„Unsere Branche ist einerseits schon seit Ende 2021 in allen Warengruppen mit massiven Preissteigerungen seitens der Lieferanten konfrontiert, die wir gar nicht vollumfänglich an die Konsumentinnen und Konsumenten weitergeben. Wir wollen, dass Lebensmittel leistbar bleiben und versuchen hier vieles abzufedern. Da wir auf der anderen Seite aber auch selbst mit explodierenden Energiekosten insbesondere für die Kühlanlagen kämpfen, sind bereits hunderte Nahversorger in massiver wirtschaftlicher Bedrängnis“, schildert Christian Prauchner, Obmann des Lebensmittelhandels in der WKÖ, die schwierige Situation.

Die kommenden Monate werden entscheidend sein

So beliefen sich die Stromkosten in der Branche bisher auf durchschnittlich rund ein Prozent des Umsatzes. Heute hingegen müssen zahlreiche Nahversorger bereits 3-4 Prozent ihres Umsatzes für Stromkosten aufbringen. „Dies mag im Vergleich zur energieintensiven Industrie wenig erscheinen. Doch die Kosten- und Deckungsbeitragsstruktur ist bei uns eine ganz andere. Der Lebensmittelhandel erwirtschaftet traditionell sehr geringe Umsatzrenditen von rund ein Prozent  des Nettoumsatzes vor Steuern“, rechnet WK Salzburg-Präsident und ADEG-Kaufmann Johann Peter Buchmüller vor.

Auf die Lebensmittelpreise einfach aufschlagen ließen sich diese Mehrkosten aber nicht, betonten die selbstständigen Kaufleute. „Und das Schlimmste steht erst noch bevor. Denn die explodierenden Stromkosten werden in vielen Verträgen erst in den kommenden Wochen und Monaten schlagend, denn ein Ende der Energiekostenspirale ist nicht in Sicht“, so Buchmüller.

Probleme beim Nahversorger am Land bis hin zum Bio-Laden

Derzeit werden mehr als 1600 Geschäftsstandorte in Österreich von selbständigen Kaufleuten betrieben, die über die Handelshäuser ADEG, Nah&Frisch, SPAR, UNIMARKT und Sutterlüty organisiert sind – ein Großteil davon im ländlichen Raum. Gemeinsam beschäftigen diese Kaufleute mehr als 14.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Hinzu kommen mehr als 2.500 unabhängige – das heißt nicht über Handelsorganisationen strukturierte – Lebensmitteleinzelhändler in Österreich, vom Greißler an der Ecke bis zum Bio-Laden. „Diese Lebensmittelmärkte sind nicht nur Orte zum Einkaufen, sondern auch oft soziale Zentren in den Gemeinden, gerade auf dem Land. Wenn es nicht bald zu wirksamen Unterstützungsmaßnahmen kommt, werden viele dieser insgesamt mehr als 4000 selbstständigen Kaufleute für immer schließen. Eine oft über Jahrzehnte hinweg etablierte Nahversorgungsstruktur, die gerade im ländlichen Raum sehr wichtig ist, wäre damit dauerhaft vernichtet“, warnt Prauchner.

Lebensmittelhandel fordert Energiepreisbremse nach deutschem Vorbild

Der von der Bundesregierung am 28. September angekündigte Energiekostenzuschuss für Unternehmen ist aus Sicht des Lebensmittelhandels zwar grundsätzlich zu begrüßen, jedoch weder hinreichend treffsicher noch in seiner Befristung auf den Zeitraum Februar bis September 2022 ausreichend. „Viele Nahversorger erhalten auf dieser Basis entweder gar keine Unterstützung, weil sie die Kriterien nicht erfüllen, oder sie bleiben trotzdem in der Verlustzone. Denn sie müssen erstens die restlichen 70 Prozent der Energiemehrkosten tragen und erhalten den Zuschuss zweitens ja nur bis Ende September. Dabei werden wie erwähnt die steigenden Stromkosten für viele Händler ja erst in den kommenden Wochen und Monaten voll schlagend“, sagt Hannes Wuchterl, Sprecher der Nah & Frisch-Kaufleute.

Um ein drohendes Nahversorger-Sterben in Österreich abzuwenden, braucht es den selbständigen Kaufleuten zufolge für alle Lebensmittelhändler dringend Zugang zu leistbarer Energie. „Wir sprechen uns daher für die zügige Umsetzung einer Strom- und Gaspreisbremse für Unternehmen nach deutschem Vorbild auch in Österreich aus. Wenn Betriebe von vornherein leistbare Preise für Energie bezahlen, ersparen wir uns ein kompliziertes, nachträgliches Zuschussmodell wie aktuell in Österreich, das die Liquiditätssituation insbesondere der kleineren Betriebe völlig außer Acht lässt. Gefragt ist jetzt rasches und entschlossenes Handel seitens der Politik. Für ideologische Grabenkämpfe haben die heimischen Nahversorger angesichts ihrer existenziellen Nöte jedenfalls keinerlei Verständnis“ so Prauchner abschließend.