Bisher verhielt sich Alexander Schallenberg stets loyal gegenüber Sebastian Kurz. Schon als der jetzige ÖVP-Klubobmann Außenminister war, beriet ihn Schallenberg als Chefstratege. Dass sich an seiner loyalen Haltung nun etwas ändern sollte, dass Schallenberg als Bundeskanzler etwa Ambitionen entwickeln könnte, um Sebastian Kurz auszutricksen und sich auf dessen Kosten zu behaupten, scheint nicht seinem Naturell zu entsprechen – schon gar nicht mit Blick auf seine aristokratischen Ahnen. Denn die Schallenbergs standen schon oft im Dienste von Herrschern, gerade dann, wenn es für diese brenzlig wurde, und die  Schwierigkeiten elegant gelöst werden mussten. Kurz hätte – so scheint es – in dieser Hinsicht kaum eine bessere Wahl treffen können.

Stütze gegen die Osmanen, Vermittler zu den Protestanten

Bis heute bekannt ist Christoph von Schallenberg (1561 bis 1597), der zunächst für die Verköstigung am Wiener Hof verantwortlich war. Doch 1594 wurde er Regent der niederösterreichischen Lande und musste in diesem politischen Amt erstmals für Ausgleich sorgen. Vor allem aber war Christoph von Schallenberg darüber hinaus auch noch Kommandant der Donauflotte. Hier galt es im Dauerkrieg mit den Osmanen “die Türken fern und den Kaiser im Amt zu halten”, wie der deutsche Verleger Wolfram Weimer treffend bemerkt. Nebenbei schrieb dieser erste prominente Schallenberg auch Spottgedichte auf Deutsch und Latein, sie sind in der Originalhandschrift noch heute erhalten.

Vermittelnd wirkte auch dessen Sohn Georg Christoph von Schallenberg (1593 bis 1657) – unter anderem zwischen den damals verfeindeten Konfessionen. Der Oberstproviantmeister am kaiserlichen Hof und Oberstkommissar in Oberösterreich war nämlich als Protestant zum Katholizismus konvertiert. Da er aber so wie sein Vater eine dichterische Ader hatte, nützte er diese, um versöhnliche Liebesgedichte und diplomatische Brückenbauertexte zu verfassen. 1656 wurde er er in den Reichsfreiherrenstand erhoben.

Netzwerken mit Frankreich, den Freimaurern und Mozart

Berühmt bis heute ist Graf Leopold Schallenberg (1712 bis 1800), der es bis zum Obersthofstabelmeister brachte und damit als eine Art Zeremonienmeister am Hof der Kaiserin Maria Theresia diente. Seine Tätigkeit fiel in eine für Österreich besonders bedeutsame Zeit – immerhin wurden zahlreiche Reformen unter Maria Theresia durchgeführt. Er nützte sie um die diplomatischen Beziehungen bis nach Frankreich auszubauen. Mit Kaiser Franz Stephan – dem Ehemann Maria Theresias – war er über das Freimaurertum verbunden, das damals eigentlich verboten war. Das änderte freilich nichts daran, dass wichtiger Berater der Kaiserin ihm angehörten.

Graf Leopold Schallenberg erbte 1720 das Schloss Rosenau im Waldviertel, das er ab 1736 nach den Plänen des Barockbaumeisters Joseph Munggenast großzügig ausbauen ließ. Im Schloss richtete er 1747 die erste Freimaurer-Loge Kontinentaleuropas ein, die auch Wolfgang Amadeus Mozart auf dem Weg von Wien nach Prag besuchte. Heute befindet sich hier ein Freimaurermuseum samt ältestem noch verwendeten Freimaurer-Tempel Mitteleuropas.

1945: Hilfe bei der Massenflucht nach Österreich

Der Großvater des neuen Bundeskanzlers war Industrieller und Legationsrat. Ihm wurde eine wichtige Mission unmittelbar nach Endes des Zweiten Weltkriegs zuteil: Herbert Schallenberg betreute damals die Wiedereröffnung der österreichischen Vertretung in Prag. Bereits am 12. Mai 1945, nur vier Tage nach Kriegsende, beschloss die tschechoslowakische Regierung, das vormals genutzte Gebäude für eine österreichische Vertretung bereitzustellen. Zunächst diente es tausenden Österreichern, die zurück in ihrer Heimat wollten, als provisorische Unterkunft, ebenso wie das der Botschaft gegenüber liegenden Schulgebäude.

Allexander Schallenberg ist mit den Geschicken der Diplomatie von kleinauf vertraut. Sein Vater Wolfgang Schallenberg (Jahrgang 1930) – war Generalsekretär im Außenministerium (1992 bis 1996) und Botschafter in Indien, Spanien sowie Frankreich, wo der jetzige Bundeskanzler auch aufwuchs.

Seine Ahnenreihe kann Schallenberg weit zurückverfolgen. Erstmals urkundlich erwähnt werden die Schallenbergs im Jahr 1190 – damals allerdings noch unter dem Namen De Sancto Ulrico. Erst später nannten sie sich nach der Burg Schallenberg. Sie existiert heute nur noch als Ruine. Sie war 1260 in den Besitz der Familie gelangt, wurde aber schon im Jahr 1440 von den reformatorischen Hussiten aus Protest gegen die katholische Kirche zerstört.