Biden warnte Putin eindringlich vor einer Invasion und drohte einmal mehr mit schwerwiegenden Konsequenzen. Putin wiederum kritisierte die Haltung des Westens.

Der Kreml beklagte, die Bemühungen um eine Lösung der Krise befänden sich in einer “Sackgasse”. Die USA und Europa wappnen sich weiter für eine mögliche militärische Eskalation. Angesichts des Aufmarschs Zehntausender russischer Soldaten an der Grenze zur Ukraine wird befürchtet, dass der Kreml einen Einmarsch in das Nachbarland plant. Moskau bestreitet das seit Wochen vehement. Für möglich gehalten wird auch, dass der Kreml eine Drohkulisse aufbauen will, um eigene Sicherheitsforderungen durchzusetzen. Moskau verlangt etwa ein Ende der NATO-Osterweiterung und einen Verzicht auf eine mögliche Aufnahme der Ukraine in das westliche Militärbündnis.

Ein ranghoher Mitarbeiter der US-Regierung sagte nach dem Telefonat von Biden und Putin, die US-Seite habe Ideen auf den Tisch gelegt mit Blick auf die Sicherheit in Europa, die auch einige Bedenken Moskaus berücksichtigten. Konkreter wurde er nicht. Putins außenpolitischer Berater, Juri Uschakow, sagte der Staatsagentur TASS zufolge, der russische Präsident habe zugesichert, Bidens Ausführungen hierzu zu prüfen. Zugleich sei bereits klar, dass zentrale Forderungen Moskaus nicht erfüllt würden.

Selbst die Ukraine ist von den USA irritiert

Nach Angaben des Weißen Hauses betonte Biden in dem Telefonat mit Putin, eine Invasion würde “großes menschliches Leid verursachen und das Ansehen Russlands schmälern”. Die Folge wäre eine entschlossene Reaktion der USA und ihrer Verbündeten, was schwere Konsequenzen für Moskau hätte. Die USA seien weiter bereit zu diplomatischen Gesprächen, aber “ebenso auf andere Szenarien vorbereitet”.

Putin beklagte in dem Gespräch mit Biden laut Kreml, dass westliche Staaten nicht den nötigen Druck auf die Ukraine ausübten, damit diese ihre Verpflichtungen erfülle. Uschakow sagte, die US-Warnungen vor einem Angriff Russlands auf die Ukraine seien “Hysterie”. Dennoch sei das Gespräch “ziemlich ausgewogen und sachlich” gewesen. Aus Kreisen der US-Regierung hieß es, die Dynamik der vergangenen Wochen habe sich durch das Telefonat nicht grundsätzlich geändert.

Die US-Regierung warnt seit Wochen mit zunehmender Dramatik vor einer möglichen russischen Invasion der Ukraine. Bidens Nationaler Sicherheitsberater Jake Sullivan hatte am Freitag erklärt, dass die USA einen russischen Einmarsch noch vor dem Ende der Olympischen Winterspiele in China am 20. Februar für möglich hielten – also schon in der kommenden Woche. Die “New York Times” schrieb, die USA hätten Geheimdienstinformationen, wonach Russland den kommenden Mittwoch (16. Februar) als Zieldatum für eine Militäraktion diskutiere. Es könne aber auch sein, dass dieses Datum Teil einer Desinformationskampagne Russlands sei.

Moskau wies die Warnungen der US-Amerikaner auf allen Kanälen zurück. Putin selbst habe im Telefonat mit Macron von “provokativen Spekulationen” gesprochen, teilte der Kreml mit. Außenminister Sergej Lawrow warf den USA eine “Propaganda-Kampagne” mit “provokativen Zielen” vor. Der russische Botschafter in Washington, Anatoli Antonow, beklagte “Alarmismus” ohne Beweise.

Selbst der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zeigte sich angesichts der alarmierenden Äußerungen aus Washington irritiert. “Falls Sie oder jemand anderes zusätzliche Informationen über einen 100-prozentigen Einmarsch am 16. (Februar) haben, dann geben Sie uns bitte diese Information”, sagte er. Kiew sei sich bewusst, dass es Risiken gebe. Dennoch gebe es im öffentlichen Raum zu viele Berichte über einen großen Krieg Russlands gegen die Ukraine. “Der beste Freund für die Feinde ist Panik in unserem Land”, sagte Selenskyj.

Keine Reisewarnung aus Österreich

Während viele Länder ihre Bürger zur sofortigen Ausreise aus der Ukraine aufrufen, gibt es aus Österreich nicht einmal eine Reisewarnung. Doch es wird zu Vorsicht geraten: “Aufgrund der durch die russischen Truppenbewegungen an der Grenze zur Ukraine ausgelösten Spannungen wird zurzeit von allen nicht unbedingt notwendigen Reisen in die Ukraine abgeraten”, schreibt das Außenministerium. Alle Reisenden und Auslandsösterreicher in der Ukraine sollen sich online registrieren (https://auslandsregistrierung.bmeia.gv.at) und die Entwicklung der Lage in den Medien aufmerksam verfolgen. Für die Gebiete Donezk und Luhansk sowie für die Halbinsel Krim besteht zudem unverändert eine partielle Reisewarnung (Sicherheitsstufe 5).