Gas-Stopp über Nord Stream 1: Drei Szenarien für Österreich sind denkbar
Eines ist sicher: Wenn Putin den Gashahn ganz zudreht, hätte das für Österreich massive Folgen. Ein Wirtschaftseinbruch wäre kaum zu verhindern. 80 Prozent des russischen Gases ließen sich so schnell nicht ersetzen. Die Denkfabrik Agenda Austria hält drei Szenarien für mehr oder weniger wahrscheinlich.
Noch fließt Gas durch die Pipeline Nord Stream 1. Eine Frage treibt immer mehr Menschen um: Was passiert, wenn Putin den Gashahn komplett zudreht? Klar ist: Österreich würde in Mitleidenschaft gezogen, wenn es in Deutschland kein russisches Gas mehr gibt. Die Frage ist: Wie stark? Die Denkfabrik Agenda Austria hat drei Szenarien für den Ernstfall durchgerechnet.
Optimistisches Szenario
Im besten Fall kann Österreich 80 Prozent des russischen Gases kompensieren. Darüber hinaus geht dieses Szenario davon aus, dass die privaten Haushalte etwa ein Zehntel ihres Gasverbrauchs einsparen, was Druck von der Industrie nimmt. Die reale Wirtschaftsleistung sinkt unter diesen Bedingungen um 1,1 Prozentpunkte.
Man sieht: Trotz der jüngsten Wirtschaftsprognosen von WIFO und IHS, die für heuer noch ein Wachstum von fast fünf Prozent und von zwei Prozent für 2023 erwarten, würde uns der Gas-Stopp hart treffen. Die Kombination aus Stagnation der Wirtschaftsleistung ab Ende 2022 bei gleichzeitig hoher Inflation – kurz: Stagflation – wäre selbst im besten Fall unvermeidbar.
Einzig der gute Start ins laufende Jahr und Aufholeffekte nach den Corona-Einschränkungen würden das Bruttoinlandsprodukt des Jahres 2022 stützen. Selbst hier ist eine Rezession ab Ende des Jahres nicht auszuschließen, wenn zusätzliche weltwirtschaftliche Schocks, wie eine Verschärfung der Lieferkettenproblematik, die österreichische Wirtschaft treffen.
Mittleres Szenario
Im mittlerweile Szenario könnten in Anlehnung an Pläne der Europäischen Kommission zwei Drittel des russischen Gases kompensiert werden. Die privaten Haushalte könnten ihren jährlichen Gasverbrauch um fast ein Fünftel reduzieren. In Deutschland, das seine Gasabhängigkeit deutlicher als Österreich reduzieren konnte, können 90 Prozent des russischen Gases ersetzt werden. Der Schaden wird rund 2,6 Prozentpunkte des BIP betragen; nur 0,05 Prozentpunkte dieses Einbruchs steuert Deutschland bei. In diesem Szenario fallen 45.000 Arbeitsplätze weg. Ab Ende 2022 befindet sich Österreich in einer Wirtschaftskrise
Pessimistisches Szenario
In diesem Fall lassen sich nur die Hälfte der russischen Gaslieferungen ersetzen. Zudem können die privaten Haushalte ihren jährlichen Gasverbrauch nur um etwas mehr als zehn Prozent reduzieren. Die Industrie muss noch größere Lasten tragen, was zu einem massiven Wirtschaftseinbruch führt. Darüber hinaus können in Deutschland nur 70 Prozent des russischen Gases ersetzt werden. Österreich rutscht in eine Wirtschaftskrise, das BIP wird um 4,2 Prozentpunkte (0,2 Prozentpunkte aufgrund des deutschen Einbruchs) kleiner als erwartet; 75.000 Arbeitsplätze sind bedroht.
"Die Ränder scheinen am unwahrscheinlichsten"
Welches der drei Szenarien am wahrscheinlichsten ist, lässt sich kaum sagen. “Die Ränder scheinen aber am unwahrscheinlichsten”, kommentiert die Agenda Austria. Bis jetzt sieht es nicht danach aus, als ließen sich 80 Prozent des russischen Gases in Österreich kurzfristig ersetzen. Umgekehrt erscheint aber auch die Annahme, dass bis 2023 nur die Hälfte kompensiert werden kann, nicht plausibel, meint die Agenda.
Die jüngste Reservierung von Pipelinekapazitäten der OMV im Umfang von 40 TWh für Gas aus Norwegen und zusätzliches Flüssiggas haben die Lage ein wenig entspannt. Fakt ist: “Wie schlimm es am Ende kommt, hängt entscheidend davon ab, wie viel russisches Gas tatsächlich ersetzt oder idealerweise ganz eingespart werden kann.”
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