Dass Hausdurchsuchungen stattfinden würden, war schon bekannt – die Dimension dieses neuen Falls jedoch bei weitem nicht. So hat die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKSta) auf dem Mobiltelefon des Ex-ÖBAG-Chefs Thomas Schmid Chats entdeckt, deren Veröffentlichung nun für ein mittelschweres Erdbeben in der österreichischen Innenpolitik und Medienlandschaft sorgt:

So schreiben Schmid und Mitarbeiter im engeren Umfeld des damaligen Ministers Sebastian Kurz sowie Mitarbeiterinnen eines Meinungsforschungsinstituts im Jahr 2016 bis 2017, wie sie Umfragen über das Finanzministerium abrechnen. Der Vorwurf der Justiz: Für den jetzigen Kanzler gute, speziell bestellte Umfragen, die dann in der Tageszeitung Österreich veröffentlicht worden seien, wurden mit Steuergeld finanziert, das für ganz andere Zwecke bestimmt war – wie etwa eine Aufklärungskampagne über Steuerbetrug.

Vorwürfe der Untreue, Bestechung, Bestechlichkeit

Der Vorwurf der Justiz (für alle Tatverdächtigen gilt die Unschuldsvermutung) wiegt schwer – in der Anordnung der Hausdurchsuchungen in der ÖVP-Zentrale in der Lichtenfelsgasse, im Bundeskanzleramt, im Finanzministerium und offenbar auch bei den Chefs der Tageszeitung Österreich wird exakt aufgelistet, welche Straftaten den Beschuldigten vorgeworfen wird: Es geht um Untreue, Bestechung, Bestechlichkeit.

Auch gegen den Bundeskanzler selbst wird wegen § 153 Abs 1 und 3 zweiter Fall StGB als Beteiligter nach § 12 zweiter Fall StGB ermittelt – auch bei ihm erhebt die Justiz den Verdacht der Beihilfe zur Untreue und Bestechlichkeit. Bei einer Verurteilung drohen bis zu zehn Jahre Haft – das ist eine Dimension, die an den Fall Grasser erinnert.

"Ich erkläre dir das persönlich."

Die Chats des Thomas Schmid sind tatsächlich überraschend in ihrer Formulierung. Der SMS-Verkehr der die Gruppe um Schmid, aber auch die Meinungsforscher und die beiden Zeitungs-Bosse am meisten belastet:

Die Meinungsforscherin schrieb am 17. August 2017 um 16.30 Uhr an Thomas Schmid, den damaligen Generalsekretär im Finanzministerium:

“Hi! Kann ich die letzten beiden Wellen (Anm.: der Umfragen) abrechnen? Und: Gib noch Bescheid, was wir mit den restlichen Fragen machen.”

Thomas Schmid antwortete knapp drei Stunden später um 19.25 Uhr:

“Die Kosten für die offenen packst du dann in die Studie zur Betrugsbekämpfung rein.”

Darauf kommt die Nachfrage:

“Du meinst Betrugsbekämpfung + die drei Wellen eine Rechnung?”

Dazu Schmid:

“Ich erkläre dir das nach meiner Rückkehr persönlich.”

Dieser Chat im SMS-Fundus von Thomas Schmid belastet die Gruppe der Tatverdächtigen am meisten.

Für den Bundeskanzler wird heute, Donnerstag, entscheidend sein, wie sich die Grünen verhalten: Der Koalitionspartner möchte heute mitteilen, ob eine Regierungsarbeit mit der ÖVP fortgesetzt wird – oder nicht. Der Druck der grünen Basis soll jedoch groß sein, die Koalition zu verlassen. Dann folgen Neuwahlen, auf die weder die Grünen, noch die SPÖ besonders gut vorbereitet wären.