Deutschland in der Rezession? Rekordeinbruch bei Exporten
Deutschland ist seit Jahrzehnten Exportnation. Der Außenhandelsüberschuss hat bisher mehr als fünf Prozent zum Wirtschaftswachstum beigetragen. Nun droht er wegzubrechen. „Deutschland befindet sich bereits in einer Rezession“, sagt Heino Ruland vom Analysehaus Ruland Research.
Deutschlands Wirtschaft lebt vor allem vom Export. Seit Jahrzehnten preisen deutsche Politiker ihren Handelsüberschuss. Damit ist es auf einmal vorbei. Zum ersten Mal seit 1991 ist Deutschlands Handelsbilanz negativ: Die importierten Güter haben in Summe einen höheren Wert, als die exportierten. Im Mai betrug das Minus fast eine Milliarde Euro.
Ab den 2000er-Jahren hatte die Bundesrepublik durchschnittlich Überschüsse in Höhe von rund zehn Milliarden Euro pro Monat verzeichnet. Selbst in der Corona-Pandemie blieb Deutschlands monatliche Handelsbilanz positiv. Für den jetzigen Einbruch gibt es mehrere Gründe, und die dürften leider nicht nur vorübergehend sein.
Verfehlte Energiepolitik, veränderte Geopolitik
Deutschland ist nun infolge seiner Energiewende viel mehr auf importierte Energie angewiesen, und die verteuert sich zunehmend. Das wirft die Exporte zurück. Mittlerweile schrumpft sogar der Handel mit anderen Euro-Ländern.
Das zweitgrößte Defizit hat die Bundesrepublik mit Russland, das nach wie vor Deutschlands wichtigster Energielieferant ist. Gleichzeitig halbierten sich Deutschlands Ausfuhren nach Russland. Das stärkste Defizit hat die Bundesrepublik mit China. Es lag zuletzt bei acht Milliarden Euro. Zurzeit wirken sich unter anderem auch Engpässe im Frachtverkehr auf den Weltmeeren aus.
Kein deutscher Konzern mehr unter Top 100 an den Börsen
Die veränderte geopolitische Lage könnte noch weitreichende Folgen für die Exportnation haben. Mit China und Russland brechen gerade zwei enorm wichtige Export-Partner Deutschlands weg. Das macht sich an den Börsen bemerkbar. Nicht ein einziger Konzern gehört mehr zu den Top 100 – „ein Armutszeugnis für die viertgrößte Volkswirtschaft“, kommentiert die „Welt“.
Völlig andere Bedingungen hatten noch 1991 für das Handelsminus gesorgt. Die Zeitung erwähnt den „riesigen aufgestauten Konsumhunger“ im Zuge des Wiedervereinigungsbooms, der damals nur durch Importe gedeckt werden konnte und so zur negativen Handelsbilanz geführt hat. Heute ist das ganz anders: Die Verbraucherstimmung ist auf ein Rekordtief abgestürzt. „Das Minus in der Handelsbilanz im Mai ist also kein Ausweis inländischer konjunktureller Stärke, sondern eher ein Menetekel für den ökonomischen Zustand des Landes.“
Bahnt sich Deutschlands Abstieg an?
Was sich hier anbahnt, könnte nichts Geringeres als der Abstieg von Europas größer Volkswirtschaft werden. „Der deutsche Handelsbilanzüberschuss schrumpft Monat für Monat, weil sich die Machtverhältnisse auf den Weltmärkten ändern“, sagt Heino Ruland vom unabhängigen Analysehaus Ruland Research gegenüber der „Welt“.
2021 hätten die Außenhandelsüberschüsse noch mehr als fünf Prozent zum deutschen Wirtschaftswachstum beigetragen. Wenn das aufhört, würden der deutschen Ökonomie ganz klar die Wachstumsimpulse fehlen. „Es gibt keinen anderen Posten, der dies ausgleichen könnte. Deutschland befindet sich bereits in einer Rezession“, sagt Ruland.
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