“Es bleibt ein Gefühl des großen politischen Betrugs – sind wir wirklich derart heftig reingelegt worden?”, fragt eine Kollegin im eXXpress-Newsroom bei der ersten Durchsicht der ganzen sieben Video-Stunden, die nun der Redaktion zugespielt worden sind. Tatsächlich überrascht der Inhalt: Im Vergleich zum wenige Minuten dauernden Zusammenschnitt, den die “Süddeutsche Zeitung” und der “Spiegel” am 17. Mai 2019 mit extrem lauter Begleitmusik österreichischer Medien veröffentlicht haben, wirkt das Video in seiner Gesamtheit wie ein miserabel inszeniertes Stück einer nervösen Laienschauspiel-Truppe.

Hier die ersten neuen Szenen aus dem Ibiza-Video:

Zu oft, zu direkt wird immer wieder das Gleiche gefragt: Zum Kauf der “Kronen Zeitung” etwa. Dabei wird Strache auch bewusst angelogen: So übersetzt Johann Gudenus den Monolog des Lockvogels so , dass “alles sehr konkret ist”, dass die falsche Oligarchin die 50-Prozent-Anteile kaufen wird. Und der Privatdetektiv sagt zu Strache: “Sie kauft’s.” Keine Rede ist davon, dass der Ex-FPÖ-Chef selbst irgendwann Anteile der Zeitung kaufen wollte.

Oder die angebliche Aussage Straches, dass er “das österreichische Trinkwasser verkaufen” wollte: Jeder kann sich jetzt die Video-Stelle genau ansehen und hört dabei, was der Politiker tatsächlich gesagt hat: “Die Wasser-Geschichte kann nur so laufen – ganz klar – dass wir als Staat unser weißes Gold auf einer staatlichen Ebene führen.”

Strache: "Peinlich - aber es zeigt: Ich bin nicht korrupt."

“Sehr gut, dass wir uns bei euch diese sieben Stunden Video-Material anschauen können”, sagte Heinz-Christian Strache, als ihn der eXXpress jetzt mit sämtlichen Szenen konfrontiert hat. Auch mit dem bekannten “Novomatic zahlt alle”-Sager, der ja auch zu Ermittlungen der Staatsanwaltschaft geführt hat: “Ich spreche klar davon, wie es die anderen Parteien machen, aber ich nicht. Mit mir hat es so etwas nicht gegeben. Das sieht jetzt jeder.” Ja, das Video sei “peinlich”, sagt Strache. Allerdings hätte er “immer wieder alle Korruptionsfantasien zurückgewiesen”. Sein Fazit: “Natürlich hätte ich viel früher gehen müssen. Aber die Schlagzeile hätte trotz allem im Mai 2019 lauten sollen: ,Video-Beleg: Strache ist nicht korrupt.'”

Bei der Durchsicht der vielen Passagen des ganzen Ibiza-Videos fallen noch weitere Sequenzen auf, die offenbar bewusst 2019 den Österreichern vorenthalten worden sind. Immer wieder verschwinden auch Tajana Gudenus und die “Oligarchin” gemeinsam aus dem Finca-Wohnzimmer, dann wieder Detektiv H. und sein Lockvogel.

Ebenso haben die “Süddeutsche Zeitung”, der “Spiegel” und die Regionalwochenzeitung “Falter” lange Video-Passagen über den verstorbenen Herausgeber der “Kronen Zeitung” und über einen Kolumnisten der “Kronen Zeitung” nicht gezeigt und in ihren Berichten nicht erwähnt – obwohl der “Krone”- Kolumnist, der angeblich eine politische Karriere angestrebt hat, von Strache im Video belastet wird (dem eXXpress liegt der gesamte Wortlaut dazu vor). Wer bei der “SZ” oder beim “Spiegel” oder beim “Falter” hatte Interesse daran, dass kein Wort über diesen mutmaßlichen Politskandal um gewünschte Millionenzahlungen im Film auftaucht?

Ebenfalls wurde von den deutschen Journalisten nicht gezeigt, dass sich Strache beim Gespräch auf der Finca-Terrasse klar gegen Antisemitismus aussprach. Er sagt im Video: “Grundsätzlich hört sich bei Antisemitismus alles auf.”

Schlüsselszene des Videos in der Finca-Küche vorenthalten

Komplett weggelassen worden ist bei der im Mai 2019 präsentierten Mini-Version, wie Ex-FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus minutenlang in der Küche der Finca mit der “Oligarchin” spricht. Der für den eXXpress übersetzende Russisch-Dolmetsch sagt dazu: “Gudenus behauptet in dieser Konversation, er hätte die ,Oligarchin’ gegoogelt, er zeigt das auch pantomimisch. Er hätte sich ihren ,Pass angesehen’ und setzt sie so unter Druck. Sie lächelt verlegen, redet wirr.” Dann verlassen beide wieder die Küche, doch Gudenus sagt bei Strache kein Wort über seinen offensichtlichen Verdacht.

Der Russisch-Dolmetsch zeigt sich auch verwundert, dass Gudenus “das grammatikalisch schlechte Russisch” der “Oligarchin” nicht aufgefallen ist: “Die Frau spricht wie ein Kind, oder eine Person ohne höherer Schuldbildung. Oder wie wenn sie Russisch irgendwann als Zweitsprache hatte, aber lange nicht gesprochen hat. Sie macht beim Sprechen schlimme Grammatik-Fehler.”

Kannten sich die "Oligarchin" und der Detektiv besser?

Absolut neu sind auch die Video-Bilder von den Vorbereitungen des Abends in der Finca im Juli 2017: So stellt sich der Ibiza-Detektiv beim Einkühlen der Weinflaschen in Unterhose vor die Kameras, die er bereits versteckt und aktiviert hat. Und auch der Lockvogel tappt nackt in die Video-Falle. Diese Szenen sind deshalb wichtig, weil sie einen Verdacht erhärten: Der Detektiv und die Darstellerin der “Oligarchin” waren sich nicht fremd – und deshalb stellt sich einmal mehr die Frage, warum das Bundeskriminalamt nicht fähig oder gewillt ist, diese Zeugin und mögliche Tatverdächtige festzunehmen.

Morgen sehen Sie: Das verdächtige Gespräch in der Küche der Finca, in voller Länge mit der kompletten Übersetzung. Wurde dieser Video-Teil verheimlicht, weil die Sequenz Gudenus belasten könnte?

Platzte auch in die bereits laufende Video-Aufnahme: die "Oligarchin".

Mit den neuen Video-Passagen - bewegt sich das Pendel zugunsten Straches?