Der französische Serienmörder Charles Sobhraj, genannt „Die Schlange“, wurde von den nepalesischen Behörden ausgewiesen. Zuvor hatte er eine 20-jährige Haft abgesessen wegen des Mordes an zwei nordamerikanischen Touristen. Samstagmorgen kam er in Frankreich an. Der Mann, der in den 1970er Jahren in Asien etwa 20 Morde begangen haben soll, kam mit einem Flugzeug aus Doha (Katar) am Flughafen Roissy Charles-de-Gaulle in Paris an und wurde sofort von der Polizei in Empfang genommen.

Erst vor einem Jahr ist eine neue Netflix-Serie über das atemberaubende Leben des Killers, Betrügers und Diebs erschienen.

„Ich bin unschuldig, okay?“

Charles Sobhraj muss sich in Frankreich einer „Identitätsprüfung“ unterziehen, berichtete eine Quelle am Flughafen. Allerdings werde er in Frankreich „weder gesucht noch verfolgt“. Sobald diese Überprüfungen abgeschlossen seien, könne er den Flughafen verlassen.

Polizisten eskortieren Charles Sobhraj (r.) am 23. Dezember zur Einwanderungsbehörde in Kathmandu.APA/AFP/chandra bahadur ale gorkha

Im Flieger nach Doha, wo sich Sobhraj am Freitagabend im Transit befunden hat, erklärte er: Er sei „unschuldig“ an den ihm zugeschriebenen Verbrechen: „Ich bin in all diesen Fällen unschuldig, okay? (…) Alles wurde auf gefälschten Dokumenten aufgebaut, Ich habe viele Dinge zu erledigen. Ich muss viele Leute vor Gericht bringen, darunter auch den Staat Nepal“.

Anwältin: „Es ist ein Skandal“

Der Richter habe das Urteil gefällt „ohne einen einzigen Zeugen zu befragen und ohne dem Angeklagten zu gestatten, auch nur ein einziges Argument vorzubringen“. Die Gerichte in Nepal und alle Richter seien „voreingenommen“.

Bereits in Indien in Haft: Sobhraj spricht am 11. Februar 1997 hinter einem vergitterten Fenster im Gericht in New Dehli zu Reportern.APA/AFP/Douglas E. CURRAN

„Es hat mehr als 19 Jahre gedauert, bis er seine Freiheit wiedererlangt hat, und ich bin sehr glücklich und schockiert darüber“, erklärte Sobhrajs französische Anwältin Isabelle Coutant-Peyre, die ihn am Flughafen abgeholt hatte, vor der Presse. „Er wurde ungerechtfertigt aufgrund einer Akte verurteilt, die von der nepalesischen Polizei mit gefälschten Unterlagen zusammengestellt wurde. Es ist ein Skandal, er wird als Serienmörder dargestellt, was völlig falsch ist“.

Vorzeitig entlassen wegen Operation am Herzen

Der Oberste Gerichtshof Nepals, der am Mittwoch über Charles Sobhraj Freilassung entschied, begründete die vorzeitige Freilassung mit einer Operation am offenen Herzen, die der betagte Häftling nun benötige. Die Entscheidung stehe im Einklang mit dem nepalesischen Gesetz, das die Freilassung von bettlägerigen Gefangenen, die bereits drei Viertel ihrer Strafe verbüßt haben, zulässt.

Charles Sobhraj verließ am 8. April 1997 das Gericht in Paris.APA/AFP/Jack GUEZ

Der von Polizisten mit kugelsicheren Westen umringte Sobhraj, der eine medizinische Maske trug, gab gegenüber der Menge von Journalisten, die ihn bei seiner Entlassung aus dem Gefängnis erwartete, keine Stellungnahme ab. Vor der Bekanntgabe seiner Überstellung hatte das französische Außenministerium mitgeteilt, dass Frankreich Charles Sobhraj aufnehmen würde, wenn ein Auslieferungsantrag gestellt würde.

Hippies gehörten zu seinen bevorzugten Opfern

Wegen seiner kriminellen Energie, seiner Fähigkeit unterzutauchen und sämtliche Behörden an der Nase herumzuführen, ruft Charles Sobhraj bis heute Abscheu, teils aber auch Faszination herovr. Der französische Staatsbürger mit einer vietnamesischen Mutter und einem indischen Vater begann Anfang der 1970er Jahre die Welt zu bereisen und landete in der thailändischen Hauptstadt Bangkok. Er gab sich als Edelsteinhändler aus und freundete sich mit seinen Opfern an, die oft westliche Rucksacktouristen auf den Spuren der Hippies der 1970er Jahre waren. Dann setzte er sie unter Drogen, und beraubte und ermordete sie schließlich. Im Gegensatz zu anderen Serienmördern war er kein reiner Triebtäter.

1. Juni 2011: Der französische Serienmörder wird nach einer Gerichtsverhandlung in Kathmandu von nepalesischen Polizisten zu einem wartenden Fahrzeug geführt.APA/AFP/Prakash MATHEMA

„Er verachtete die Rucksacktouristen, arme junge Leute, die unter Drogen standen. Er selbst sah sich als kriminellen Helden“, erklärte die australische Journalistin Julie Clarke, die ihn interviewt hatte, im Jahr 2021. Eines seiner Opfer – eine Amerikanerin – wurde 1975 an einem Strand in Thailand entdeckt, bekleidet mit nichts weiter als einem Bikini. Seither wird Sobhraj als „Bikini-Killer“ bezeichnet. In Summe wird er mit mehr als 20 Morden in Verbindung gebracht.

„Zunächst wirkt er kultiviert“

Charles Sobhrajs anderer Spitzname „Die Schlange“ rührt von seiner Fähigkeit her, andere Identitäten anzunehmen, um der Justiz zu entgehen. Er wurde 1976 in Indien verhaftet und verbrachte 21 Jahre im Gefängnis. 1986 gelang ihm ein kurzer Ausbruch, nachdem er die Wärter betäubt hatte. Schließlich wurde er im indischen Bundesstaat Goa festgenommen.

Nach seiner Freilassung 1997 zog er sich nach Paris zurück, tauchte aber 2003 in Nepal wieder auf, wo er in Kathmandu aufgespürt und verhaftet wurde. Im Jahr darauf verurteilte ihn ein Gericht zu lebenslanger Haft wegen der Ermordung der US-Touristin Connie Jo Bronzich im Jahr 1975. Zehn Jahre später wurde er auch des Mordes an Connie Jo Bronzichs kanadischem Lebensgefährten für schuldig befunden.

Nadine Gires, eine Französin, die im selben Gebäude wie Charles Sobhraj in Bangkok lebte, sagte letztes Jahr, dass sie ihn anfangs als „kultiviert“ und beeindruckend empfunden habe. Doch am Ende „war er nicht nur ein Betrüger, ein Verführer und ein Touristendieb, sondern ein teuflischer Mörder“.