“Die Mittel, die Kurz zu Fall bringen sollen, stammen aus dem ersten Spitzelstaat der Welt”, schreibt “Welt”-Autor Joachim Lottmann: “Die Metternich-Typen machen ihren Job. Es war Fürst Metternich, der bekanntermaßen den ersten Spitzel-Staat der Welt schuf, mit einem System maximaler Kommunikationsabschöpfung. Das dafür bereitgestellte Heer von Beamten wurde nicht müde, sich immer neue Methoden auszudenken, um Briefe abzufangen, heimlich zu öffnen, zu kopieren, auszuwerten, zu interpretieren und der Justiz zu übergeben. In dieser Tradition stehen nun wohl die grotesk ausgeweiteten juristischen Aktivitäten unserer Tage. Transmissionsriemen sind dabei die sogenannten U-(Untersuchungs-)Ausschüsse. Dort haben nicht ausgebildete Juristen das Wort, sondern Politiker. Die U-Ausschüsse sind eine beliebte Bühne, um sich politisch zu profilieren, eine Art Burgtheater für geltungssüchtige Parteikader.”

Namentlich erwähnt wird hier Peter Pilz: Er hätte dabei “jahrzehntelang Hunderte von Mitbürgern, meist aus dem anderen politischen Lager, beschuldigt, verleumdet, öffentlich verhört und verhöhnt”.

Harte Kritik an der Vorgangsweise der Justiz

Und die “Welt” thematisiert, was auch bereits im eXXpress oft an dieser “Polit-Justiz” kritisiert worden ist: “Die Beschuldigten wissen auch nach zehn Jahren nicht, ob sie ins Gefängnis müssen. Ihr Leben ist ruiniert – in der Gesellschaft und den Medien gibt es dafür aber kein Problembewusstsein. Noch platter gesagt: Der Österreicher scheint kein Gefühl für Gerechtigkeit zu haben.”

Konkret widmet sich der “Welt”-Autor auch den Anschuldigungen gegen den ÖBAG-Manager Thomas Schmid und den Handy-Beschlagnahmungen. Zitat: “Mit Feuereifer, viel Personal und Zeit extrahierte man aus den Hunderttausenden Datensätzen Verdachtsmomente gegen weitere Personen, was zu weiteren Hausdurchsuchungen und eingesammelten Handys führte. Ein wunderbares Schneeballsystem. Die bisher fetteste Beute ist das Handy des Chefs des größten staatlichen Unternehmens, Thomas Schmid. Die daraus fleißig abgetippten 300.000 Chats, SMS und sonstigen Infos spülten den Ermittlern neue „Verdächtige“, von denen einige sogar zum engsten Zirkel des Kanzlers gehören, in die Akten.”

"Der Mann ist für immer erledigt."

ÖBAG-Manager Thomas Schmid: Opfer von LeaksAPA/HANS PUNZ

Österreichs Justiz kommt bei dieser Analyse der Nachbarn absolut nicht gut weg: “Eine makabre Besonderheit des österreichischen Rechtssystems ist die falsch verstandene Transparenz von Ermittlungen. Alles Ermittelte sickert innerhalb von Stunden durch in die Medien, und zwar frei von jedwedem schlechten Gewissen oder gar Schamgefühl. Kaum war das Handy des besagten Managers sichergestellt, freute sich ganz Wien über die dort gespeicherten pornografischen Fotos.” “Welt”-Autor Joachim Lottmann ist über die Zustände in unserem Land sichtlich erschüttert: “Da WELT keine österreichische Zeitung ist, sondern eine deutsche, gehen wir nicht näher auf die Fotos ein, auf ihren, sagen wir Härtegrad, konstatieren nur: Der Mann ist für immer erledigt. So schlimm das bereits ist, noch schlimmer finde ich, dass alle das normal finden. Die Metternich-Typen haben ihren Job gemacht, ist doch super, was soll daran schlecht sein?”

"Armin Wolf, der schlaue Fuchs" . . .

ORF-Anchor Armin Wolf als Vertreter des "Justemilieu"ORF/Thomas Ramstorfer

Namentliche Erwähnung in dieser Kolumne der “Welt” findet auch der ORF-Mitarbeiter Armin Wolf – er vertrete “wie kein Zweiter das erwähnte Justemilieu”: “Er liest dann seitenweise peinliche Chat-Protokolle aus dem bewussten Handy vor. Die sollen Kurz schlecht aussehen lassen.” Und der “Welt”-Autor nimmt den “ZiB2”-Moderator dann noch auf die Schaufel: “Armin Wolf, der schlaue Fuchs, lässt sich nicht einschüchtern, nicht von den Mächtigen, nicht von den verlogenen Politikern und ihrer korrupten Kaste, zieht sein Ding weiter durch. Die Millionen Facebook- und Twitter-Freunde bejubeln ihn noch während der Sendung. Später fragt er noch gefühlt zehnmal, wann der Kanzler endlich zurücktreten werde. Aber der Kanzler heult nicht. Und wird auch nicht zurücktreten.”

Nur mit einer Aussage hat Joachim Lottmann nicht recht: Dass niemand in Österreich die Vorgangsweise der Ibiza-Video-Bande und alle ihrer Helfer und Finanziers skandalös finde. Der “Welt”-Autor schreibt dazu: “Im Grunde hatte ich schon Ibiza nicht verstanden. Ich fand es unglaublich, was man da mit zwei Leuten gemacht hatte: bespitzelt, in eine Falle gelockt, acht Stunden lang abgefüllt, abgehört, sexuell geködert, mit Drogen manipuliert, mit tausend Fragen dazu gedrängt, etwas Ehrenrühriges, strafrechtlich Verwertbares zu sagen, aufgezeichnet von einem halben Dutzend versteckter Kameras, Kostenaufwand 600.000 Euro.” Korrekterweise muss hier angemerkt werden: Der “einzigartig brutale Eingriff in die Privatsphäre von Bürgern” (Zitat) hat auch in unserem Land ziemlich viele Menschen schockiert.