Terawattstunden vorhanden.

Über einen kleineren Teil halten produzierende Unternehmen, wie etwa die Voest, ihre Hand. Das oberösterreichische Stahlwerk vermeldete erst kürzlich, dass es für sich selbst vorgesorgt hätte und Gas zugekauft hatte (der eXXpress berichtete). Ein kluger Schritt, denn: gasintensive Produktion, die – Stichwort – “nicht systemrelevant” ist, wird nach dem Notfallplan der Regierung als Erstes reduziert und schließlich komplett abgeschaltet.

Und dann wären da noch jene 30 Prozent, die dem benachbarten Ausland gehören: Deutschland etwa lagert in Speichern in Salzburg und Oberösterreich ein. Slowenien besitzt gar keine eigenen Speicher und hat sich in Österreich eingemietet. Österreichische Unternehmen lagern andererseits auch in der Slowakei ein.

...aber Gashändler halten den größten Teil unseres Gases

Der größte Anteil des derzeit gelagerten Gases gehört aber Gashändlern. Vor allem der OMV-Speicher ist gut gefüllt – prinzipiell sollten das gute Nachrichten sein. Immerhin ist die OMV teilstaatlich, dazu wird Speichergas gern ortsnahe verkauft. Allerdings gibt es für die OMV im Fall der Fälle keine gesetzliche Verpflichtung zur Energieversorgung Österreichs.

Das privatwirtschaftlich organisierte Unternehmen ist vor allem sich selbst und seinem Profit verpflichtet. Dazu gehört auch, an den Bestbietenden zu verkaufen. Verzichtet das Unternehmen freiwillig auf Geld, kann das sogar strafrechtlich relevant sein. Der Untreueverdacht ist nicht mehr weit. An wen das Gas geht, bestimmt also der Markt – zumindest so lang, bis der Staat die Notbremse zieht.