Deutsche Energiewende ohne Nachahmer: Nun setzt Prag auf Atomkraft
Immer mehr Staaten investieren in Atomkraft – nun auch Tschechien. Ursprünglich hatte Prag den Bau eines einzigen neuen Atomreaktors geplant, nun sollen es vier werden, wie eine Ausschreibung zeigt. Deutschlands Weg, der sich ganz auf erneuerbare Energien konzentriert, wird zunehmend zum Sonderweg.
Nicht nur Sonne, Wind und Wasser: Mit seiner Energiewende ist Deutschland zunehmend isoliert. Während Berlin kürzlich seine letzten Atomkraftwerke abgestellt hat und auf eine grüne Zukunft aus erneuerbaren Energien hofft, folgt man in Tschechien dem Weg Frankreichs. Dieser hat sich zwar ebenfalls einer CO2-schonenden Energiegewinnung verschrieben, nur soll die mit Hilfe von Atomkraft gelingen, und nicht auf der Basis von Wind-, Wasser- und Solarenergie. Dass moderne Volkswirtschaften auf absehbare Zeit ausschließlich mit Hilfe von erneuerbaren Energien funktionieren werden, bezweifeln immer mehr Staaten.
Der tschechische Finanzminister wartet auf den besten Bieter
Ursprünglich hatte Tschechien den Bau eines einzigen neuen Reaktors im südmährischen Atomkraftwerk Dukovany geplant. Nun hat es seine Pläne zum Ausbau der Atomenergie-Industrie allerdings deutlich ausgeweitet, wie seine Ausschreibung zeigt. Darin ist nämlich von „bis zu vier neuen Blöcken“ in Dukovany und in dem südböhmischen Kraftwerk Temelin die Rede. Nachzulesen ist das in einer Stellungnahme der Prager Regierung an die französische Gesellschaft EDF und die südkoreanische KNHP.
Finanzminister Zbynek Stanjura hält sich allerdings bedeckt. Im tschechischen Fernsehen erklärte er: „Die Ausschreibung ist noch nicht abgeschlossen, wir sind alle zur Verschwiegenheit verpflichtet, wir können Ihnen nichts darüber sagen, auch nicht hinter verschlossenen Türen.“ Der erfolgreichste Bieter soll im Mai oder Juni bekannt gegeben werden.
Lob und Kritik in Tschechien, Panik in Österreich
Die Ausweitung der Ausschreibung auf bis zu vier neue Blöcke erntete Lob vom tschechischen Nuklearwissenschaftlers Radek Skoda. Der Schritt der Regierung sei „die beste Entscheidung in der heimischen Energiebranche seit mindestens zehn Jahren“. Ihm zufolge wäre es sinnlos, nur einen Reaktor zu bauen. „Wir brauchen in Zukunft mehr Blöcke.“ Der einstige Chef des Tschechischen Energiekonzerns (CEZ) Jaroslav Mil befürchtet hingegen zu hohe Kosten. Vier Blöcke würden etwa zwei Billionen Kronen (80,3 Milliarden Euro) kosten, die der Staat nicht hat.
In Panik geraten unterdessen die heimischen Politiker in Niederösterreich. Einige sprechen von einem „Sicherheitsrisiko“. Der Nationalratsabgeordnete und Anti-Atom-Sprecher der Grünen Martin Litschauer drohte Prag: „Wir dürfen nicht zulassen, dass Tschechien bis zu vier neue Atomreaktoren unweit der österreichischen Grenze baut. Das ist nicht nur ein klimapolitischer Wahnsinn, sondern auch ein erhebliches Sicherheitsrisiko für die österreichische Bevölkerung“. Litschauer zufolge sind Atomreaktoren keineswegs klimafreundlich: „Es ist unerträglich, dass die europäischen Staaten in Zeiten der Klimakrise im Jahr 2024 immer noch auf diesen klimaschädlichen Energieträger von vorgestern setzen und damit den Ausbau der erneuerbaren Energien ausbremsen.“
Niederösterreichs Landeshauptmann-Stellvertreter Stephan Pernkopf (ÖVP) kritisierte die Entscheidung ebenfalls: „Unser Weg in Österreich und Niederösterreich ist der sichere und saubere Weg der Erneuerbaren Energie.“ Der niederösterreichische SPÖ-Landesparteichef Landesrat Sven Hergovich ortet eine „massive Gefährdung der niederösterreichischen Bevölkerung“. Der Ausbau des Kraftwerks Dukovany sei ein „Anschlag auf die österreichisch-tschechischen Beziehungen“. Österreich müsse sofort den Botschafter einbestellen und klarmachen, dass es „einen derartigen Ausbau als massive Bedrohung der nationalen Sicherheit sieht“.
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